Nazi-Demo in Nürnberg: Stadt gegenüber Rechten zu großzügig

16.7.2018, 15:05 Uhr
Nazi-Demo in Nürnberg: Stadt gegenüber Rechten zu großzügig

© Thomas Witzgall

"Wir verlangen von den Verantwortlichen der Stadt, endlich aus ihrer Zuschauerloge zu treten und selbst Akteure gegen rechte Umtriebe zu werden", sagt Ulli Schneeweiß vom Bündnis Nazi-Stopp. Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) hebe zwar mit Blick auf den Widerstand gegen Rechte das Bündnis "Nürnberg hält zusammen" hervor, das sich aus gesellschaftlichen Organen wie der IKG, Stadt, den Kirchen und Gewerkschaften zusammensetzt.

Doch dieses Bündnis "existiert faktisch nicht. Es ist ein Label, das nur aus einem Plakat und einem Button besteht". Diese Initiative habe laut Schneeweiß "nur ein einziges Mal am 16. Januar 2015 eine Kundgebung gegen einen rechten Aufmarsch angemeldet, danach nie wieder". Seitdem habe es in Nürnberg aber mehr als 60 rechte Demonstrationen gegeben.

"Wenn wir ihn ablehnen, kommt ein Strohmann" 

Das Bündnis Nazi-Stopp zweifelt auch an der Darstellung der Stadtspitze, dass die Verantwortlichen der rechtsextremen Kundgebung vor etwas mehr als zwei Wochen nie wieder eine Genehmigung für eine Demo erhalten sollen. "Bei Versammlungsleitern aus dem rechten Spektrum zeigt sich die Stadt regelmäßig großzügig. So gestattete sie Heinz Meyer, Chef von Pegida München bereits mehrfach diese Funktion, obwohl die Landeshauptstadt ihn in der Vergangenheit erfolgreich mangels Zuverlässigkeit hiervon entbunden hat. Begründung des Nürnberger Ordnungsamtes: ,Wenn wir ihn ablehnen, kommt ein Strohmann‘", so Schneeweiß in seiner Stellungnahme.

Stein des Anstoßes für den wachsenden Unmut der Nazi-Gegner war die rechtsextremistische Kundgebung vom 30. Juni in Nürnberg. Es waren eher unauffällige Leute, die da hinter den Bannern hergingen, in Jeans, gebügelten Hemden oder Dirndln. Sie trugen Transparente, auf denen die Solidarität mit Gerhard Ittner, Ursula Haverbeck oder Horst Mahler erklärt wird — Personen, die wegen wiederholter Holocaustleugnung verurteilt wurden und teils in Gefängnissen sitzen. Die Teilnehmer forderten auch die Abschaffung des § 130 StGB, der sogenannte "Volksverhetzungsparagraf".

Demo-Genehmigung trotz Hassparolen

Wie berichtet, starteten die rund 250 Teilnehmer ihre Kundgebung am Rathenauplatz und beendeten sie auf dem Willy-Brandt-Platz. Die Inhalte einiger Reden waren mit Hassparolen gegen das jüdische Volk und Leugnungen des Holocaust gespickt, auf der Bühne wurde ein inszenierter Hitlergruß gezeigt. Die Kripo Nürnberg prüft derzeit vier strafrechtlich relevante Delikte. Dabei geht es um die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Urkundenfälschung, Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. 

Harsche Kritik an Polizei und Stadt kam schließlich von der Israelitischen Kultusgemeinde Bayern (IKG). Sie fragte: Warum haben die Veranstalter für ihre Kundgebung grünes Licht bekommen und warum konnte die Demo ungehindert über die Bühne gehen — trotz mutmaßlich erkennbarer Straftaten und teils einschlägig vorbestrafter Redner? In einer Pressemitteilung der Polizei heißt es: "Bei der Versammlungsfreiheit handelt es sich um ein hohes Gut, so dass die Auflösung einer Versammlung nach ständiger Rechtsprechung hohen Hürden unterliegt und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen muss."

Dresden greift härter durch 

Dennoch scheint es auch anders zu gehen. Siehe Dresden. Dort lief am 17. Februar eine rechtsradikale Demo mit gleicher Ausrichtung — sie wurde von der Polizei jäh abgebrochen. Der verurteilte Volksverhetzer Gerhard Ittner rief in Dresden zum Gedenkmarsch auf. Die Versammlungsbehörde gestattete ihm die Veranstaltung, reden durfte er allerdings nicht. "Die Kundgebung stand unter besonderer Beobachtung der Versammlungsbehörde und der Polizei", wie die Sächsische Zeitung berichtete. Die Reden wurden auf mögliche Volksverhetzung genau geprüft.

Ein Verdacht, der sich im Laufe der Veranstaltung erhärtete. Wenig später war klar: Der Anfangsverdacht der Volksverhetzung hatte sich bestätigt, die Veranstaltung sollte abgebrochen werden. Es kam zu tumultartigen Szenen. Verärgert beendete Ittner seine Demonstration, scheiterte dann mit einer sofortigen Spontankundgebung, sprach aber trotz Verbots zu seiner Gefolgschaft. Schließlich zerrte ihn die Polizei vom Platz. Gegen seine Redner wurden Strafverfahren eingeleitet.

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