Neubebauung: Debatte um Reichelsdorfer Keller geht weiter

13.4.2021, 05:46 Uhr
Mit Mahnwachen wollen die Anwohner rund um die ehemalige Radrennbahn auf ihre Sorgen und Nöte hinsichtlich der Neubebauung aufmerksam machen.

© Dorith Müller, NNZ Mit Mahnwachen wollen die Anwohner rund um die ehemalige Radrennbahn auf ihre Sorgen und Nöte hinsichtlich der Neubebauung aufmerksam machen.

Das geplante neue Quartier umfasst laut aktuellem Stand einen Geschosswohnungsbau mit überwiegend drei bis vier Stockwerken sowie einige Einfamilienhäuser. Insgesamt entstehen rund 170 neue Wohneinheiten. In Richtung Vorjurastraße ist außerdem eine Kindertageseinrichtung mit zwei Kinderkrippengruppen und drei Kindergartengruppen geplant. In einem fünfgeschossigen Bau im Kreuzungsbereich Keller- und Vorjurastraße sind Büro- und Dienstleistungsflächen sowie kleinflächiger Einzelhandel und Wohnen in einer Größenordnung von rund 5000 Quadratmetern vorgesehen.

Etwa 200 Meter weiter, auf dem Areal des ehemaligen Tanzlokals Reichelsdorfer Keller, werden vom Bauträger BPD (Bouwfonds Property Development) ab dem Frühjahr 2021 zudem sieben vierstöckige Mehrfamilienhäusern mit insgesamt 72 Wohneinheiten errichtet.

Diese Planungen riefen schon Ende vergangenen Jahres zahlreiche Anwohner auf den Plan. Es gründete sich die "Quartiersinitiative Reichelsdorfer Keller", zu der auch Dorith Müller gehört. "Dass das Areal bebaut wird, wäre an sich nicht so dramatisch. Es geht aber um die Dimension", sagt sie. Müller und ihre Mitstreiten fürchten ein Verkehrschaos. Außerdem würden sie gerne "ein bisschen was von der Tradition des Areals bewahren", etwa in Form eines Stadtteiltreffpunkts.

Autokorso durch den Stadtteil

Mit einem Autokorso im Dezember und seit Kurzem wöchentlichen Mahnwachen vor Ort machen sie ihren Ärger über die Pläne und ihre Forderungen sichtbar. So sichtbar, dass die Aktionen Stadträte aus den drei großen Rathausparteien jetzt auf den Plan rufen. Alle drei fordern nun die Stadtspitze auf, Sorgen und Nöte der Katzwanger und Reichelsdorfer ernstzunehmen.

Die "Quartiersinitiative Reichelsdorfer Keller" veranstaltete im Dezember einen Autokorso durch den Stadtteil.

Die "Quartiersinitiative Reichelsdorfer Keller" veranstaltete im Dezember einen Autokorso durch den Stadtteil. © Stefan Hippel, NNZ

"In der Bevölkerung gibt es große Bedenken, die auch die Quartiersinitiative immer wieder deutlich vor Augen führt. Zusammen mit Teilinformationen, Ideen und Wünschen aus den Planungen und Modellgrafiken des Investors herrscht vor Ort eine große Verunsicherung", sagt Stadträtin Claudia Bälz (CSU). Mit einem Antrag an Oberbürgermeister Marcus König will sie Klarheit und einen einheitlichen Wissensstand für alle Betroffenen vor Ort erreichen und sicherstellen, dass die Anliegen der Bürger gehört werden. Die CSU-Fraktion schlägt für einen Austausch eine digitale Bürgerbeteiligung vor. "In einem Jahr Pandemie haben sich solche Formate bewährt", ist die Partei überzeugt.

Mit einem ganzen Antragskatalog wartet auch die SPD auf. Unter anderem fordert Stadtrat Harald Dix, die Baumfällungen auf das absolut notwendige Maß zu beschränken: "Grundsätzlich müssen auf dem Areal mehr neue Bäume gepflanzt, als Bäume gefällt werden. Wo es technisch möglich ist, muss es auch Großbaumverpflanzungen mit passenden Bäumen geben." Auch fordert er einen Verzicht auf Wohneinheiten mit sechs Geschossen und bezahlbaren Wohnraum. Derzeit kostet etwa eine Drei-Zimmer-Wohnung auf dem Gelände des ehemaligen Tanzlokals zwischen 420000 und 500000 Euro, eine Vier-Zimmer-Wohnung kostet bis zu 720000 Euro.

"Ein Veranstaltungsraum, der in seiner Größe dem wachsenden Stadtteil Katzwang Rechnung tragen soll, stellt aus unserer Sicht außerdem eine berechtigte Forderung der Anwohner dar. Profitieren würde auch der angrenzende Stadtteil Reichelsdorf, der bisher genauso wenig über einen Veranstaltungsraum verfügt", so Dix weiter.

Alten Baumbestand bewahren

Die Grünen wollen, dass das neue Quartier der sozialen Vielfalt Nürnbergs auch baulich entspricht. "Die vielfältigen Lebensentwürfe, Altersstrukturen und finanziellen Möglichkeiten sowie die Nachfrage nach kulturellen, sportlichen, sozialen und kreativen Angeboten sollen dabei berücksichtigt werden", sagt die stadtentwicklungs- und wohnungspolitische Sprecherin Andrea Bielmeier. Und auch sie kritisiert die geplanten Fällungen: "Geplant sind zwar Ausgleichspflanzungen mit Jungbäumen, diese können allerdings nicht den ökologischen Verlust über Jahre hinaus ausgleichen."

Dieser wiege umso schwerer hinsichtlich der Szenarien, die der Klimabericht Bayern 2021, vorgestellt im Februar, darlegt: massive Erwärmung, verändertes Bioklima, steigende Hitzebelastung in den Städten, Tropennächte. "Deshalb müssen wir den Baumbestand wahren und Neuanpflanzungen – am besten größerer Bäume – forcieren", so Bielmeier.

Auf den ersten Blick eine Kleinigkeit, für viele Stadtteilbewohner aber sicherlich eine Forderung, die über den Verlust der traditionellen Radrennbahn ein wenig hinwegtrösten kann, führt die SPD in ihrem Antrag am Ende auf: Die Aufstellung eines "Denkmals" zur Erinnerung an die traditionelle Radrennbahn als wesentlicher Mittelpunkt in der Geschichte dieses Quartiers.

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