Neuer Rahmen für altes Kunstwerk

8.4.2011, 10:30 Uhr
Neuer Rahmen für altes Kunstwerk

© Karlheinz Daut

Schon beim Betreten des Schulzimmers schlägt einem eine feine, graue Staubwolke entgegen. Kein Wunder, schließlich wird drinnen gerade ein Sack Putzmörtel in große Eimer gekippt und mit Wasser angerührt. Überall auf den Tischen liegen Hartschaum-Bauplatten, die mit grauer Masse eingespachtelt werden, während im Nebenraum gleich mehrere Farbroller rollen. Fast könnte man meinen, in einem noch nicht fertiggestellten Trakt des Schul-Neubaus gelandet zu sein.

Die 24 „Handwerker“, die dort fieberhaft arbeiten, sind aber ungen und Mädchen der sechsten Klasse, die das neue Schulhaus nicht zu Ende bauen, sondern ihm nur den letzten Schliff geben. Das Wandbild, an dem die jungen Künstler schon seit Wochen arbeiten, soll nach den Osterferien fertig sein und Farbe in die nüchterne, weiße Aula der Schule bringen.

Herzstück des 4 mal 4,80 Meter großen Kunstwerks ist das Original-Teil eines Wandbilds, das schon die Fassade des 1962 eingeweihten alten Schulgebäudes zierte. Bei dessen Abriss war zwar lange um den Erhalt der insgesamt drei Sgraffitos des Künstlerehepaars Jobst und Bert Kuchl gerungen worden (der Stadtanzeiger berichtete mehrfach). „Doch letztlich gab es kein Geld dafür“, berichtet Künstlerin Manuela Dilly, die das gerettete Teilstück restauriert hat.

Alte Rollenbilder

Trotzdem stehen die verlorenen Sgraffitos im Mittelpunkt eines Kunstprojekts, das Dilly gemeinsam mit Lehrerin Jutta Bär betreut. Im Unterricht haben sich die Kinder unter anderem mit der Geschichte der Bilder beschäftigt, in denen sich auch Rollenbilder der damaligen Zeit spiegeln. „Das Sgraffito zum Thema ,Wissen und Lernen‘ etwa zeigt Mädchen, die von Schulbüchern, Unterrichtmaterialien sowie Schere und Nähzeug flankiert sind“, erklärt Bär. „Auf dem Gegenstück ,Natur und Spiel‘ sind Tiere, Blumen und spielende Knaben zu sehen.“

Für den künstlerischen Teil des Projekts ist Manuela Dilly verantwortlich. Passend zum Original wird das Sgraffito von dick eingespachtelten Bauplatten flankiert, aus denen die Schüler Motive herauskratzen und sie dann bemalen. Eine Technik, die nicht allen leichtfällt, weiß Dilly: „Manche schaffen es einfach nicht, eine zweidimensionale Vorlage dreidimensional umzusetzen.“

Die größte Herausforderung für die Künstlerin besteht darin, den Überblick zu behalten im kreativen Chaos, das 24 Sechstklässler verursachen können. Schließlich sollen alle „Puzzleteile“ am Ende zusammenpassen. Ohne ihre „Assistentin“ Lina (11) von der Montessori-Schule, lobt Dilly, „würde das nicht so gut klappen“. Schwerer als die jungen Wilden im Zaum zu halten, ist es nur noch, sie nach jeder Projektstunde zum Saubermachen des Kunstraums zu animieren. Eine Aufgabe, die Lehrerin Jutta Bär jedes Mal viel Durchsetzungsvermögen abverlangt. Denn wenn am Ende des Tages der Mörtelstaub aus allen Ritzen quillt, sind sich fast alle Kinder mit ihrem Klassenkameraden Pavel (12) einig: „Das waren wir doch gar nicht.“