Immer mehr Opfer

Neues Dezernat in Nürnberg: So will Bayern Cyberkriminelle stoppen

9.7.2021, 18:22 Uhr
Kriminelle haben im Internet ein vermeintlich leichtes Spiel: Im Polizeipräsidium in Nürnberg gibt es jetzt ein neues Fachdenzernat. Schwerpunkt: Cybercrime.

© Julian Stratenschulte, dpa Kriminelle haben im Internet ein vermeintlich leichtes Spiel: Im Polizeipräsidium in Nürnberg gibt es jetzt ein neues Fachdenzernat. Schwerpunkt: Cybercrime.

Es gibt nur ein Foto. Es ist das letzte, das ein minderjähriger Junge gemacht und seiner Mutter geschickt hat. Sein Handy ist aus, die Verbindung zu ihm abgeschnitten. Die Mutter geht zur Polizei, meldet ihren Sohn als vermisst und überlässt den Ermittlern das letzte Foto ihres Sohnes. Die erste Frage: Wo hat der Bub das Bild gemacht? Kriminalhauptkommissar Florian Zapf von K 51 wirft das Foto im Polizeipräsidium Mittelfranken an die Wand.

Zu sehen sind Autos, Gebäude, wie sie in jeder Stadt stehen, Bäume, Himmel. Doch auf die Details kommt es an. Ein Zug ist zu erkennen, rechts eine Laterne, die einen langen Schatten wirft. "Anhand des Schattens erkennen wir die West-Ost-Ausrichtung", erklärt Zapf. Im Hintergrund steht ein hohes Gebäude, der Businesstower. Schritt für Schritt kommen die Ermittler weiter, lokalisieren schließlich den Standort des Fotografierenden. Dort, so Zapf, finden Streifenbeamte später das defekte Handy. Das Smartphone und die gewonnen Erkenntnisse gibt Zapf an die Digitale Forensik K 53 weiter.

Fahndung nach ominösem Dieter

Kriminalhauptmeister Stefan Skale nimmt die Platine aus dem gefundenen Handy und steckt sie in ein VR-Table - ein Gerät, mit dem er Daten aller Art auf dem mobilen Telefon (Adressbuch, Chats, Fotos) auslesen kann. Die Ermittler stoßen auf eine Nachricht, in der ein gewisser "Dieter" ein Treffen mit dem vermissten Buben am Hauptbahnhof bestätigt - kurz nachdem der Junge verschwunden ist. Die Forensiker entdecken auch eine zur Nachricht gehörende Telefonnummer, die Fahndung nach diesem ominösen Dieter kommt in Gang.

Der Leiter des neuen Dezernats in Nürnberg: Daniel Schade

Der Leiter des neuen Dezernats in Nürnberg: Daniel Schade © Stefan Hippel, NNZ

Der geschilderte Fall ist fiktiv, wie Kriminaloberrat Daniel Schade sagt, aber nicht ausgeschlossen. Schade ist Leiter des neuen, eben ins Leben gerufenen Kriminalfachdezernats 5 in Nürnberg, das für Cybercrime und digitale Forensik zuständig ist. Der dargestellte Fall soll näher bringen, wie Ermittlungen im Bereich Cybercrime laufen.

Opfer von Betrügereien

Doch Cybercrime ist vielschichtig und ein Kriminalphänomen, das sich im Vergleich zu anderen, am dynamischsten verändert. Es geht um Straftaten, die am Handy, Laptop oder Computer begangen werden. Beispiel: Täter richten gefälschte Shopping-Seiten ein, bieten Waren an, die es gar nicht gibt und kassieren vor Lieferung bei den ahnungslosen "Kunden" ab. Unter Cybercrime versteht man aber auch den Handel auf Untergrund-Marktplätzen (Darknet), auf denen illegale Güter wie Drogen, Waffen, Kinderpornografie, gestohlene Daten und Identitäten angeboten und gekauft werden.

Es sieht so aus, als verlagerten Kriminelle ihre Aktivitäten zunehmend ins Internet, weil sie "leichte Beute" vermuten und ein geringeres Entdeckungsrisiko. Blickt man auf die Zahlen in der Kriminalstatistik, scheint sich dieser Trend zu bestätigen: 2020 war in 35.652 Fällen in Bayern das Internet das Mittel für Straftaten - ein Anstieg um 20 Prozent. Betrügereien und sexuelle Straftaten machen das Gros der Gesamtzahl aus. Den Trend findet Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) "besorgniserregend", sagt er während der Vorstellung des neuen Dezernats in Nürnberg. Hinzu kommt: "Die Aufklärungsquote bei Cybercrimedelikten ist im Vergleich zu anderen Deliktsfeldern verhältnismäßig niedrig."

Mehr als 400 IT-Kriminalisten

Das soll sich mit dem in Nürnberg neu gegründeten Kriminalfachdezernat 5 (KFD 5) ändern. Unter dem Dach des KDF5 sind nun drei bereits bestehende Kommissariate zusammengeführt worden. Das KDF 5 hat aktuell 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in Zukunft soll es personell verstärkt werden. Derzeit arbeiten in Bayern mehr als 400 IT-Kriminalisten bei der Polizei und spüren den Verbrechen im Netz nach. Seit Anfang des Monats stehen der Landespolizei und dem Landeskriminalamt überdies mobile IT-Ermittler und -Spurensicherer zur Verfügung. Die Teams werden bei schwerwiegenden Cyberangriffen auf Unternehmen oder Behörden gerufen und kommen vor Ort zum Einsatz. Laut Herrmann sind sie rund um die Uhr abrufbar.

Untergebracht ist das Dezernat vorübergehend in gemieteten Räumen in einem Gebäude am Plärrer. Vorgesehen ist allerdings, dem KDF 5 mittelfristig eine feste Bleibe in einem Haus auf dem Polizeigelände an der Wallensteinstraße zu geben. Polizeipräsident Roman Fertinger berichtet, dass für die >Sanierung des Baus sind Kosten in Höhe von 900.000 Euro eingerechnet sind.

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