NSU-Morde: Grüne kämpfen für neuen Untersuchungsausschuss

28.11.2020, 10:54 Uhr
Auch die Bombenexplosion in der Pilsbar "Sonnenschein" in der Nürnberger Scheurlstraße 1999 geht auf das Konto des NSU. Ein Jahr später geschah der erste Mord in Nürnberg.

© Karl-Heinz Daut, NN Auch die Bombenexplosion in der Pilsbar "Sonnenschein" in der Nürnberger Scheurlstraße 1999 geht auf das Konto des NSU. Ein Jahr später geschah der erste Mord in Nürnberg.

Wieso zündeten die Terroristen des selbsternannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) ihre selbstgebaute Bombe in einer Nürnberger Kneipe? Woher stammte das Material? Wieso begannen sie ihre Mordserie in Nürnberg? Die Grünen im Bayerischen Landtag haben in ihren 72 Anfragen an die Staatsregierung zum NSU-Komplex den Schwerpunkt auf Franken gelegt.


Werden bald Straßen nach den NSU-Opfern benannt?


Die Fraktion hatte ein eigenes Gutachten über die ungelösten Fragen und neuere Erkenntnisse zur Mordserie der Rechtsterroristen um Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe in Auftrag gegeben. Das NSU-Kerntrio hatte in den Jahren 2000 bis 2007 neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft und eine deutsche Polizistin getötet. Allein drei Morde geschahen in Nürnberg.Mundlos und Böhnhardt nahmen sich im November 2011 das Leben, Beate Zschäpe wurde 2018 zu lebenslanger Haft verurteilt.

Gefahr für die Zukunft

Das Gutachten liefere eine Basis für einen neuen Untersuchungsausschuss, betont Bozoglu. Der erste Ausschuss hatte 2012/2013 sieben Monate lang getagt, doch viele Fragen tauchten erst im Zschäpe-Prozess ab 2013 auf. Was fehlende Aufklärung nach sich ziehen könne, habe man beim Mord an Walter Lübcke schmerzvoll erfahren müssen, sagt Bozoglu. Nicht enttarnte Verbindungen der Szene seien "eine Gefahr für die Zukunft". Auch ein Sonderermittler ist für den Grünen denkbar, oder weitere parlamentarische Initiativen.

Seit Jahren fordern Angehörige der Opfer und ihre Anwälte in Bayern eine zweite parlamentarische Untersuchung. Zuletzt starteten sie die Internet-Petition "Kein Schlussstrich", die auch von der Nürnberger Initiative "Schweigen durchbrechen" getragen wird. Fast 2000 Unterschriften sind bereits erreicht, darunter sind auch die Namen von vielen Nürnberger, Fürther und Erlanger Bürgern.

Mandy S. übte das Schießen

Das bayerische Innenministerium prüft derzeit, ob Akten aus den NSU-Untersuchungsausschüssen in Land und Bund geschreddert werden können.

Das bayerische Innenministerium prüft derzeit, ob Akten aus den NSU-Untersuchungsausschüssen in Land und Bund geschreddert werden können. © Marijan Murat, NNZ

Ein solcher Ausschuss "ist das schärfste Schwert, das wir im Parlament haben", sagt die Nürnberger Grünen-Abgeordnete Verena Osgyan, die den Fragenkatalog zusammen mit Bozoglu und Fraktionschefin Katharina Schulze eingereicht hatte.

Aufgegriffen wurden auch die Recherchen des gemeinsamen Rechercheteams von Nürnberger Nachrichten und Bayerischem Rundfunk über die Unterstützer-Gruppen. Eine Reihe von Fragen drehen sich etwa um Mandy S., die Beate Zschäpe im Untergrund ihren Ausweis und ihre Krankenkarte geliehen hatte und einige Zeit in Büchenbach bei Roth lebte. Mandy S. hatte im örtlichen Schützenverein das Schießen geübt.

Auch Christian W., der beim Blumenhändler Enver Simsek einige Wochen vor dessen Ermordung an seinem Stand in Langwasser einen Strauß gekauft hatte, steht im Fokus. Mögliche Verbindungen der Rechtsextremisten in die Nürnberger Hooligan-Szene sollen beleuchtet werden.

Werden Akten geschreddert?

Die SPD im Landtag ist einem Gremium, das all diesen Fragen auf Grundlage der Ermittlungen von Polizei und Verfassungsschutz nachgehen soll, nicht abgeneigt. Deren Rechtsextremismus-Experte Florian Ritter hält es für denkbar, dass man auf diesem Weg Erkenntnisse gewinne, wie die Opfer ausgewählt worden sind.

Derweil treibt die Grünen eine ganz andere Sorge um. Das Innenministerium prüft derzeit, ob aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen Akten aus den Untersuchungsausschüssen in Bayern und im Bundestag vernichtet werden müssen. Im November 2015 war ein Löschmoratorium verhängt worden, Unterlagen durften also nicht geschreddert werden.

Eine Vernichtung will Fraktionschefin Katharina Schulze unbedingt verhindern. Das NSU-Unterstützernetzwerk sei bisher nicht einmal "ansatzweise aufgeklärt", mahnt sie. Alle wichtigen Unterlagen müssten langfristig gesichert werden.

Das Innenministerium antwortete ihr, alle Unterlagen der bayerischen Polizei und des Landesamtes für Verfassungsschutz, die an Parlamentarier gegeben worden seien, stünden auch weiterhin zur Verfügung. Nicht alle Abgeordnete wollen daran glauben. Einige Aktenteile seien bereits im Reißwolf verschwunden, heißt es bei den Grünen.

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