Nürnberg: Debattiert der Stadtrat bald live im Internet?

28.12.2018, 06:00 Uhr
Wer die Stadtratssitzungen verfolgen will, muss ins Rathaus kommen und sich einen Platz auf der Zuschauertribüne suchen. Wenn es nach der FDP ginge, kann man die Debatten auch bald zu Hause am Computer ansehen.

© Weigert Wer die Stadtratssitzungen verfolgen will, muss ins Rathaus kommen und sich einen Platz auf der Zuschauertribüne suchen. Wenn es nach der FDP ginge, kann man die Debatten auch bald zu Hause am Computer ansehen.

FDP-Stadtrat Alexander Liebel brachte das lange in der Versenkung verschwundene Thema wieder auf den Tisch. Er kritisierte, dass die Haushaltsberatungen des Stadtrats wieder nicht live im Internet übertragen wurden.

"Kommunalpolitik ist ganz nah am Menschen dran, deshalb sollte man sie auch möglichst transparent machen", findet der Liberale. Man müsse den Leuten doch die Möglichkeit bieten, sich selbst ein Bild zu machen.

Neu ist dieser Vorstoß nicht. Auch andere Parteien im Stadtrat haben sich schon dafür ausgesprochen, wenigstens die Sitzungen im Plenum zu zeigen. Bislang wurden solche Ansinnen abgebügelt.

Als zum Beispiel die Grünen vor mehr als acht Jahren beantragt hatten, man möge die Stadtratssitzungen wenigstens hinterher in Form einer Audiodatei ins Internet stellen - schließlich sei es auf Bundes- und Landesebene bestehende Praxis, Wortprotokolle von Sitzungen zu veröffentlichen -, legte die Stadtspitze ein Veto ein. Aus datenschutzrechtlichen Gründen gebe es keine Rechtsgrundlage dafür, Audiodateien im Internet zu veröffentlichen. Das wäre nur möglich, wenn alle vorher ihr Einverständnis geben würden, hieß es. Alles in allem hielt Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) das Anliegen deshalb für "problematisch".

Hemmungen vor der Kamera

Datenschutzrechtliche Bedenken sind das eine. Es gibt noch andere Gründe, weshalb Nürnbergs OB kein Freund von Live-Übertragungen ist. Manchen Stadträten oder Mitarbeitern der Verwaltung falle es schwerer zu reden als anderen. Eine Kamera könnte zum zusätzlichen Hemmnis werden, lautet die Argumentation. "Wir wollen die Schwelle zum Reden so niedrig wie möglich halten, sagt Christine Schüßler, Chefin des Bürgermeisteramts, auf Anfrage. Durch die Berichterstattung in den Medien sei die Öffentlichkeit doch gewährleistet, meint die Amtsleiterin.

Doch es gibt noch eine gewichtige Befürchtung, die die Skepsis gegen einen Livestream aus dem Sitzungssaal nährt. Die Stadtspitze will den beiden rechtsextremen Stadträten der Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA), die Live-Übertragungen befürworten würden, kein zusätzliches Forum für ihre Rechtsaußen-Positionen bieten.

Das Risiko, dass die Öffentlichkeit auch missbraucht werden könnte, sei ihm bewusst, sagt FDP-Stadtrat Liebel. Er plädiert trotzdem für Transparenz. Totschweigen könne man die Rechten nicht. "Diese Menschen gibt es, man muss sich mit ihnen auseinandersetzen." Liebel vertraut auf den "mündigen Bürger". Er glaubt, dass die meisten Menschen sehr wohl zwischen plumper Polemik und dem ernsthaften Bemühen um gute Lösungen unterscheiden könnten.

Die Grünen pflichten dem Liberalen bei. "Wenn man die BIA live erlebt, wie die sich gibt, vom Inhalt und von der Lautstärke her, dann wird man doch eher wachgerüttelt", ist sich Achim Mletzko, Fraktionschef der Grünen, sicher. Er kann deshalb das Argument, man wolle den "nicht-demokratischen Kräften keinen größeren Resonanzboden" geben, nicht akzeptieren. Auch technische Bedenken hält er für "Larifari". "Die Zeit ist mehr als reif dafür", sagt er mit Blick auf eine Live-Übertragung der Stadtratssitzungen.

Auch die CSU-Fraktion, Bündnispartner der SPD im Rathaus, ist offen dafür. Wenn es vom Datenschutz her möglich ist, "dann habe ich kein Problem damit, dann können wir gerne darüber diskutieren", sagt CSU-Fraktionschef Marcus König auf Anfrage. "Wir müssen noch viel mehr Menschen zeigen, was in der Kommunalpolitik los ist. Wir erreichen doch viele gar nicht mehr", fährt König fort.

Dem Argument, den rechten Stadträten am besten kein weiteres Forum zu bieten, kann er ebenfalls nicht viel abgewinnen. "Es ist ja fast schon hilfreich, dass man sie sprechen lässt", sagt er hinsichtlich der Qualität der Wortbeiträge der BIA.

SPD ist skeptisch

Einzig die SPD-Stadtratsfraktion bleibt bei ihrer ablehnenden Haltung. Vize-Fraktionschef Thorsten Brehm befürchtet, dass sich die Debattenkultur im Stadtrat ändern wird, sobald eine Kamera läuft. Er möchte nicht, dass jeder nur noch ein für die Aufnahme vorbereitetes Statement abgibt. Wenn keiner mehr frei spricht, "tut das dem Gremium nicht gut".

Brehm glaubt, dass dann für Lebendigkeit und Spontaneität wenig Raum bliebe. Bislang sei der Stadtrat immer noch ein Gremium, in dem es gelingen könne, aus der Sitzung heraus etwas zu verändern.

Brehm ist der Auffassung, dass sich das Interesse an den Sitzungen ohnehin in engen Grenzen halten dürfte. "Stadtratsdebatten haben eine überschaubare Spannungskurve", sagt der Chef der Nürnberger SPD diplomatisch. Soll heißen: Manchmal sind sie zum Gähnen langweilig. Ganz und gar verschließen will er sich dem Thema aber auch nicht. "Wenn es ein riesengroßes Interesse in der Stadtgesellschaft gibt, kann man darüber reden. Aber wir sehen das nicht."

FDP-Stadtrat Liebel will die Frage Live-Übertragung ja oder nein im ersten Quartal 2019 noch einmal im Stadtrat zum Thema machen.

 

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