Nürnberg: Invasion der Marienkäfer

10.10.2008, 00:00 Uhr
Nürnberg: Invasion der Marienkäfer

© AP

«Das ist ja eine richtige Invasion«, wunderte sich Angela Friedrich: Hunderte der roten, orangefarbenen und gelblichen Tierchen hatten es sich in ihrem Wohnzimmer gemütlich gemacht. Die Hausfrau benötigte eine Stunde, bis sie die unerwünschten Gäste wieder zum Fenster hinausgebracht hatte. Auch weitere NN-Leser informierten die Lokalredaktion.

«Die Asiatischen Marienkäfer sind robuster und brutaler als die heimischen Sorten«, berichtet Insektenforscher Max Kühbandner von der Zoologischen Staatssammlung in München, «sie fressen nicht nur Blattläuse, sondern auch ihre Artgenossen. Unsere hiesigen Arten sind dadurch ernsthaft bedroht.«

Während die 70 heimischen (von weltweit rund 5500) Marienkäfer-Arten nur ein bis zwei Generationen pro Jahr hervorbringen, können die asiatischen Artgenossen im gleichen Zeitraum bis zu viermal Nachwuchs in die Welt setzen, berichtet der Entomologe: «Wir müssen mit dem ,Neubürger‘ zurechtkommen, denn den Käfer bekommt man nicht mehr weg.« Natürliche Feinde seien selten, die Vögel würden von der «Reflexblutung«, der sogenannten Hämolymphe, abgeschreckt. Die meisten Marienkäfer-Arten sondern diese bittere, giftige Flüssigkeit bei Gefahr ab, was besonders Winzern bei der Traubenverarbeitung zu schaffen macht. Wenige zerquetschte Exemplare genügen für einen Beigeschmack.

Gierig auf Blattläuse

Erstmals wurde der Asiatische Marienkäfer 2001 in Europa gesichtet, seither hat er sich extrem ausgebreitet - vor allem, weil er bei der biologischen Schädlingsbekämpfung eingesetzt wird. Bis zu 270 Blattläuse kann er pro Tag vertilgen.

Im Knoblauchsland hat man allerdings auf diese nützlichen Fresser verzichtet, erklärt Anton Offenberger auf Anfrage. Der Berater des Gemüseerzeugerrings Knoblauchsland betont, dass in den Gewächshäusern des Nürnberger Nordens hauptsächlich Schlupfwespen und Florfliegen zur Vernichtung von Blattläusen eingesetzt werden.

Dass die Asiatischen Marienkäfer ausgerechnet jetzt so massiv auftauchen, hat nach Einschätzung des Gartenbau-Ingenieurs mit der Quartiersuche für den Winter zu tun. Wegen der unerwartet kalten Witterung der vergangenen Wochen mussten die Insekten ausharren. «Jetzt haben sie Stress, weil zum einen die Blattläuse weg sind und sie außerdem dringend geeignete Plätze zum Überwintern finden müssen«, sagt Offenberger. Ein zweiter Grund für die momentane Präsenz: «Heuer war ein starkes Lausjahr, das schlägt sich in der Marienkäfer-Population nieder.«

Er sieht die heimischen Arten wegen ihrer asiatischen Verwandten derzeit noch nicht in Gefahr. Mehrheitlich hat er heuer die hiesigen Käfer beobachtet. Die asiatische Spezies erkenne man in Schwärmen am Farben-Mix (bis hin zu Schwarz mit roten Punkten) und vor allem an dem gelblichen Halsschild, das durch ein schwarzes «W« oder «M« gekennzeichnet ist. Wem die Unterscheidung dennoch schwerfällt, kann die «Beißprobe« machen: Während heimische Marienkäfer zu schwach sind, können die Asiatischen kräftig in den Arm zwicken. Mit den ersten Frösten wird die Invasion beendet sein.