Nürnberg: Karstadt-Angestellte kämpfen mit Menschenkette für Zukunft

30.6.2020, 16:05 Uhr

Am frühen Vormittag hat eine Betriebsversammlung in den Verkaufsräumen stattgefunden. Verdi-Gewerkschaftssekretärin Jaana Hampel und Thomas Vieweg, der Betriebsrats-Vorsitzende bei Karstadt/Lorenzkirche, haben die Belegschaft auf die Protestaktion und Kundgebung eingestimmt. Gegen 10.15 Uhr schließlich strömen die Karstadt-Beschäftigten, in grellgelbe Verdi-Warnweste gewandet, aus dem Karstadt-Eingang an der Karolinenstraße und verteilen sich zu einer Menschenkette. Ein symbolischer Schutz für das Haus sei dies, das ebenso wie die Filiale in Langwasser bekanntlich von der Schließung bedroht ist.

Betriebsräte und Gewerkschafter melden sich während der folgenden Kundgebung zu Wort, beklagen das Missmanagement der Karstadt-Verantwortlichen in der Vergangenheit, erinnern an die wiederholten Sanierungs-Beiträge der Beschäftigten in Form von Lohn-Zugeständnissen. Und sie unterstreichen immer wieder, dass Nürnberg ohne die beiden alt eingesessenen Warenhäuser schier undenkbar sei. "Nürnberg braucht Karstadt, so wie der Club zu Nürnberg gehört", konstatiert etwa Betriebsratschef Vieweg.

"Wir stehen gemeinsam", unterstreicht Verdi-Sekretärin Hampel ein ums andere Mal. Überhaupt weht den Karstadt-Beschäftigten gerade eine Menge Solidarität entgegen. Mehr als 5000 Kunden haben sich bei Karstadt-Langwasser in Unterstützer-Listen eingetragen, berichtet Vieweg. Mehr als 12.000 waren es bis zum vergangenen Samstag im Haus an der Lorenzkirche. Dafür brandet Applaus auf. Ebenso wie für Landtagsabgeordneten Verena Osgyan (Grüne) und Arif Taşdelen (SPD) sowie für etliche Stadträte, die sich eingefunden haben. Für OB Marcus König und Wirtschaftsreferent Michael Fraas.


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Und nicht zuletzt für einige Betriebsräte anderer Häuser des Galeria-Konzerns, die bis aus Würzburg zu der Kundgebung gefunden haben. Zwischen den rhythmischen Klatsch-Einlagen, den Kampf-Parolen und wiederholten Solidaritätsadressen geht die vielleicht wichtigste Botschaft beinahe unter. "Wir haben mit den Eigentümern in den USA geredet", verkündet Oberbürgermeister König vor den Demonstranten, deren Menschenkette sich längst zu einer großen Ansammlung um die Lautsprecheranlage gewandelt hat. Aus den USA, so König, habe er das Signal erhalten, dass eine deutliche Mietsenkung für das Haus an der Lorenzkirche durchaus vorstellbar wäre. Damit liege die Entscheidung jetzt bei der Geschäftsführung von Galeria-Karstadt-Kaufhof in Essen.

Die hatte bekanntlich am vorletzten Freitag verkündet, dass der Karstadt-Standort in Nürnberg Teil der 62 von 172 Filialen bundesweit ist, die dem Rotstift zum Opfer fallen sollen. Rund 6000 der insgesamt 28.000 Mitarbeiter bei Karstadt bzw. Kaufhof wären davon betroffen, etwa 600 allein in Nürnberg. Folgt man den Gewerkschaften und der Nürnberger Stadtspitze, dann haben zu hohe Mieten die zwei Nürnberger Filialen in die Schieflage gebracht. Eigentlich spielten beide "in der Champions-League" – sowohl was die Lage der Häuser als auch was die Umsätze betreffe, meint Mittelfrankens DGB-Chef Stephan Doll. Und er fordert, dass die Mieten für Einzelhandels-Geschäfte "in Innenstadt-Lagen gedeckelt werden" müssten.


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Deutliche Kritik übt Doll am Einzelhandelsverband, der bislang keinerlei Signale der Solidarität mit den Karstadt-Filialen gesendet habe.

Auch "Erlebnis Nürnberg", der Zusammenschluss etlicher Innenstadt-Einzelhändler, habe bislang keinerlei Bekenntnis zu Karstadt abgelegt. Einen Kampf bis zum Ende, verspricht Thomas Vieweg den Beschäftigten. Letztlich könne die Essener Galeria-Chefetage "gar nicht anders, als den Standort Nürnberg zu erhalten". Wenn dies gelinge, "dann muss ein Umdenken der Kunden her", meint der Betriebsrat: "Der Online-Handel muss eingedämmt werden."

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