Nürnberg soll Monte Carlo der Seifenkisten werden

4.7.2013, 10:30 Uhr
In Nürnberg wird wieder losgebrettert. Schon in weniger als zwei Wochen fliegt der Nachwuchs der Seifenkisten-Szene in der Tullnaustraße wieder hinab - je schneller, desto besser.

© Fengler, Distler In Nürnberg wird wieder losgebrettert. Schon in weniger als zwei Wochen fliegt der Nachwuchs der Seifenkisten-Szene in der Tullnaustraße wieder hinab - je schneller, desto besser.

Der Katalog ist 40 Seiten dick. Wer ihn durchblättert, ohne genau hinzusehen, könnte meinen, dass es die Bauanleitung für eine komplette Wohnungsausstattung vom schwedischen Möbelhändler ist. Neben unzähligen Abbildungen findet man Maßangaben, Aufschnitte, Querschnitte, Listen von Zubehör oder Bauteile. Und Text.

Um was es genau geht, steht überdimensional groß auf der Vorderseite des Papier-Packs. „Deutsches SeifenKisten Derby“ ist dort zu lesen. Und weiter: „Rennregeln, Teilnahmebedingungen, Bauvorschriften.“ Ein Regelwerk, bei dem es manchem Seifenkisten-Laien die Sprache verschlägt.

Nein, mit ein paar lose zusammengeschraubten Holzbrettern auf vier Gummireifen hat das hier nichts zu tun. Wer zur Seifenkisten-Elite zählen will, der muss sich bei seinem Gefährt ordentlich ins Zeug legen. Mancher landet am Ende gar nicht mehr bei der Marke Eigenbau.

Glasfaser statt Holz

Almas Rennmaschine ist Hightech. Die 14-Jährige sitzt nicht in ihrer Seifenkiste, sie liegt. Und ist mit einem Mal kaum noch zu sehen. Das Mädchen trägt einen Schutzhelm, der nur minimal aus der Öffnung herausragt, in die Alma kurz zuvor eingetaucht ist. Tatsächlich ähnelt die Kiste, die die junge Nürnbergerin auch aus liegender Position steuern kann, eher einem Geschoss als einem Gefährt.

Das soll es auch. Schließlich geht es Alma beim Seifenkisten-Rennen zwar um Spaß — aber auch um Geschwindigkeit. „Ist ja langweilig, nur hinterherzufahren.“ Hinterherfahren ist nicht Almas Ding. Das Mädchen will gewinnen, denn Seifenkisten-Rennen sind für sie auch ein sportlicher Wettkampf. Alma und ihre Schwester Bea, elf Jahre, treten für den Verein Nürnberger Seifenkisten-Freunde an. Deren Vorsitzender ist Norbert Bauer, der Vater der beiden Schwestern. Er hat auch den Schlüssel für die kühle Garage, in der die Rennschüssel lagert, in die sich Alma gerade vergraben hat. Bauer fährt mit der Hand über die glatte Schale des Flitzers. „Das ist Glasfaser“, sagt der Mann, der mit seinen langen grauen Haaren und der kleinen Brille etwas von einem verrückten Professor hat. Ein Seifenkisten-Experte ist Bauer allemal, auch wenn er die Schale dieses speziellen Flitzers nicht konstruiert hat. „Die gibt es so zu kaufen, aber der Rest wird montiert.“ Warum Glasfaser? „Wegen der Aerodynamik.“ Auf die kommt es an, aber auch aufs Gewicht. Je leichter die Kiste ist, desto mehr Gewicht kann im Heck mit Metall oder Blei zugeladen werden. Das gibt zusätzlichen Schub. Das Gesamtgewicht ist vorgegeben. Junior-Klasse 90 Kilogramm, Senior-Klasse113.

Was zur Folge hat: In einem Rennen rasen die beiden Schwestern schon mal mit 50 Stundenkilometern Richtung Ziel. Für Schwung sorgt eine riesige Plattform — auch am Sonntag in einer Woche, dem 14. Juli. Dann nämlich, wenn die Nürnberger Seifenkisten-Freunde ihr eigenes Rennen in der Tullnaustraße veranstalten. Es ist bereits das vierte Seifenkisten-Rennen, das der Verein mit dem speziellen Hobby, der erst vor vier Jahren gegründet wurde, veranstaltet.

Mit einem Ziel: „Wir wollen Nürnberg zur Seifenkisten-Hochburg machen“, sagt Norbert Bauer. „Wieder“, schickt er hinterher. Denn: Gerade in den 50er, später auch in den 80er und 90er Jahren war Nürnberg ein echtes Seifenkisten-Mekka. Zu den Rennen, damals (erstmals im Juni 1952) mit einer riesigen Rampe am Zeppelinfeld veranstaltet, kamen zahlreiche Zuschauer. Und satte 150 Rennfahrer.

Da kann die aktuelle Zahl der Teilnehmer nicht mithalten. Aber die Mission der Seifenkisten-Freunde ist noch am Anfang. Inzwischen gibt es 16 sehr aktive Mitglieder. Das zeigt sich auch bei den anderen Rennen, die, wie das in Nürnberg, für die Bayerische Meisterschaft als Qualifikation dienen: „Die meisten Teilnehmer — und oft auch Sieger — stellen wir.“ Die künftige Seifenkisten-Stadt.

Für den „Titel“ arbeiten auch andere. Denn ein zweites SeifenkistenRennen, veranstaltet vor dem Löwensaal und organisiert von Nürnbergs Gastronomen (dieses Jahr zum fünften Mal), stärkt den Nimbus. Auch wenn die Seifenkisten-Fahrer dort eher auf ein ausgeflipptes Äußeres als auf Geschwindigkeit setzen.

Kiste plus Können plus Zufall

Nicht so die beiden Töchter von Norbert Bauer. Alma und Bea fahren gerne schnell. Ob Seifenkisten nicht ein klassisches Vater-Sohn-Hobby ist? Alle drei verneinen. Auch wenn beim Basteln der Hauptteil vom Vater erledigt wird. Wie beim ersten gemeinsamen Werk, noch klassisch aus Holz (wie bei der Junior-Klasse auch vorgeschrieben): einer bunten Lok.

Übrigens: Nicht nur an die Technik haben echte Seifenkisten-Fans wie Bea und Alma hohe Ansprüche. Sondern auch ans Wetter. Das soll vor allem konstant sein, „nur dann ist es fair“, sagt Bea. Denn scheint die Sonne, hat der Vorteile, der im gleißenden Licht auf die Strecke geht. „Weil wenn eine Wolke kommt, dann kühlt der Asphalt ab und die Kiste wird langsamer.“ Für einen Sieg, das sagen die drei Fahrer, braucht es aber eh drei Komponenten: „Kiste plus Können plus Zufall.“

Das Rennen der Seifenkisten-Freunde steigt am Sonntag, 14. Juli, in der Tullnaustraße (11 bis 17 Uhr). Das Rennen vor dem Löwensaal findet am 15. September statt. Infos unter www.seifenkistenfreunde-nuernberg.de und www.seifenkistenrennen-nbg.de

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