Nürnberger Original: Die Marktfrau mit dem roten Hut

11.4.2016, 06:00 Uhr
Schon in den frühen Morgenstunden bereitet Annemarie Zinkel ihren Stand für den Markttag auf dem Hauptmarkt vor.

© Stefan Hippel Schon in den frühen Morgenstunden bereitet Annemarie Zinkel ihren Stand für den Markttag auf dem Hauptmarkt vor.

Margarethe Engelhardt - nicht nur waschechten Nürnbergern ist dieser Name ein Begriff. Die Knoblauchsländerin ist die wohl bekannteste Marktfrau der Stadt. Fast 50 Jahre lang, von 1948 bis 1997, verkaufte sie an ihrem Gemüsestand Kartoffeln, Karotten, Kohl und Eingemachtes. Heute erinnert sogar ein Bronzedenkmal auf dem Hauptmarkt an die 2001 verstorbene Nürnbergerin.

"Ich habe so oft zu ihrem Sohn gesagt: ,Mensch, jetzt lass doch deine alte Mutter mal zu Hause‘, aber sie wollte gar nicht daheim bleiben. Heute verstehe ich das", sagt Annemarie Zinkel. "Einmal Hauptmarkt, immer Hauptmarkt", lautet nämlich auch das Motto der 66-Jährigen.

Es ist Samstagmorgen, kurz vor halb sieben. Während Nürnberg noch schläft und eine ungewohnte, fast gespenstische Stille auf dem Hauptmarkt herrscht, ist für Annemarie Zinkel die Nacht schon lange vorbei. "Bei mir klingelt freitags und samstags um vier Uhr der Wecker." Mit Eiern, Fisch, Geflügel, Honig und Nudeln macht sie sich gegen halb fünf auf den 75 Kilometer langen Weg von Heidenheim im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen nach Nürnberg – und das schon seit 46 Jahren.

"Früher waren wir jeden Tag hier, seit zehn Jahren komme ich nur noch zweimal pro Woche." Vor zehn Jahren starb Annemarie Zinkels Mann, seitdem will sie die weite Strecke nicht mehr täglich auf sich nehmen. Ihrer Bekanntheit auf dem Hauptmarkt hat das keinen Abbruch getan.

Wer nach "der Frau mit dem roten Hut" fragt, landet garantiert bei ihr. "Die Leute können sich den Hut eindeutig besser merken als meinen Namen." Die knallige Kopfbedeckung ist Annemarie Zinkels Markenzeichen. "In einem Jahr gab es mal keine roten Hüte, dann hat mein Mann einfach einen Strohhut mit rotem Autolack angesprüht. Hauptsache, ich hatte etwas Rotes auf dem Kopf", erinnert sich die 66-Jährige und lacht.

Ihr Mann ist auch der Grund, warum sie seit Jahrzehnten auf dem Hauptmarkt steht. Dabei hatte sie sich früher einmal alles ganz anders vorgestellt: "Ich war als junge Frau Verkäuferin in einer Bäckerei. Dann lernte ich meinen Mann kennen und musste plötzlich in ein Schlachthaus. Was das für eine Umstellung ist, das glaubt ja kein Mensch."

Marktfrau aus Leidenschaft

Aber auch wenn die neue Situation erst einmal ungewohnt war, die Leidenschaft für das Marktleben hat Annemarie Zinkel schnell gepackt. "Das Leben ist eben kein Wunschkonzert und heute bin ich sehr zufrieden" – auch wenn sich das Geschäft verändert. "Früher standen um sechs Uhr früh schon die ersten Leute da, heute passiert vor zehn Uhr nicht viel."

Die rund 1500 Eier, die akkurat aufeinandergestapelt auf dem Verkaufstisch stehen, werden am Ende des Markttages trotzdem weg sein. Denn: "Auf meine Stammkunden kann ich mich seit Jahren verlassen." Wie lange die sie noch am Hauptmarkt finden? "Solange ich kann", sagt Annemarie Zinkel – und versteht einmal mehr, warum Margarethe Engelhardt gar nicht daheim bleiben wollte.

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