Nürnberger Original: Ingrid Gutmann zog für den Club hierher

21.3.2016, 06:00 Uhr
In Ingrid Gutmanns Leben lief vieles nicht so, wie sie es sich gewünscht hätte. Nur eines, das hat seit Jahrzehnten Bestand: Ihre Liebe zum 1. FC Nürnberg.

© Thomas Correll In Ingrid Gutmanns Leben lief vieles nicht so, wie sie es sich gewünscht hätte. Nur eines, das hat seit Jahrzehnten Bestand: Ihre Liebe zum 1. FC Nürnberg.

Nieselregen, dazu weht ein kühler Wind. Ingrid Gutmann trägt dünne Leggins, eine Trainingsjacke des 1. FC Nürnberg, passend dazu ein Tuch ihres heiß geliebten Clubs auf dem Kopf. Immerhin, eine Regenjacke hat sie sich noch über die Schultern gelegt – die bleibt allerdings offen, weil sonst das Club-Logo nicht mehr zu sehen wäre. "Es ist ja heute gar nicht so kalt", sagt sie. Da habe sie schon ganz anderes Wetter erlebt. Sie muss es wissen, immerhin sitzt die 72-Jährige seit 22 Jahren fast täglich in der Nürnberger Fußgängerzone und verkauft den Straßenkreuzer.

In dieser Zeit hat sie zahlreiche Nürnberger Persönlichkeiten an ihrem bescheidenen Verkaufsplatz empfangen. Besonders gern erinnert sich Ingrid Gutmann an den ehemaligen Trainer des 1. FC Nürnberg, Hans Meyer. "Der Hans war gut für unseren Club – und ein sehr netter und sozial engagierter Mann." Nicht Hans Meyer allein, aber der Club insgesamt war der Grund, aus dem die 72-Jährige vor vielen Jahren von Bamberg nach Nürnberg zog. Für den Lieblingsverein umgezogen? Wirklich? "Ja, freilich", sagt sie, als sei das absolut selbstverständlich.

Die Leidenschaft für den 1. FCN hat sie von ihrem Vater geerbt. Er schenkte ihr vor 66 Jahren zum Geburtstag eine Karte für ein Spiel. Dieser erste Besuch im Stadion hat gereicht, sofort war Ingrid Gutmann Feuer und Flamme für den Fußball. Heute ist es so, dass sie jedes Spiel, das sie sich anschaut, jeder Besuch beim Training am Valznerweiher, zu dem sie hin und wieder geht, natürlich auch an ihren Vater erinnert. "Der ist mir leider viel zu früh gestorben." Ihr Vater war es, der die Familie immer zusammengehalten hat. „Meine Mutter hat das alleine nicht geschafft.“ Ingrid Gutmann ist gerade 15 Jahre alt, als ihr Vater stirbt. Ein harter und schwerer Schicksalsschlag – und es sollte nicht ihr einziger sein.

Berufsunfähig nach Autounfall

Ein schwerer Autounfall war es, der nach dem Tod ihres Vaters ein zweites Mal ihr Leben auf den Kopf stellte. Ihre vier Kinder waren damals noch klein und Ingrid Gutmann war plötzlich berufsunfähig. "Dann war ich daheim bei den Kindern. Mein Mann ist arbeiten gegangen." Doch die Ehe geht 1995 in die Brüche. Ihre Kinder sind zu diesem Zeitpunkt schon alt genug, um ihr eigenes Leben zu leben. Da war nur noch sie selbst, um die sie sich kümmern musste – und weil ihr Herz für Nürnberg schlägt, zog sie hierher und verkauft seitdem in der Innenstadt das Sozialmagazin.

Ob es etwas gibt, an das sich Ingrid Gutmann gerne erinnert, wenn sie auf die letzten 72 Jahre zurückschaut? Oh ja: "Eines Morgens klingelte das Telefon. Eine ehemalige Schulkameradin war dran. Die wohnte mittlerweile in England und wollte wissen, ob ich mir mit ihr ein Fußballspiel in London anschauen will. Ich fragte sie, ob sie ein bisschen spinnt. Sie sagte, sie hätte zwei Karten ergattert und würde mich einladen.

Na ja, und so wurde mir mein größter Traum erfüllt: Ich war im Wembley-Stadion dabei, als Oliver Bierhoff im Finale der Europameisterschaft gegen Tschechien das Golden Goal schoss und Deutschland Europameister wurde." Ingrid Gutmanns Augen funkeln, sie lächelt. "Das war mindestens genauso schön wie der Pokalsieg vom Club 2007" – damals, als der Hans noch Trainer war.

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