Nürnbergs steiniger Weg in eine offene Zukunft

10.10.2013, 07:00 Uhr
Nürnbergs steiniger Weg in eine offene Zukunft

© Kiesewetter

Bis 1969 war es schwulen Männern verboten, sich öffentlich zu treffen. Die verschärften Regeln stammten aus der NS-Zeit und wurden nach dem Zweiten Weltkrieg nahtlos übernommen. Geheime Plätze waren seinerzeit oft die einzige Möglichkeit, Gleichgesinnte kennenzulernen. Erst mit der Reform des Paragrafen 175 waren nur noch homosexuelle Handlungen mit männlichen Jugendlichen unter 18 Jahren strafbar.

Mit der Reform kam Anfang der 70er Jahre eine Gründungswelle von Selbsthilfegruppen in der gesamten Republik in Schwung. Damit war die politische Schwulen- und Lesbenbewegung geboren. Gefolgt von ersten Gastronomen, die einschlägige Schwulenbars gründeten. Doch bald stellte sich heraus: Das Gesetz ist zwar geändert worden, doch traf es zunächst gesellschaftlich nicht auf Akzeptanz.

Türspione

Die Wirte von Schwulen-Lokalen mussten zum Schutz ihrer Gäste reagieren: Sie bauten Türspione ein und brachten Klingeln an, um mögliche Übergriffe von feindlich eingestellten Zeitgenossen zu verhindern. In Nürnberg hatten die ersten Schwulen- Kneipen so klangvolle Namen wie Amicobar, Sonnige Pfalz, Why Not und Amys Bierbar. Ein Großteil der Lokale gehört heute allerdings der Geschichte an. In den 80ern bis heute hat sich eine Vielzahl neuer Szene-Betriebe etabliert. Doch mittlerweile kämpfen auch sie ums Überleben, bietet doch das Internet eine neue Plattform, von zu Hause aus mit Menschen in Kontakt zu treten. Zugesetzt haben den Szenekneipen auch besucherstarke „Rosa- und Pinkpartys“, die sich im vergangenen Jahrzehnt in großen Diskotheken etabliert haben.

30-jähriges Jubiläum

Der Begriff „queer“ macht nun die Runde. Das heißt: Das Partyvolk setzt sich bunt aus Schwulen, Lesben, Bi-, Trans- oder Intersexuellen zusammen. Inzwischen zählen sich auch viele Heterosexuelle dazu. Doch neu ist das Konzept nicht. Denn „queer“ ist seit der ersten Stunde auch die „Savoy Bar“ hinter dem Hauptbahnhof. Dieser Tage feiert das Lokal sein 30-jähriges Jubiläum. Seitdem ist es ohne Pause aktiv.

Peter Abram (61) eröffnete am 1.Juli 1983 die Bar an der Ecke Bogenstraße/Pillenreuther Straße als Schwulen-Kneipe. Von Anfang an integrierte der Gründerwirt die HeteroGäste. Zu einer Zeit, in der die Gesellschaft noch nicht die Liberalität zeigte wie heute. Egal ob familiäre Verwandtschaft, Hotelgäste von nebenan oder Theatergäste vom „Paradies“, Abram machte deutlich: Hier küssen sich Männer und wer ein Problem damit habe, müsse ja nicht bleiben. Die Bar ist heute Nürnbergs ältestes Szenelokal, das zwar mit wechselnden Wirten, aber mit diesem Konzept durchgängig in Betrieb geblieben ist.

Der Ursprung des heutigen Lokals, das anfangs eine ganz normale Kneipe war, liegt in der Altstadt. Der frühere Betreiber hatte noch eine Kneipe in Röthenbach bei Lauf. Abram arbeitete dort und sollte im „Savoy“ in Nürnberg eine schwangere Kollegin vertreten. „Mein Chef fragte mich, ob ich einmal in der Woche dienstags im Savoy in der Vorderen Sterngasse aushelfen könnte. Das Geschäft lief dort nicht optimal“, berichtet Abram.

Gelernter Konditor

Er nutzte die Gunst der Stunde und krempelte das Geschäft um. „Durch meine Anwesenheit kamen alle meine schwulen Freunde.“ Nach und nach etablierte er das Savoy, das bis heute in massivem Mahagoniholz gehalten ist, als Schwulen-Kneipe. Doch Betreiber der Kneipe und Vermieter des Hauses überwarfen sich. Abrams Chef fand ein neues Objekt und fragte seinen erfolgreichen Mitarbeiter, ob er als Partner da mit einsteigen wolle. Abram, der gelernte Konditor, sagte zu. „So wurde das Südstadthaus in der Bogenstraße 45 gekauft. Im Erdgeschoss befand sich vorher eine Wohnung“, sagt er.

„Sonntags öffnete ich nachmittags das Lokal, um von meiner Mutti hausgemachten Kuchen oder die berühmte Spargelsuppe zu servieren. Es war eine schöne Zeit.“ Zum Highlight wurde die jährliche Busreise mit Übernachtung, die viel Zuspruch durch die Stammgäste fand. Bad Reichenhall, Bayerischer Wald, Floßfahrt auf der Isar oder auch das Münchner Oktoberfest wurden zu beliebten Zielen.

Auch die Liebe fürs Leben startete bisweilen hier. „Vier Paare haben sich bei mir im Lokal kennengelernt. Außerdem bin ich stolz darauf, noch heute Kontakt zu meinen damaligen Gästen zu haben“, betont Abram, der aktuell als Kellner in der Gaststätte Zeppelinfeld in der Kleingartenkolonie am Frankenstadion arbeitet. 15 Jahre nach der Eröffnung musste er aber aus Finanzgründen das Savoy an einen Nachfolger abgeben. Seit einigen Wochen zählen eine kleine Tanzfläche und neue Beleuchtung zum Interieur.

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