Öko-Pionier Gerhard Fritz bleibt dem Zeitgeist auf der Spur

16.2.2014, 12:01 Uhr
Öko-Pionier Gerhard Fritz bleibt dem Zeitgeist auf der Spur

© Harald Sippel

Wer mit Gerhard Fritz spricht, muss ihn mit Vielen teilen. Ein Winken, ein Gruß, ein aufmunterndes Wort, ein kurzes „wie geht‘s?“: Es scheint, als kenne der Chef jeden Kunden persönlich, der das Geschäft betritt oder verlässt. Der Erlanger Naturkosthändler lacht: „Die meisten Kunden kenne ich schon lange.“ Besonders freut es Fritz, dass gerade junge Menschen in seinem Supermarkt am Hugenottenplatz ein­kaufen. Das ist sicher der großen Zahl an Studenten in der Universitätsstadt geschuldet. Aber auch die neuen Bio-Trends wie etwa die vegane Lebenswei­se, die ohne tierische Produkte auskommt, lockten besonders die junge Kundschaft, sagt Fritz. Und viele der 20- bis 30-Jähri­gen hätten eben schon im Elternhaus gelernt, „dass man ökologisch ein­kauft“.

Das junge Klientel hat auch Elke Röder, Geschäftsführerin des Bundes­verbands Naturkost Naturwaren, im Blick: „Wir stellen fest, dass die unter 30-Jährigen verstärkt zu Bio greifen. Ein Großteil dieser Haushalte habe ein Budget von unter 1000 Euro. Das sind die klassischen Studentenhaus­halte, Leute, die gerade ins Berufsle­ben einsteigen und noch vor der Fami­liengründung stehen.“ Gerhard Fritz geht sogar noch ein wenig weiter: „Ich sehe wieder eine etwas aufmüpfigere, wilde Generati­on heranwachsen – so wie wir es damals auch waren.“ Damals, das war die Zeit, als Fritz seinen ersten klei­nen Bioladen in Erlangen eröffnete. 1984 startete er das Projekt – bereits unter dem Namen „Naturkost Vier Jahreszeiten.“ Auf gerade einmal 45 Quadratmetern standen Holzregale voller Müsli, Brot und ökologischer Reinigungsmittel, Kisten mit Obst und Gemüse aus der Umgebung, Glä­ser voller Eingelegtem.

Umweltschutz und gesundes Leben

Natürlich und gesund leben und gleichzeitig die Umwelt schützen und erhalten, das war ein Leitgedanke die­ser Zeit, der auch Fritz faszinierte. Der gebürtige Niederbayer zog nach dem Studium der Sozialpädagogik in Bamberg mit Freunden aufs Land und betrieb biologisch-dynamischen Gar­tenbau. Als Mitarbeiter in der damals selbstverwalteten Erlanger „Jugend­farm“ erkannte er sein Organisations­talent. „Die Arbeit mit den Kindern hat mir Spaß gemacht“, blickt Fritz zurück. „Aber ich habe gemerkt, dass mir das Organisieren noch mehr liegt.“ Also: Selbstständigkeit – natürlich mit einem Bioladen.

„Etwas unbedarft“ seien er und seine damalige Geschäftspartne­rin an die Selbstständigkeit herange­gangen, stellt er heute fest und lächelt milde. „Es war so ein Bauchgefühl, wir mussten es einfach machen.“ Dass er den „wirtschaftlichen Blindflug“ von damals heil überstanden hat, wun­dert ihn noch heute etwas. Man müsse halt zäh sein. „Viele aus der Szene haben es nicht geschafft.“ Gerhard Fritz schon. Auch wenn es in den drei Jahrzehnten viele Phasen der Unsicher­heit gegeben habe. „Da fragt man sich dann, ob das die richtige Entschei­dung war.“ Zum Beispiel die Umzüge in größere Ver­kaufsräume und bessere Lagen. Heute steht er in einem hellen Geschäft in Innenstadtlage. Die Ver­kaufsfläche ist hier mit 400 Quadratmetern fast zehnmal so groß wie im Ursprungsladen. Gemein­sam mit seiner Ehefrau und 16 Mitarbeitern ver­kauft er hier die ganze Palette der Bio-Waren­welt: Von Klassikern wie Müsli oder Brotaufstri­chen über Weine aus aller Welt, Obst und Gemüse aus der Region und exoti­schen Ländern, Frische­produkten und Naturkos­metik.

Zeichen der Zeit nicht übersehen

Neue Trends und Strö­mungen zu erkennen, das ist für ihn essenziell. „Man darf die Zeichen der Zeit nicht übersehen.“ So seien auch Bio-Kunden sehr preisbewusst und suchten Sonderaktionen und besonders günstige Signal­artikel. „Wer bereit ist, für den Bio-Rotwein zwölf Euro auszugeben, freut sich trotzdem, wenn er sei­ne Lieblingsmarke für 10,99 Euro erstehen kann“, so die Erfahrung. Dass der Chef die meis­ten Produkte aus seinem Sortiment kennt, ist für ihn selbstver­ständlich. Genauso wie seine Präsenz im Geschäft: „Das gehört dazu.“ Den­noch heiße es, die eigenen Grenzen zu respektieren. „Ich will meine Arbeit so steuern, dass mir abends der Kopf nicht schwirrt.“ Aber wenn spätabends die Automatiktüre des Geschäfts plötzlich nicht richtig funk­tioniert, dann kommt der Chef, der außerhalb der Stadt wohnt, natürlich zurück und nimmt die Sache in die Hand.

Die Familie ist für Gerhard Fritz Dreh- und Angelpunkt. „Meine wich­tigste Erdung sind die Kinder.“ Ob eine der beiden Töchter einmal in die Fußstapfen des Vaters treten wird? Das zu entscheiden, dazu ist es noch zu früh – die Mädchen sind erst zehn und zwölf Jahre alt. „Aber man will natürlich schon, dass es weitergeht.“ Die wachsende Bio-Konkurrenz sieht der Öko-Pionier gelassen. Die Branche habe gezeigt, dass sie wand­lungsfähig ist. „Aber der Fachhandel muss zusammenhalten. Wir sind die Branche. Wir können nur gemeinsam überleben.“ Deshalb engagiert er sich für Projekte wie etwa für die Erhal­tung der Saatgutvielfalt und gegen gentechnische Veränderungen des Saatguts. „Wenn wir jetzt nicht auf­passen, bekommen wir in der Pflan­zentechnik ein Problem.

Das hybride Saatgut ist nicht brauchbar für den Bio-Anbau.“ Solche Themen disku­tiert Gerhard Fritz mit seinen Kolle­gen auf der Bio Fach. Er hält aber auch Ausschau nach „neuen, pfiffigen Produkten“ fürs Sortiment. Beson­ders junge Firmen kämen mit tollen Ideen, arbeiteten aber trotzdem pro­fessionell. „Hier kriegt man den Zeit­geist mit, das ist das Spannende an der Bio Fach.“ Dann ist es wieder ein wenig so wie damals, als der aufmüpfi­ge junge Existenzgründer aus Erlan­gen zur Ökomesse nach Frankfurt fuhr. Die hieß damals noch „Müsli“.

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