Sexuelle Gewalt

Opfer können Spuren im Klinikum Nürnberg vertraulich sichern lassen

18.8.2021, 12:00 Uhr
Immer mehr Kinder werden Opfer sexueller Gewalt. Die Dunkelziffer dürfte dabei noch einmal deutlich höher liegen als die offizielle Statistik.

© imago images/Kirchner-Media Immer mehr Kinder werden Opfer sexueller Gewalt. Die Dunkelziffer dürfte dabei noch einmal deutlich höher liegen als die offizielle Statistik.

Jede dritte Frau in Deutschland ist mindestens einmal in ihrem Leben von physischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen. Etwa jede vierte Frau wird laut Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt durch ihren aktuellen oder früheren Partner. Auch die angezeigten Fälle von Kindesmissbrauch und Misshandlung nehmen laut Polizei deutlich zu. Aber auch Männer erleiden sexualisierte Gewalt.

Hinter den offiziellen Zahlen ist bei solchen Delikten von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Der Grund: Opfern fällt es oft schwer, sich zu offenbaren, gerade wenn der Täter aus dem eigenen Umfeld stammt. Die Scham und die Angst vor der Lawine, die mit einer Anzeige losgetreten werden könnte, erschweren für viele Opfer den Gang zur Polizei. Dabei wäre es wichtig, Spuren und Verletzungen zeitnah nach der Tat zu sichern.

Das Klinikum Nürnberg hat deshalb nun eine neue Anlaufstelle für Opfer sexueller Gewalt eingerichtet. Betroffene von sexuellem Missbrauch, Vergewaltigung oder sexueller Nötigung können Verletzungen und Spuren, die bei der Tat hinterlassen wurden, vertraulich sichern und im Klinikum aufbewahren lassen.

Bundesweit geltende gesetzliche Regelung

Diese vertrauliche Spurensicherung ermöglicht es den Opfern, ganz in Ruhe zu überlegen, ob und wann sie zur Polizei gehen wollen. Die Basis dafür sei eine bundesweit geltende gesetzliche Regelung, wonach Opfer einer sexuellen Gewalttat oder einer Misshandlung – gleich welchen Alters oder Geschlechts – das Recht auf eine vertrauliche Spurensicherung haben, wie das Klinikum mitteilt.


Sexueller Missbrauch im Sport - Wie lässt er sich verhindern?


"Ich bin froh, dass wir jetzt damit beginnen", sagt Roswitha Weidenhammer, die Gleichstellungsbeauftragte des Klinikums Nürnberg. Sie hat sich früh für die vertrauliche Spurensicherung starkgemacht und vertritt das Klinikum Nürnberg in einem entsprechenden Arbeitskreis der Stadt.

Ähnlich äußert sich auch Gabriele Penzkofer-Röhrl, Mitglied des Verwaltungsrats des Klinikums Nürnberg und ehemalige Geschäftsführerin des Nürnberger Frauenhauses: "Dieses Angebot ist wichtig. Denn manche Frauen schrecken davor zurück, sofort zur Polizei zu gehen, weil der Täter aus dem direkten Umfeld stammt oder weil sie Angst haben, dass ihnen nicht geglaubt wird."

Mehrere Anlaufstellen am Klinikum

Schon vorher wurden am Klinikum Nürnberg Spuren gesichert, doch bislang nur dann, wenn Gewaltopfer in Begleitung der Polizei gekommen sind. Das ändert sich nun. "Wer einem sexuellen Übergriff zum Opfer gefallen ist, kann alleine oder mit einer Begleitperson direkt in die Notaufnahmen an den Standorten Nord und Süd des Klinikums oder in die gynäkologische oder urologische Ambulanz am Klinikum Nürnberg Nord kommen", teilt das Klinikum mit.

Für Kinder und Jugendliche und deren Eltern beziehungsweise Vertreter ist die Kinderklinik am Klinikum Nürnberg Süd die richtige Anlaufstelle.

Auf Wunsch des Opfers kann auch der psychosoziale Kriseninterventionsdienst hinzugezogen werden. Bei Bedarf können auch Dolmetscher zum Einsatz kommen.

Nach einer Frist werden die Spuren vernichtet

Spuren wie Hautpartikel, Haare oder Sperma werden asserviert. Fotos von Verletzungen – diese werden nur mit Einverständnis angefertigt – werden ebenfalls an einem sicheren Ort aufbewahrt. "Alle Beweisstücke werden nur nach dem Eingang einer richterlichen Anordnung über die Beschlagnahme der Untersuchungsproben direkt an die Ermittlungsbehörden übergeben", erklärt Klinikumssprecherin Sabine Stoll.

Die Spuren werden bei Erwachsenen maximal zwei Jahre, bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren maximal fünf Jahre lang aufbewahrt.

Die Krankenkassen tragen die Kosten für die vertrauliche Spurensicherung, so will es der Gesetzgeber. Die Abrechnung erfolgt anonym, die Identität des Opfers wird gegenüber den Krankenkassen nicht preisgegeben.

Der genaue Abrechnungsmodus mit den Krankenkassen (gesetzlich und privat) steht aber noch nicht fest. "Doch das Klinikum Nürnberg fühlt sich den Opfern von sexueller Gewalt verpflichtet und wird unabhängig davon die vertrauliche Spurensicherung gewährleisten", sagt Prof. Dr. Achim Jockwig, Vorstandsvorsitzender des Klinikums Nürnberg.

Er stellt klar: "Für die Opfer ist die vertrauliche Spurensicherung in jedem Fall kostenfrei; unabhängig davon, ob und wie diese versichert sind."

Keine Kommentare