Friedensaktivisten setzen auf Verhandlungen

Ostermarsch in Nürnberg: Nein zum Krieg, nein zu Waffenlieferungen

18.4.2022, 19:13 Uhr
Rund 1000 Teilnehmer waren bei der Demonstration auf dem Kornmarkt dabei. 

© Eduard Weigert, NNZ Rund 1000 Teilnehmer waren bei der Demonstration auf dem Kornmarkt dabei. 

Es sind keine leichten Zeiten für Menschen, die jedwede militärische Konfliktlösung ablehnen. "Ich habe mich noch nie so einsam gefühlt mit meiner pazifistischen Haltung", sagt Michael Käser vom Nürnberger Friedensforum zu Beginn der Abschlusskundgebung auf dem Kornmarkt. Dort hören ihm aber immerhin 1000 Leute zu, die Tradition der Ostermärsche lebt unter dem Motto "Die Waffen nieder" fort.

Fünfte Kolonne Putins?

Angesichts des brutalen russischen Angriffskriegs auf die Ukraine geraten Verfechter absoluter Gewaltfreiheit gleichwohl in Erklärungsnöte, gerade wegen der Debatte um Waffenlieferungen an die Ukraine. "Die Ostermarschierer sind die fünfte Kolonne Wladimir Putins", hat Alexander Graf Lambsdorff, Außenpolitiker und stellvertretender Bundestagsfraktionschef der FDP, in einem Gastbeitrag für die Wochenzeitung "Die Zeit" geschrieben.

Marion Denk ficht das nicht an: "Als ich mit 18 auf dem Ostermarsch war, hörte ich, ich solle doch rübergehen in die Sowjetunion." Jetzt sei sie 58 und habe sich an solche Sprüche gewöhnt, sagt die Vertreterin des Fürther Friedensforums am Rande der Demonstration für den Frieden im Fürther Stadtpark.

Fahrraddemo Richtung Nürnberg

An der nehmen rund 150 Menschen teil, anschließend radeln nach Polizeiangaben 200 Friedensaktivisten Richtung Nürnberger Kornmarkt. Dort sieht Ewald Ziegler vom Nürnberger Friedensforum Lambsdorffs Einlassungen weniger gelassen als Marion Denk: "Das ist eine Frechheit", schimpft er. Menschen, die für eine friedliche Welt seien, würden pauschal verunglimpft.


Auf der Bühne wiederum geht Hauptredner Christoph Marischka von der Informationsstelle Militarisierung zum rhetorischen Gegenangriff über: Diejenigen, die versuchten, die Ostermärsche, die Friedensbewegung oder sogar die Diplomatie zu diffamieren, zeigten damit nur umso deutlicher, wo sie stehen: "Sie stehen auf der Seite von Imperialismus und Krieg."

Marischka fordert, dass das Töten in der Ukraine ein Ende haben müsse. Dazu gehört für ihn aber auch ein Nein zu Waffenlieferungen an die Ukraine "in dem Wunsch, dem strategischen Rivalen Russland möglichst große Verluste zuzufügen". Das bedeute eine Verlängerung des Kriegs – auf Kosten auch und gerade der ukrainischen Bevölkerung. "Wir sollten nicht hoffen auf eine Niederlage Russlands, eines Staates mit Atomwaffen, sonst kann daraus ganz schnell eine totale Niederlage aller, der ganzen Menschheit, werden."

Parteinahme für die Leidenden

Stattdessen sollten die Waffen schweigen und die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch. Der Krieg müsse schon deshalb enden, damit in der Ukraine wieder "ausgesäht, bestellt und geerntet werden kann".

Die Friedensbewegung nehme Partei "für diejenigen weltweit, die unter diesem Krieg, die unter allen Kriegen leiden". Marischka stellt sich auch gegen das 100-Milliarden-Euro-Paket für die Bundeswehr. Konkurrierende Aufrüstung bringe weder Frieden noch Sicherheit. "Es ist ja ohnehin völlig erstaunlich, was uns alles als Sicherheit und Sicherheitspolitik verkauft wird: Das 20 Jahre währende, fruchtlose Nato-Abenteuer in Afghanistan. Die Zerstörung Libyens und die völlig chaotische Aufrüstung der Sahelregion."


Elisabeth Heyn vom Verein der Ärztinnen und Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs wendet sich in ihrem Redebeitrag ebenfalls gegen die Investition von 100 Milliarden für das Militär: "Wir protestieren hier gegen die Spirale der Angst, die unsere Regierung dazu treibt, Ausgaben für Tod und Vernichtung zu tätigen, die an anderen Stellen weitaus sinnvoller angebracht wären."

Heyn sagt, dass sie als Ärztin gesehen habe, was Waffengänge anrichten; und dass sie als Mutter nicht möchte, dass "meine oder irgendwelcher Eltern Kinder in sinnlosen Kriegen verheizt werden". Sie fordert zudem die Stadt Nürnberg auf, die internationale Waffenausstellung (IWA), die kürzlich in Nürnberg stattfand, künftig in der Stadt des Friedens und der Menschenrechte nicht mehr zuzulassen. An die Regierung appelliert sie, sich für zivile Konfliktlösungen einzusetzen: "Frieden ist machbar."

Blaupause für andere Geflüchtete

Das denkt auch Kathrin Flach Gomez, Landesvorsitzende und Nürnberger Stadträtin der Linken. Auf der Auftaktveranstaltung des Nürnberger Ostermarschs am Kopernikusplatz, von wo aus die Teilnehmer zum Kornmarkt ziehen, bezeichnet sie Verhandlungen als das "Gebot der Stunde". Zugleich lobt Flach Gomez den Umgang mit den Geflüchteten aus der Ukraine und mahnt an, dass diese Hilfsbereitschaft eine "Blaupause" für die Schutzsuchenden aus aller Welt sein möge.

Der Ostermarsch 2022 – eine Demonstration, die ganz im Zeichen des Kriegs gegen die Ukraine steht. Bei der Kundgebung im Fürther Stadtpark bringt zwischen den Redebeiträgen der Liedermacher Erik Stenzel nachdenkliche Zeilen zu Gehör: "Die Hoffnung stirbt zuletzt, und zwar genau dann, wenn niemand mehr übrig ist, der noch hoffen kann."

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