Pädagoge, Künstler und Ermutiger

24.1.2020, 09:20 Uhr
Pädagoge, Künstler und Ermutiger

© Foto: Michael Matejka

Gemeinsam mit dem damaligen Lehrstuhlinhaber Winfried Schmidt führte er 1988 Seminare und Exkursionen zur zeitgenössischen Kunst ein – "der Unterricht endete damals ja bei Picasso" – und die Studienreisen, bei denen es rund um die Uhr um Kunst geht, man aber auch zusammen kocht und feiert. "Solche Nähe zu den Studierenden war mir extrem wichtig", sagt Mayer.

Und die Weitergabe dessen, was er selbst während seiner vorherigen Tätigkeit an der Werkbund-Werkstatt gelernt und gelehrt hatte und was zum Grundprinzip seiner eigenen "ästhetischen Forschung" wurde: Der Mut, neue Wege zu gehen, frei zu experimentieren und "Fehler als Prinzip anzuerkennen".

Mayers eigenes Experimentierfeld waren von Anfang an Collagen, von denen die Ausstellung eine sehr schöne, markante Auswahl zeigt. Stets in Serien entstanden, offenbart sich in ihnen ein obsessiver Sucher und Sammler, der alles, was nicht niet- und nagelfest ist, aufhebt, künstlerisch verwertet und neu zusammenführt zu scheinbar chaotischen Bildern, deren Spuren von der Vergangenheit in die Gegenwart führen.

Zu den ältesten Arbeiten, die Mayer im Foyer von Sankt Paul zeigt, gehört die Serie "Baustelle Bild", für die ihm das Germanische Nationalmuseum Ende der 80er Jahre die Grundrisspläne für den Erweiterungsbau an der Kartäusergasse überließ. Mayer übermalte die exakten Konstruktionszeichnungen mit weichen Graphitpigmenten, übertrug die Formen der Betongüsse in dynamische Wirbel und staunt jetzt selber, "wie abstrakt ich da war. Heute arbeite ich viel bildlicher".

Den Weg dorthin zeigen in der Ausstellung beispielhaft die Collagen mit Anatomiezeichnungen, die "Floralen Archive", zu denen ihn die Arbeit seiner Mutter, eine Floristin, inspirierte, und eine Auswahl aus seiner neuen Serie "talking shoes". Verbindendes Element darin sind die Polaroidfotos von Schuhmodellen, die ihm ein Bamberger Fachgeschäft überließ und die Mayer mit einer so überbordenden Fülle an Fundstücken kombiniert, dass sie wie die Quintessenz seiner Collagekunst erscheinen: Fahrradschläuche und Stoffbänder als materialisierte Zeichnungen, Ausrisse aus Comics und alten Modezeitschriften, Dokumente, Fotos und längst vergilbte Zettel mit Tagebuchnotizen.

Vieles davon stammt aus jenem Haus, das er vor 25 Jahren von einer alten Dame kaufte – mitsamt allem, was sich darin über Jahrzehnte angesammelt hatte. Eine Schatzkammer für den Spurensucher, die ihn zusätzlich darin bestärkte, den Geschichten der Dinge nachzuspüren – wobei Mayer betont: "Ich will keine Erzählungen vorgeben, jeder soll seine eigene Geschichten in meinen Bildern finden."

Als Lehrer und Künstler hat er 33 Jahre lang das praktiziert, was der von ihm hochgeschätzte Kunstpädagoge Gert Selle mit "ästhetische Bildung" bezeichnete. Das heute die Promotion für den Zugang zur Lehre wichtiger ist als die künstlerische Forschung (und Vorbildfunktion), sieht Mayer sehr kritisch. Sollte seine Stelle, wie von der Unileitung geplant, der Kunstpädagogik entzogen und dem Fachbereich Chemie zugeschlagen werden, wäre das ein fatales Signal für ein Fach, dem angesichts der Herausforderungen des heutigen Schulalltags immense Bedeutung zukommt.

Die Studierenden und Lehrstuhlinhaberin Susanne Liebmann-Wurmer haben dringend um Erhalt der Stelle gebeten. "Die Kunstpädagogik ist ein gigantisches Feld, das die ganze Gesellschaft betrifft", mahnt Mayer, der bei seiner Abschiedsvernissage auf ernste Worte nicht verzichten wird.

Info: Eröffnung heute, 18.30 Uhr, Sankt Paul, Dutzendteichstr. 24; bis 14. Februar. Katalog "talking shoes" (Unipress Verlag).

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