Peisl: "Manche unterstellen mir, ich hätte Freude an Gewalt"

23.10.2012, 10:53 Uhr
Club-Aufsichtsrat Ralf Peisl - hier bei seiner Wahl in das Vereinsgremium im Oktober 2010 - nimmt im Interview Stellung.

© Wolfgang Zink Club-Aufsichtsrat Ralf Peisl - hier bei seiner Wahl in das Vereinsgremium im Oktober 2010 - nimmt im Interview Stellung.

Herr Peisl, kann das den Fan-Aufsichtsrat und Fan-Anwalt noch überraschen, wenn man mit ihm zunächst über Fan-Gewalt sprechen will?

Ralf Peisl: Nein. Es wird ja leidenschaftlich versucht, mir zu unterstellen, dass ich meine helle Freude hätte an der Gewalt.

Und dem ist nicht so?

Peisl: Nein. Ich kann der Sache überhaupt nichts abgewinnen. Ich habe mich das letzte Mal in der Grundschule geprügelt — und das sehr unerfolgreich. An diesem Zustand möchte ich in Zukunft auch nichts ändern.

Unbegründet scheint der Verdacht, dass der Aufsichtsrat Peisl mit den Gewalttätigen unter Nürnbergs Fußball-Fans sympathisiert, aber nicht. Von Ihnen wurde ein Zitat bekannt, dass die Polizei im Stadion zur Eskalation beiträgt. Die Mehrheit der Besucher fühlt sich dadurch aber eher sicherer.

Peisl: Das war aus dem Zusammenhang gerissen. Ich glaube, dass die Polizei mit einer deeskalierenden Strategie in und ums Stadion besser fahren würde. Das Problem an der Diskussion um Fan-Gewalt ist, dass die meisten Menschen sich mit den Hintergründen zu wenig auskennen. Die denken, dass sie sich zu einem Thema eine Meinung bilden können, alleine auf der Basis medialer Berichterstattung.

Klären Sie uns auf.

Peisl: Ich habe letzte Woche in einem Vortrag ausführlich dargelegt, warum die Gefahr, dass man auf dem Oktoberfest schwer verletzt wird, zehnmal höher ist als beim Stadionbesuch. Das kann ich belegen. Aber für die Medien scheint die Gewalt im Stadion interessanter zu sein, das sieht man an diesem Intervieweinstieg.

Also sind die Medien schuld? Die Gewalt im Stadion gibt es nicht?

Peisl: Nein, Fußballgewalt ist kein schönes Phänomen und man muss hoffen, dass Mittel gefunden werden, dass Unbeteiligte davon nicht betroffen werden. Aber: Wenn sich Menschen prügeln wollen, ist mir egal, ob sie das im Boxverein oder im Wald machen. Seltsam ist doch, dass Gewalt in bestimmten Situationen akzeptiert ist. Boxen gilt als edle Sportart. Die Prominenz sitzt am Ring und freut sich, wenn einer dem anderen die Nase einhaut. Das gefällt.

Also darf es Gewalt auch beim Fußball geben?

Peisl: Es wird sie geben, ich glaube nicht, dass sich das ändert. Früher, als die Menschen im Sonntagsanzug ins Stadion gegangen sind, haben sie sich am Wochenende trotzdem an der Pegnitz getroffen und sich mit Fürthern geprügelt. Das wird immer so bleiben. Wenn sich Kärwaboum schlagen, sagen alle: normal.

Also es gibt die Chaoten und mit denen muss man eben leben lernen?

Peisl: Nein, natürlich muss ein Familienvater weiterhin ins Stadion gehen können. Das kann er in meinen Augen derzeit aber auch. Ich habe noch nie von diesem Fall gehört, der immer zitiert wird, dass ein Vater und sein Kind Opfer eines Übergriffes wurden.

In Italien sind die Stadien leer — auch aus Angst vor den Ultras.

Peisl: Italien ist das eine extreme Beispiel, England das andere. In England hat man die Gewalt offenbar in den Griff bekommen, auch durch die Abschaffung der Stehplätze. Dafür herrscht dort aber auch keine Stimmung mehr. Tatsächlich hat sich die Gewalt aber nur verlagert. Ob es besser ist, wenn die Prügelfreunde sich in den Kneipenvierteln versammeln?

Wer Stimmung will, muss Gewalt hinnehmen?

Peisl: Ich bin kein Soziologe, aber es wirkt manchmal so, als seien diejenigen, die für die Stimmung sorgen, zu einem gewissen Prozentsatz auch diejenigen, die zur Gewalt neigen. Aber müssen wir jetzt nur über das Gewaltthema sprechen? Das sind Menschen, mit denen ich nichts zu tun habe.

Abgesehen davon, dass Sie als Rechtsanwalt solche Menschen mitunter vor Gericht vertreten.

Peisl: Ja, aber ich vertrete jetzt zum Beispiel einen, der beim Platzsturm nach dem Pokalspiel gegen Fürth einen Ordner geboxt haben soll. Der sagt, er war das nicht. Womöglich ist er also zu Unrecht angeklagt. Auch da muss die Schuldfrage geklärt werden. Heißt: Ich vertrete nicht nur Menschen, die etwas getan haben.

Gab es aber auch schon?

Peisl: Ja, es gab auch schon welche, die durch Gewalt im Fußball aufgefallen sind. Aber auch solche Menschen haben Rechte. Die Gewalttaten sind Straftaten und die Leute müssen bestraft werden. Aber: gerecht, fair und nicht, nur weil sie Fans sind, irgendwie anders. Beispiel: Auch in den NN und in der NZ waren Bilder vom Platzsturm auf der Seite eins. Eines zeigt meinen Mandanten, dessen Gesicht war nicht unkenntlich gemacht, oder?

Nein.

Peisl: Eben, sonst wird das aber bei jedem Verdächtigen gemacht. Manchmal werden Fußballfans wie mediales Freiwild behandelt.

Es hat ihn niemand gezwungen, den Platz zu stürmen.

Peisl: So argumentiert die Staatsanwaltschaft auch.

Keine schlechte Argumentation.

Peisl: Ja, wer den Platz stürmt, verstößt gegen die Stadionordnung, das ist ein Hausfriedensbruch. Das soll genügen, um ihn medial schlechter zu behandeln als einen Kapitalstraftäter?

Weil das vielen Menschen Angst macht, wenn schwarz gekleidete Menschen — vielleicht vermummt — die Laufbahn entlangstürmen.

Peisl: Das kann ich verstehen, ich will ja nicht als Verharmloser gelten.

Der Eindruck entsteht aber.

Peisl: Vielleicht kann man sagen, dass ich versuche, umgekehrte Lobbyarbeit zu machen. Auf der anderen Seite steht zum Beispiel die Gewerkschaft der Polizei. Die müssen dramatisieren, um mehr Kräfte und Mittel bewilligt zu bekommen.

Also sind Sie Lobbyist der Fans?

Peisl: Ja, aber nicht der gewalttätigen Anhänger, sondern der bunten Fanszene um den FCN.

Wird denn diese Stimme im Aufsichtsrat gehört, seitdem Sie dort Mitglied sind? Oder betrachten die Kollegen Sie als verirrten Fan?

Peisl: Ich habe schon das Gefühl, dass ich als Aufsichtsrat akzeptiert werde. Das mag daran liegen, dass meine Kollegen wissen, dass ich in der Kurve Rückhalt habe und dass es ihrer Popularität vielleicht abträglich wäre, wenn sie mich nicht ernst nehmen würden. Nur ist es leider immer noch so, dass der Vorstand von den vielen Möglichkeiten, die er hat, sich das Feedback der Fans zu holen, kaum Gebrauch macht. Beispiel: die Torhymne. Hätte man da besser nachgefragt, hätte man gemerkt, dass das Thema nicht gut ankommt.

Nach Vorkommnissen wie am Samstag, als ein Vereinsheim der Fürther Fans überfallen worden ist: Ruft der Vorstand an und fragt: Peisl, was machen deine Leute da?

Peisl: Martin Bader hat mich kontaktiert und angeregt, dass sich die Rot-Schwarze Hilfe dazu äußert. Ich habe das weitergegeben, weil ich nicht die Rot-Schwarze Hilfe bin, ich berate die nur in rechtlicher Hinsicht.

Ist der Aufsichtsrat fannäher geworden seit Ihrer Wahl? Herr Schamel hat auf der Jahreshauptversammlung (JHV) eine Rede gehalten, die ankam.

Peisl: Der hat das sehr gut gemacht.

Ist das die Zukunft des Aufsichtsrats? Dass Menschen gewählt werden, die dem Volk am besten gefallen? Und, wie Sie einst bei Ihrer Wahlrede, sagen: P wie Pinola. Genügt das?

Peisl: Ich glaube, dass das Vereinsvolk nicht dumm ist. Wenn der Unsinn zu groß wird, merken das die Mitglieder. Aber ich bin mir im Klaren, dass ich dort eine besondere Position besetze. Ich bin nicht im Aufsichtsrat, um zu prüfen, was die da in wirtschaftlicher Hinsicht für Mist bauen. Ich soll die Belange der Fans vertreten.

Aber die kritischen Fans, so der Eindruck, sind mitunter etwas detailverliebt. Das kann doch anstrengend sein, wenn man das alles immer weitergeben soll.

Peisl: Das ist sicherlich so. Das wissen die engagierten Fans aber auch, dass das, was sie interessiert, den meisten Stadiongängern egal ist. Die Masse interessiert vor allem der Bierpreis.

Braucht es kritische Fans?

Peisl: Wenn sie kritisch konstruktiv sind. Wir sind keine Berufsoppositionellen. Wir wollen, dass der Verein Verein bleibt.

Besonders heiß diskutiert wurde — wenn auch von einer Minderheit — der Vertrag, den der Verein mit der Ticketbörse Viagogo abgeschlossen hat.

Peisl: Da fällt mir eine Einordnung schwer, weil der Aufsichtsrat noch keine Vertragsinhalte kennt. Für mich war ein gutes Argument, was ein Mitglied auf der JHV gesagt hat: Der FCN verkauft, glaube ich, 1000 Karten pro Partie an Viagogo zu einem hohen Preis, den aber letztlich der Anhänger zahlen muss, wenn er sich seine Karte bei dieser Ticketbörse kaufen muss, die den Preis festlegen kann, wie sie will. Die Frage ist, sind das wirklich Anhänger, die sich ihre Karten für Spitzenspiele im Internet kaufen?

Also ist das doch nicht so schlimm, der Fan hat ja seine Dauerkarte.

Peisl: Eigentlich trifft es die Richtigen: Ja. Die Frage ist aber, warum nicht der Club die letzten Karten als Topkontingent verkauft.

Weil der Aufschrei größer wäre.

Peisl: Stimmt, aber Woy hätte das erklären müssen auf der JHV, statt beleidigt auf dem Podium zu sitzen.

Der Finanzvorstand Woy wird gerne kritisiert. Wie zufrieden sind denn die Fans mit ihrem Aufsichtsrat Peisl?

Peisl: Ich glaube, dass die zufrieden sind. Wenn einer kommt — wie schon geschehen — und sagt, dass ich glaubwürdig bin, ist das ein Kompliment.

Sind zwei Jahre als Aufsichtsrat desillusionierend?

Peisl: Hmm.

Macht es manchmal Spaß?

Peisl: Hmm.

Tritt Ralf Peisl noch mal an?

Peisl: Weiß ich nicht, ich weiß ja nicht, ob die Menschen zufrieden sind. Vielleicht wollen die mal einen anderen. Da wäre ich auch nicht böse.

Traut sich ein einzelner Aufsichtsrat den Vorstand zu beurteilen?

Peisl: Martin Bader hat einen neuen Vertrag über fünf Jahre bekommen.

Und Woy?

Peisl: Da wird man sich zu gegebener Zeit Gedanken machen.

Muss Ralf Peisl Herrn Woy vor den Fans besonders oft verteidigen?

Peisl: Wenn er mich bitten würde, ihn zu verteidigen, würde ich das auch tun. Dafür bin ich Strafverteidiger.

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