Pfefferspray und Selbstverteidigung sind gefragt

12.1.2016, 19:33 Uhr
Pfefferspray und Selbstverteidigung sind gefragt

© Foto: Roland Fengler

„Ich hab’ schon ein wenig Angst“, sagt eine Passantin in der Königstorpassage. Hier läuft die 28-Jährige immer besonders schnell durch – allerdings nicht erst, seitdem es an Silvester Übergriffe auf Frauen gegeben hat. „Besonders wohlgefühlt hab’ ich mich hier noch nie“, sagt sie. Vor allem am Abend habe sie ein mulmiges Gefühl. Ganz anders sehen das Hanna und Anja. Die beiden Freundinnen stehen vor der Filiale eines Drogeriemarktes im Bahnhof. „Ich lass’ mich nicht einschüchtern“, sagt Anja, „und einschränken will ich mich auch nicht.“ Angst? „Haben wir nicht“, sagt Hanna. Für den Notfall besitzt sie ein Pfefferspray – das liegt aber daheim.

Der Ausländer, der fremde Frauen bedrängt, ist sehr selten

Anders geht es da etlichen anderen Frauen. Die decken sich derzeit mit Abwehrspray ein. „Wenn der Bestand weg ist, könnte es Lieferengpässe geben“, heißt es in einem Geschäft in der Innenstadt. Pfefferspray ist aber nicht erst seit der Silvesternacht gefragt. Bei Chesi in der Südstadt verzeichnet man schon seit November eine verstärkte Nachfrage nach dem Spray, das eigentlich nur zur Tierabwehr zugelassen ist. „Aber Notwehr ist Notwehr“, sagt ein Mitarbeiter bei Chesi. Was der Kundschaft dort auch empfohlen wird: Alarmgeräte. Diese kann man in der Jackentasche tragen und im Notfall aktivieren. „Das pfeift dann ordentlich“, so der Chesi-Fachmann, „außerdem kann es nicht gegen einen verwendet werden.“

Dass viele Nürnbergerinnen nun Vorkehrungen für den Ernstfall treffen wollen, merkt man auch bei Aura, einem Verein der Frauen und Mädchen Kurse in Selbstverteidigung und Selbstbehauptung anbietet. „Unsere Internetseite wird derzeit verstärkt angeklickt, es werden mehr Programmhefte angefordert und es wird häufiger angerufen“, sagt Birgit Metz. Die Diskussion, die derzeit in Deutschland stattfindet, findet sie aber sehr heikel. „Man muss sich genau überlegen, ob es dabei überhaupt noch um die Frauen geht und wie man sie schützen kann“, sagt sie, „oder ob Menschen das, was geschehen ist, für die Durchsetzung ihrer politischen Interessen nutzen wollen.“ Würde man etwa beim Oktoberfest einen Aufruf starten, dass sich Frauen, die Opfer geworden sind, melden sollen, würden sich schließlich ähnliche Dimensionen ergeben. Metz hat Erfahrung mit dem Thema. Seit 27 Jahren arbeitet sie mittlerweile dafür, Frauen das nötige Rüstzeug zu vermitteln, um sich endlich gegen Gewalt wehren zu können. Aus ihrer Erfahrung weiß sie: „Der ausländische Mann, der plötzlich fremde Frauen bedrängt, ist sehr selten.“ Meist werden Frauen von Männern aus ihrem persönlichen oder beruflichen Umfeld belästigt.

Diese Erfahrung hat auch Sabine Böhm von der Frauenberatung gemacht – dorthin können sich auch Frauen wenden, die in der Silvesternacht zu Opfern geworden sind. „Wir erwarten, dass noch Klientinnen zu uns kommen werden“, sagt Böhm. Das könne jedoch noch ein wenig dauern. „Die Frauen brauchen oft zwei bis drei Wochen, bis sie das Erlebte für sich sortiert haben“, sagt sie. Zunächst – so Böhm – glauben viele Frauen nämlich, dass die Sache bei der Polizei gut aufgehoben ist. Erst wenn die Frauen etwas später unter Schlaflosigkeit oder Konzentrationsschwierigkeiten leiden, holen sie sich Hilfe. Was die Betroffenen bei der Frauenberatung erwartet? „Wir machen einen Gesprächstermin aus und kümmern uns ganz individuell um die Klientin“, sagt Böhm. Das kann etwa die Vermittlung eines Rechtsanwalts sein, oder die Vermittlung psychologischer Hilfe – je nachdem, was der Frau am besten hilft.

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