Ponyreiten auf dem Volksfest: Wenn Hass krank macht

9.4.2018, 05:58 Uhr
Ponyreiten auf dem Volksfest: Wenn Hass krank macht

© Foto: Michael Matejka

"Tierquäler", riefen sie. Immer und immer wieder. "Tierquäler!" Es war im Jahr 2015, als Edmund Kaiser an dem Hass, der ihm entgegenschlägt, zu zerbrechen drohte. Die Tierschutz-Aktivisten vor seiner Ponyreitbahn auf dem Volksfest verteilten Flyer an Kunden, sammelten Unterschriften für ein Verbot seiner Lebensexistenz. Kaiser zog sich an diesem Tag in den Wohnwagen zurück. Dort kippte er um, lag ohnmächtig auf dem Boden bis der Rettungsdienst eintraf. "Ich bin jedes Jahr froh, wenn das Volksfest vorbei ist und nichts passiert ist", sagt er.

Der 51-Jährige sitzt auf der Eckbank des Wohnwagens. Er ist ein offener Gesprächspartner – aber man merkt sie ihm an, diese Angst, dass mit einem einzigen Zeitungsartikel alles wieder anfangen könnte. Auf dem Tisch liegen Pferdepässe und ein Notizbuch. Namen und Uhrzeiten sind darin zu lesen.

Die Tochter schreibe das Buch, er habe keine schöne Schrift, sagt Kaiser. Spätestens nach vier Stunden werden die Ponys in der Manege ausgetauscht, welches Pony wie lang Dienst schiebt, wird hier dokumentiert. "Das würde ich jedem zeigen, kein Problem, wenn die Leute mit sich reden ließen", sagt der 51-Jährige und meint "die Leute", die Jahr für Jahr vor seinem Ponykarussell demonstrieren, Petitionen für dessen Verbot verfassen oder – und das ärgert Kaiser am meisten – Momentaufnahmen erstellen und im Netz verbreiten.

Beschädigte Zäune

Eine solche Momentaufnahme ist es, die die Diskussion um Kaiser und seine Ponys auch in diesem Jahr wieder entfacht. Die "Aktionsgruppe Tierrechte Bayern" hat ein Video zu Beginn des Volksfestes erstellt und im Netz veröffentlicht. Darauf zu sehen sind die Ponys in der Manege, dann ein Schnitt, dann die leere Pferdekoppel hinter den Trailern. "Zu diesem Zeitpunkt hat kein einziges Pferd Auslauf" ist über dem Standbild der ausgestorbenen Wiese zu lesen. Die Tierschützer werfen Kaiser vor, dass es den Ponys auf dem Volksfest viel zu laut sei und dass die Tiere stundenlang im Kreis laufen müssen.

Wann das Video aufgenommen wurde, weiß Kaiser nicht. Was er aber weiß, ist, dass sie ihn im Netz dafür wieder beschimpfen. "Ich will mir das gar nicht durchlesen, aber man bekommt es natürlich dann doch immer irgendwie mit", sagt der Schausteller. Dass zu diesem Zeitpunkt kein Pony auf der großzügigen Koppel stand, könne er sich nur damit erklären, dass die Tiere in diesem Moment ausgetauscht wurden. "Manchmal müssen wir sie auch reinholen, weil sich zum Beispiel Betrunkene an den Zäunen zu schaffen machen." Immer wieder brennen Volksfestbesucher die Elektroleinen durch oder hängen sie aus.

Kaiser kramt in seinen Unterlagen, zieht ein weiteres Buch hervor. Es ist das Protokoll, das Daniela Rickert, Veterinärin beim Nürnberger Ordnungsamt, erstellt hat. Seit vielen Jahren kontrolliert sie Edmund Kaiser und seinen Betrieb, vor und auch unangemeldet während des Volksfests. "Ich habe noch nie etwas Schlechtes entdeckt", sagt sie. „Die Ponys sind gut genährt, die Hufe sind super, sie haben keine Druckstellen in der Sattellage, Ausrüstung wie Sättel und Halfter passen. Also es ist alles in Ordnung mit den Tieren."

Ponyreiten auf dem Volksfest: Wenn Hass krank macht

© Foto: Ralf Rödel

Zu diesem Ergebnis kam sie auch im Jahr 2015, als die Situation um das Ponykarussell eskalierte. "Ich wurde danach übel beschimpft", erinnert sie sich. Die Stadt Nürnberg hatte damals mehrere Anzeigen wegen Beleidigung erstattet. Auf Facebook habe man ihr etwa ein Leben lang Durchfall und kurze Arme gewünscht. "Dafür, dass wir hier nur unseren Job machen." Sie kenne Edmund Kaiser seit Jahren, sagt Daniela Rickert. "Regelmäßig schaue ich mir seine Papiere an und sehe dann, dass der letzte oder vorletzte Eintrag auch von mir stammt, weil er seit seinem letzten Volksfestbesuch mit den Ponys nirgendwo anders unterwegs war." Tatsächlich reist Kaiser mit den Tieren nur noch zu zwei Festen pro Jahr.

Viele Städte verzichten mittlerweile auf Ponyreitbahnen auf Volksfesten und Kirchweihen. In Nürnberg sieht man dafür keine Notwendigkeit. "Es geht hier nicht darum, ob man das persönlich schön findet oder nicht. Ponykarussells sind eben nicht verboten", sagt Robert Pollack vom Ordnungsamt. Etwas anderes sei es, wenn sich der Betrieb etwas zu Schulden kommen ließe. "Dafür gehen unsere Veterinäre hin und kontrollieren." Kaiser keinen Standplatz auf dem Volksfest mehr zu genehmigen, sei seitens der Stadt noch nie ein Thema gewesen, weil es dafür keinen Grund gebe.

Geteilte Meinung der Besucher

Unter den Volksfestbesuchern ist man geteilter Meinung. „Ich kann nicht beurteilen, ob das für die Tiere eine Qual ist“, sagt Brigitte Niederlein, die mit ihren Enkelinnen vor der Manege steht. Die beiden Mädchen wollen unbedingt reiten, die Oma kauft zwei Karten. "Wir haben das als Kinder auch gemacht, warum soll ich es den beiden jetzt verbieten?" Wenige Meter weiter kullern Tränen. Der vierjährige Lars möchte eine Runde aufs Pony, aber Mama Claudia erlaubt es nicht. "Ich finde, in Zeiten, in denen viel über Tierschutz diskutiert wird, ist so etwas überholt. Nur weil es Ponyreiten seit Jahrzehnten gibt, macht es das nicht besser. Tierquälerei finde ich ein hartes Wort, habe aber nicht den Eindruck, dass die Tiere glücklich sind", sagt sie.

Eine Meinung, die Kaiser akzeptiert. "Wenn Besucher nicht reiten wollen, ist das in Ordnung. Was aber nicht in Ordnung ist, ist etwas zu verurteilen ohne sich vorher ein Bild gemacht zu haben." Er sei mit Pferden aufgewachsen, der Vater hat auch eine Ponyreitbahn ebenso wie seine Brüder. "Ich hänge an meinen Tieren. Es ist nicht so, als wäre es mir selbst nicht am Wichtigsten, dass es ihnen gut geht."

Obwohl Kaiser die teilweise Grenzen überschreitende Kritik zusetzt und obwohl er seinen Lebensunterhalt auch allein mit seinen anderen Fahrgeschäften verdienen könnte: Ans Aufhören denkt er nicht. "Ich habe viele Plätze aufgegeben, weil dort die Bedingungen nicht mehr gepasst haben. In Erlangen waren die Betrunkenen nicht mehr zu ertragen, in anderen Städten hatten die Pferde nicht genug Auslauf. Aber ganz aufhören will ich nicht."

Warum? Vor allem, weil Sohn und Tochter das Unternehmen weiterführen wollen. „Einerseits macht mich das stolz, andererseits sitze ich auch oft da und muss mich als Vater fragen, ob ich meinen Kindern das unter diesen Umständen antun will.“ Edmund Kaiser zündet sich eine Zigarette an. Er genießt die Ruhe, bevor er zurück in die Manege muss. Fünf Minuten, bis er sie wieder spürt, diese Angst, dass nun alles von vorne anfängt.


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