Postbotin seit einem Jahr vermisst: Fischbach in Angst

14.11.2014, 05:59 Uhr
Seit 14. November 2013 fehlt von Heidi D. jede Spur. Kurz vor ihrem 50. Geburtstag verschwand die Postbotin aus Fischbach. Die Familie gibt die Hoffnung nicht auf, dass sie wieder auftaucht.

© Stefan Hippel Seit 14. November 2013 fehlt von Heidi D. jede Spur. Kurz vor ihrem 50. Geburtstag verschwand die Postbotin aus Fischbach. Die Familie gibt die Hoffnung nicht auf, dass sie wieder auftaucht.

Sie haben die Hoffnung nicht auf­gegeben. Die Hoffnung, dass sich am Ende doch noch aufklären könnte, was mit Heidi D. passiert ist. Seit einem Jahr leben ihre beiden Schwestern und ihr Sohn mit der Un­gewissheit, ob Heidi tot oder noch am Leben ist. „Wir sind dauernd am Grü­beln“, sagt Stefanie P. (39). Der Jahrestag, der 14. Novem­ber, mache es besonders schwer. „Da denkt man doppelt so viel dran, eigent­lich die ganze Zeit, und fragt immer wieder: Was ist bloß passiert?“, meint die zweite Schwester, Petra P. (49).

Es ist schwer vorstellbar und für An­gehörige kaum auszuhalten, dass ein Mensch von einem Tag auf den ande­ren einfach verschwinden kann. Als wäre er ausradiert worden, so dass es nicht den geringsten Anhaltspunkt für sein Schicksal gibt. „Das ist alles sehr komisch.“

Das finden auch viele Fischbacher. Nicht wenige kannten die 49-Jährige, die in der Flachsröststraße und am Bä­renbühlgraben Post ausgetragen hat. Die Kunden sprächen immer noch „über die Heidi“, sagt eine Laden­inhaberin, die Heidi D. per­sönlich kannte. Die Gespräche krei­sen immer um dieselbe Frage: „Hat man sie schon gefunden?“

Die Betroffenheit geht über bloße Fragen hinaus. „Man fühlt sich hier wie in einem Dorf. Man kann gar nicht glauben, dass hier so etwas pas­siert“, sagt die Fischbacherin Silke S. Zumal Heidi D. nicht die Erste ist, die verschwunden ist. Einein­viertel Jahre vorher, im Juli 2012, ist der Rentner August Walther aus Fisch­bach als vermisst gemeldet worden. Er war mit dem Rad unterwegs. Weder er noch sein Fahrrad wurden bis heute gefunden. Die Polizei fahn­det noch immer nach ihm.

„Das nimmt einen schon mit“, fährt die Fischbacherin Silke S. fort. „Bei uns Frauen ist das total ein Thema.“ Viele seien früher im Wald joggen gegangen. Das Einzige, wovor sie sich fürchteten, waren Wildschweine, be­richtet sie. „Das machen wir jetzt nicht mehr. Wir haben Bedenken.“ Sil­ke S. joggt stattdessen die belebte Fischbacher Hauptstraße auf und ab. Eine andere Frau aus Fischbach, Eleo­nora F., pflichtet ihr bei: „Früher habe ich mit dem Rad in der Mittags­pause eine Tour durch den Wald gemacht. Jetzt fahre ich nur dort, wo viele Leute sind.“

Es ist die Ungewissheit, die quält. Solange unklar ist, was Heidi D. widerfahren ist, solange haben ihre Familie und ihr Lebensgefährte kaum eine Chance, mit der tragischen Geschichte abzuschließen. „Wir rei­men uns immer wieder etwas zusam­men“, sagt Heidis Schwester Petra P. Was passiert sein könnte. Geschichten ohne erlösendes Ende. Die Schwes­tern stecken in einer Endlosspirale aus Grübeleien.

Tuscheleien und Gerede

Nicht nur die Schwestern. Hinter vorgehaltener Hand tuschelte man eine Zeit lang in Fischbach auch über den Lebensgefährten der Vermissten. Wie das eben so ist: Wenn die Fakten dünn sind, schießen die Spekulatio­nen ins Kraut. Doch laut Polizei gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass er etwas mit dem Verschwinden der Postbotin zu tun haben könnte.

Heidi D. ist am 14. Novem­ber 2013 letztmals in Fischbach gese­hen worden. Es war ein grauer Tag, an dem die Dämmerung früh einsetzte. Sie verschwand, ohne irgendetwas mitzunehmen. Das passt nicht zu einer geplanten Flucht. Wer heimlich, still und leise aus seinem alten Leben ausbrechen und ein neues anfangen will, nimmt Geld, EC-Karten und per­sönliche Papiere mit. Auch auf einen Suizid gibt es keine Hinweise. Keinen Abschiedsbrief, im Gegenteil: Heidi D. hatte Pläne. Sie wollte bald ihren 50. Geburtstag feiern. Sie hatte schon Getränke dafür gekauft.

All diese Punkte sprechen gegen einen klassischen Vermisstenfall. Die Soko „Heidi“, die mittlerweile auf zwei Ermittler geschrumpft ist, geht deshalb von einem Verbrechen aus, ohne jedoch die Möglichkeit eines Unfalls oder eines Suizids ganz und gar auszuschließen.

Die Mordkommission hat bis zum heutigen Tag rund 110 Spuren abgear­beitet. Sie führten nirgendwohin. Ein echter Anhaltspunkt, etwas Konkre­tes, sei nicht dabei gewesen, sagt Poli­zeisprecherin Elke Schönwald.
Die Kripo macht trotzdem weiter. Auch die Schwestern lassen nichts unversucht, Heidi D. immer wieder in Erinnerung zu rufen. Ein großes Plakat in der Fischbacher Hauptstraße erinnert an sie. „Heidi, wo bist Du?“ steht darauf.

Und wenn sie doch noch lebt? „Ein Fünkchen Hoffnung bleibt uns, dass du noch lebst und dir nur eine Auszeit nehmen wolltest“, schreibt die Fami­lie in einem offenen Brief an Heidi D. im Internet. Es sind rüh­rende, verzweifelte Zeilen. Sie enden mit dem Appell: „Bitte melde Dich!“

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