Prostituiertenmörder: Plante er eine Geiselnahme im Gefängnis?

15.5.2019, 06:00 Uhr
Die Psychologin war es, die nach dem Urteilsspruch dafür gesorgt hat, dass Felix R. zusammen mit einem befreundeten Gefangenen in einer Gemeinschaftszelle untergebracht wird.

© Roland Fengler Die Psychologin war es, die nach dem Urteilsspruch dafür gesorgt hat, dass Felix R. zusammen mit einem befreundeten Gefangenen in einer Gemeinschaftszelle untergebracht wird.

Die richtig schweren Jungs sitzen eigentlich nicht in Nürnberg ein. An der Mannertstraße sind hauptsächlich Gefangene untergebracht, die in absehbarer Zeit wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Zumindest in der Strafhaft ist das so. Ab und an landen aber doch Schwerverbrecher in einer der Zellen. In der Untersuchungshaft zum Beispiel. Also dann, wenn Gefangene noch auf ihren Prozess warten.

Das Verfahren gegen Felix R. war im Juli vergangenen Jahres gerade vorbei. Lebenslang mit anschließender Sicherungsverwahrung kassierte der 23-Jährige für die Morde an zwei Prostituierten. Er saß aber noch in Nürnberg ein – das Urteil war noch nicht rechtskräftig.

"Ich habe mir Sorgen um ihn gemacht", sagt Lisa D. (Name geändert) jetzt vor Gericht. Die junge Gefängnispsychologin arbeitete seit einem halben Jahr in der JVA, hat immer wieder mit Felix R. gesprochen, wenn er einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Sie war es, die nach dem Urteilsspruch dafür gesorgt hat, dass er zusammen mit einem befreundeten Gefangenen in einer Gemeinschaftszelle untergebracht wird.

Sie ahnte nicht, dass der tote Opa, von dem Felix R. damals berichtete, nur ein Vorwand war – tatsächlich lebte der Mann noch. "Felix R. war deutlich belastet", so Lisa D., die vor Gericht einen Justizbeamten darum bittet, zwischen ihr und Felix R. Platz zu nehmen – damals führte sie ihn allein über Flure.

Hauptzeuge profitierte von der Meldung

"Mitarbeiter der Fachdienste sehen Häftlinge oft eher als Patienten als als Gefangene", sagt ein JVA-Beamter. In der Strafhaft sei es damals üblich gewesen, dass Beamte Patienten zum Gespräch bringen, so die Psychologin. In der U-Haft habe man das häufig selbst gemacht – nicht zuletzt auch deshalb, weil hinter Gittern Personal fehlt. "Wenn ich darum gebeten hätte, hätte man sie aber auch gebracht", so die Psychologin. Mittlerweile denkt man bei den Fachdiensten an der Mannertstraße anders, so der JVA-Beamte. Aber: "So was flacht auch wieder ab."

Fakt ist: Nur wenige Tage nach dem Treffen des Doppelmörders mit der Psychologin wurde die Zelle durchsucht. Die Beute der Sicherungsgruppe: Zwei Stricke aus Jogginghosen-Schnüren, ein Fantasieschreiben, in dem Frauen gequält werden, eine Forderungsliste mit Begehrlichkeiten wie schnellen Rechnern mit Internetzugang, bequemen Sesseln und Pizza vom Lieferdienst.

Ernst oder Spinnerei? Felix R.s Zellenkumpan meldete sich bei der Psychologin, erzählte ihr von dem Blödsinn, den sich die beiden zur Belustigung an langweiligen Abenden in der Zelle ausdachten. Der Eindruck des Mitgefangenen: Für Felix R. wurde die Spinnerei ernst.

Flucht in eine Fantasiewelt?

Wie ernst aber kann man diese Aussage nehmen? Fakt ist: Der Mitgefangene wusste, weshalb Felix R. hinter Gittern war. Fakt ist auch: Weil er ihn verpfiff, bekam der 20-Jährige in seinem eigenen Verfahren wegen eines Sexualdelikts einen Strafrabatt. Überhaupt: Felix R. ist nicht dumm. Ein psychiatrischer Sachverständiger attestiert ihm eine Persönlichkeitsstörung und eine Störung der Sexualpräferenz. Aber: "Wenn er will, kann er sich unauffällig verhalten", so der Gutachter.

Hätte er tatsächlich gedacht, dass er sich durch eine Geiselnahme Vorteile erschleichen kann, die ihm später keiner nimmt? War ihm alles egal? Oder flüchtete er gedanklich in eine Fantasiewelt? Die Verteidigung beantragt Freispruch, der Staatsanwalt sechs Jahre. Das Gericht verkündet am Donnerstag ein Urteil. Die Psychologin spricht vom "Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat" und hat ihre Stelle gekündigt. Felix R. sitzt derzeit in der JVA Kaisheim (Schwaben) ein – dort sind neben Straftätern, die nur kurz einsitzen müssen, auch Schwerverbrecher untergebracht.