Proteste der Landwirte: "Volksentscheid findet im Supermarkt statt"

18.2.2020, 20:11 Uhr
NZ-Dialog zum Thema "Landwirtschaft und Naturschutz - ein Widerspruch?".

© Michael Matejka NZ-Dialog zum Thema "Landwirtschaft und Naturschutz - ein Widerspruch?".

Was die Diskutanten Prof. Hubert Weiger vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), und Günther Felßner, Präsident des Bauernverbandes in Mittelfranken eint, ist die Sorge um die Zukunft der bäuerlichen Landwirtschaft. Den Auftakt machte ein gedanklicher Rollentausch – Weiger, der leidenschaftliche Bauer, und Felßner, der nicht minder leidenschaftliche Natur- und Umweltschützer. Und schon da zeigte sich, dass die Gegensätze gar nicht so groß sind, wie vielleicht vermutet. Nach Felßners Worten kann sich jeder Bauer als kämpferischer Umweltschützer sehen, mit Liebe zu Boden und Tieren. "Naturschützer sind sie allemal, denn sie bearbeiten die Natur mit ihren Händen." Dass Weiger, der selbst aus einem Bauernhof stammt, als Bauer in erster Linie ökologischen Landbau betreiben würde, versteht sich von selbst.

Beiden liegt der Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft am Herzen. Und da herrsche pure Existenzangst. "Politik und Verbraucherverhalten mit immer größeren Forderungen bringen sie unter die Räder", diagnostizierte Felßner. Wenn das Höfesterben so weitergeht, sieht Weiger die bäuerlichen Betriebe, auf der "Roten Liste". Ihm zufolge seien in der EU-Agrarpolitik die Weichen falsch gestellt. Im Mittelpunkt stehe die Orientierung an Weltmarktpreisen und damit werden die bäuerlichen Betriebe den Preisschwankungen auf diesem Markt und seiner Konkurrenz aus gesetzt. Und die produziert nicht selten unter ganz anderen Umwelt- und Sozialstandards und damit zu Preisen, zu denen es die bäuerliche Landwirtschaft hierzulande erst gar nicht zu versuchen braucht.

Für die kleinen Betriebe wird das Überleben immer schwieriger

In dieser Konstellation können am Ehesten große industriell produzierende Betriebe mit wenigen Arbeitskräften bestehen, nach der Devise "Wachsen oder weichen". Viele bauen immer mehr und größere Ställe und zunehmend gehört der Betrieb, wie Weiger ausführte, nicht mehr den ehemaligen Eigentümern, sondern internationalen Investoren. "Solche Fehlentwicklungen erleben wir im Osten." Die Agrarsubventionen verstärkten diesen Trend, denn sie würden vor allem für den Besitz von Äckern und Wiesen vergeben. Wer viel Land habe, bekomme viel Geld vom Staat. Zwar erhalten die kleinen Betriebe für bis zu 35 Hektar EU-Unterstützung. Aber nicht nur sie, sondern die ganz großen auch. Für die kleinen aber wird das Überleben immer schwieriger.

Weiger bemängelte, dass der Bauernverband sich nicht genügend gegen die Globalisierung der Landwirtschaft gewehrt hat. "Das ist falsch", widersprach Felßner mit Blick auf die Geschichte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der damit eingeleiteten Öffnung der Märkte. "Die Entwicklung war nicht aufzuhalten." Weiger plädierte für eine Produktion für den EU-Binnenmarkt. Das führt zu weiteren Beteiligten in Sachen "bäuerliche Landwirtschaft" neben der Politik: Nahrungsmitteleinzelhandel und Verbraucher. Aldi, Rewe, Lidl, Edeka: Die vier großen Player sind davon überzeugt, dass möglichst billige Nahrungsmittel die Kunden anlocken. Um niedrigste Preise zu erreichen, setzen diese großen Handelsketten ihre Marktmacht ein. Für den Bauern bleibt am Ende kaum mehr Geld übrig.


NZ-Dialog: "Landwirtschaft und Naturschutz – ein Widerspruch?"


Der Konsument fordert 30 Prozent Bio-Ware, kauft aber nur sechs Prozent. "Der Volksentscheid findet am Regal im Supermarkt statt, das Schicksal der Landwirtschaft entscheidet sich an der Ladentheke", brachte Felßner die Lage auf den Punkt. Wer Hähnchen zum Schleuderpreis kaufe, habe das moralische Recht verwirkt, über Tierschutz zu reden. Weiger setzt auf Aufklärung über die Preisgestaltung und eine aussagekräftige verpflichtende Kennzeichnung über die Tierhaltung.

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