Rathaus-Anbau: Früher prunkvoll, heute schlicht

25.8.2014, 06:00 Uhr
Rathaus-Anbau: Früher prunkvoll, heute schlicht

© Archiv/Roland Fengler

Steht man heute an der Rathausgasse und schaut unter dem Durchgang hindurch, so bietet sich ein eher nüchternes Bild vom Rathaus-Anbau. Zwei Bögen und einige Renaissance-Stilelemente lockern die Sandsteinfassade auf, ansonsten erscheint dieser Teil des Rathauses heute vergleichsweise schlicht.

Das war nicht immer so. Wer vor rund 70 Jahren unter dem Durchgang vom Wolff’schen zum Pylipp’schen Bau hindurchblickte, der sah ein
viel größeres, fast schon wuchtig wirkendes Gebäude – den Essenwein-Bau, der erst im Jahr 1890 fertiggestellt worden war.

Die Industrialisierung hatte die Menschen damals in Scharen in die Städte gelockt. Die Einwohnerzahl schoss rasant in die Höhe. Lebten etwa im Jahr 1812 gerade einmal 26.000 Menschen in Nürnberg, wurde im Laufe des Jahres 1881 bereits die Marke von 100.000 Einwohnern erreicht. Knapp 20 Jahre später waren es sogar schon über 250.000 Menschen, die in Nürnberg ein Zuhause gefunden hatten. Die Stadtverwaltung musste damals dringend aufrüsten. Sonst hätte sie ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen können. Es war nur eine logische Folge, dass zu der Zeit auch Rathaus-Neubauten in Auftrag gegeben wurden.

Einen der Aufträge erhielten damals August Essenwein und Carl Alexander Heideloff. Sie entwarfen für die Erweiterung des bestehenden Rathauses ein wuchtig wirkendes Gebäude im neugotischen Stil – inklusive der damals so typischen Verschnörkelungen. Sogar einen Turm setzten sie auf das Bauwerk.

Rathaus-Anbau: Früher prunkvoll, heute schlicht

© Foto: Ulrich

Knapp zehn Jahre später war direkt gegenüber ein anderer Architekt am Werk: Hans Pylipp. Er hatte sich einer ganz anderen Stilrichtung verschrieben: der Neorenaissance. Das heutige Herzstück des Rathauses, der Pylipp’sche Bau, in dem nicht nur der Stadtrat, sondern auch die Kantine Platz gefunden haben, wurde im Jahr 1899, also neun Jahre nach dem Essenwein-Bau, fertiggestellt.

Lange standen die beiden Gebäude nicht – im Zweiten Weltkrieg brannte der gesamte Rathauskomplex aus. Die Verantwortlichen standen vor riesigen Trümmerhaufen – und vor der Frage, welche Gebäude sie in welcher Form rekonstruieren wollten. Die Pylipp’sche Architektur erschien den Verantwortlichen damals zweifelsohne als wiederaufbauwürdig. Über das Essenwein-Gebäude urteilten sie jedoch, dass es „glücklicherweise so zerstört war, dass man es guten Gewissens abreißen konnte“, wie der damalige Oberbaurat Harald Clauß sagte.

Die Ruine wurde deshalb nach dem Krieg abgetragen und machte einem Nachfolgebau Platz. Weil die Theresienstraße vergrößert werden musste, wurde der Gebäudeflügel verkürzt. Vor 51 Jahren wurde der fertige Bau dann übergeben.

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