Raumnot: Die Integrierte Leitstelle Nürnberg stößt an ihre Grenzen

8.10.2020, 10:33 Uhr
Die Integrierten Leitstelle am Nürnberger Hafen feiert einen runden Geburtstag. Doch bald könnten die Disponenten wieder ausziehen, da der Platz knapp wird.

© Roland Fengler Die Integrierten Leitstelle am Nürnberger Hafen feiert einen runden Geburtstag. Doch bald könnten die Disponenten wieder ausziehen, da der Platz knapp wird.

Sie hat einen runden Geburtstag: Die Integrierte Leitstelle Nürnberg (ILS) ist zehn Jahre alt geworden. Ausgewachsen ist sie aber noch lange nicht. Die Zahl der Bevölkerung steigt und demografisch gesehen wird die Gesellschaft älter. Die Folge: Mehr Menschen geraten in Not und wählen die 112. Die Einsatzzahlen steigen demnach Jahr für Jahr und damit auch der Bedarf an Personal in der ILS. Doch das Bestandsgebäude und das Gelände an der Feuerwache 4 am Hafen geben den Platz für eine Erweiterung nicht mehr her. Nach zehn Jahren gibt es jetzt also wieder Pläne für einen Neubau.


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Rückblick: Am 8. September 2010 ging die ILS in einem neu geschaffenen Gebäude am Hafen in Betrieb. Drei Jahre zuvor wurden die Weichen für den Bau der ILS auf dem früheren Parkplatz der Wache 4 gestellt. Vor 2007 existierte in Nürnberg eine strikte Trennung zwischen der damaligen BRK-Rettungsleitstelle und der Leitstelle der Feuerwehr. Im Freistaat wurde diese Trennung aber nach und nach aufgehoben, beide Leitstellensysteme sollten unter ein Dach kommen.

Bayern hinkte hinterher

Die Nürnberger Berufsfeuerwehr erhielt nach einer Ausschreibung vom Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Nürnberg (ZRFN) den Zuschlag. Auch das BRK, das die Rettungsleitstelle bis zu diesem Zeitpunkt in der Sulzbacher Straße betrieb, hatte sich beworben, ging aber leer aus. Die BRK-Leitstellen-Mitarbeiter wurden aber von der Stadt übernommen. Bis aber der Neubau der ILS an der Wache 4 fertig war, arbeiteten die Disponenten der Feuerwehr und des BRK beim Roten Kreuz in der Sulzbacher Straße.

Integrierte Leitstellen waren in anderen Bundesländern - zum Beispiel in Hessen, Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen längst Standard. Bayern habe hinterhergehinkt, sagten damals Kritiker. "Ich kannte das gar nicht anders", erzählt heute Marc Gistrichovsky, Chef der Integrierten Leitstelle Nürnberg. Er stammt selbst aus Niedersachsen. "Bundesländer, die nördlich der Rhön liegen, betrieben Jahre zuvor schon Integrierte Leitstellen."

Das ist nun Schnee von gestern. Seit 2010 läuft der ILS-Betrieb am Hafen, die europaweite Notrufnummer 112 wurde eingeführt. In ganz Bayern gibt es 26 Integrierte Leitstellen, in Nürnberg sitzt eine der größten des Landes. Sie ist für 1,2 Millionen Bürger zuständig und deckt die Städte Nürnberg, Fürth, Erlangen und die Landkreise Fürth, Nürnberger Land sowie Erlangen-Höchstadt ab.

Die Disponenten in der ILS lotsen nach einem Notruf etwa den nächsten Rettungswagen mit Notarzt zum Unfallort und schicken die Rettungskräfte mit den Patienten dann in eine Klinik der Region. Dafür haben sie den Überblick und sehen im System, in welchem Krankenhaus Betten frei sind. Von hier aus alarmieren sie aber auch die Feuerwachen, wenn's brennt.

Reanimation am Telefon

Sie leiten am Telefon Anrufer auch in Echtzeit an, wie sie eine leblose Person reanimieren können, bis der Notarzt und die Sanitäter eintreffen. "In zwei Fällen haben Frauen ihre Ehemänner, die einen Herzinfarkt erlitten hatten, wiederbelebt. Die Männer waren später auf Reha, jetzt geht's ihnen wieder gut", erinnert sich Gistrichovsky.


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Neu eingeführt hat die Stadt heuer auf der Grundlage von EU-Richtlinien die Ortung über GPS: Sobald jemand die 112 wählt und der Anruf angenommen wird, kann der Disponent in der ILS feststellen, von wo aus der Notruf abgesetzt wurde. "Das hat uns bereits geholfen, als am Schmausenbuck mitten im Wald ein Mountainbiker vom Rad flog und sich verletzte. Der wusste nicht, wo er sich befand. Wir aber haben ihn durch die Ortung gefunden", erzählt Leitstellen-Chef Gistrichovsky.

Raumnot macht erfinderisch

Die Herausforderungen werden größer: Aus einer Untersuchung geht hervor, dass in den Jahren von 2012 bis 2018 die Einsatzzahlen im gesamten ILS-Gebiet um 14 Prozent gestiegen sind. "Alleine in Nürnberg hat es einen Zuwachs von 22 Prozent mehr Einsätzen gegeben", berichtet Gistrichovsky. Personal musste aufgestockt werden, von 68 Vollzeitstellen (2012) auf 105 (2018). Im Zuge dessen hat die Stadt die Anzahl der Einsatzleitplätze auf mittlerweile 35 erhöht. Um die entstandene Raumnot etwas zu entspannen, hat sich die Stadt zu einem Erweiterungsbau (Containerbauweise) auf dem Wache-4-Gelände durchgerungen, der in diesem Jahr bezogen wurde. Sozialräume, Büros, Bereitschaftsräume, Spinde und Duschen befinden sich darin.

Noch im Herbst wird die Machbarkeitsstudie für die neue ILS fertig, so der Plan. In einem der nächsten Ausschüsse soll sie den Stadträten dann vorgestellt werden. Ein städtisches Grundstück, ein Brachgelände in der Nähe des Flughafens, haben sich die Zuständigen schon ausgeguckt. Ein Architekturbüro aus Hamburg, das laut Gistrichovsky auf den Bau von Leitstellen spezialisiert ist, soll das Projekt realisieren. Es gibt auch schon einen zeitlichen Horizont: 2028 soll die neue ILS in Betrieb gehen. Die jetzige soll dann Notleitstelle werden - für den Fall, dass eine ILS bei einer Großlage nicht ausreicht.

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