Elfjähriger Ben durfte sich umsehen

Rundgang: So wird in der U-Bahn-Werkstatt in Langwasser gearbeitet

16.9.2021, 12:13 Uhr
Ungewohnte Perspektive: In der U-Bahn-Werkstatt in Langwasser kann sich der technikinteressierte Ben die neue U-Bahn vom Typ G1 von unten ansehen.

© Stefan Hippel, NNZ Ungewohnte Perspektive: In der U-Bahn-Werkstatt in Langwasser kann sich der technikinteressierte Ben die neue U-Bahn vom Typ G1 von unten ansehen.

So ist er noch nie abgeholt worden. "Vorsicht auf Gleis 4! Bitte nicht einsteigen", ertönt es über die Lautsprecher. Kurz darauf fährt ein Werkstattzug in den U-Bahnhof Scharfreiterring ein. Der frisch in Betrieb genommene U-Bahn-Zug vom Typ G1 dient heute als Bens persönlicher Shuttlezug. Zu seiner Freude darf der Elfjährige nicht nur einsteigen und mitfahren, sondern ganz vorne dem Fahrer über die Schulter schauen. Die VAG hat Ben Wirth und unsere Redaktion in den Sommerferien eingeladen, sich die U-Bahn-Werkstatt aus nächster Nähe anzuschauen.

Ben als U-Bahn-Fan zu bezeichnen, ist untertrieben. Als es nach dem Übertritt darum ging, welche Schule er künftig besuchen möchte, gab es für ihn ein ganz entscheidendes Kriterium: die U-Bahn-Anbindung. Auch zum neuen Schuljahr steigt der Sechstklässler wieder jeden Morgen an der Fürther Stadthalle in die U1 und nimmt am Plärrer die U3, um vom U-Bahnhof Sündersbühl aus die restlichen Meter zur Schule am Westpark zu laufen.

Zur Not wird abgebremst

Auf dem Weg in die Werkstatt lässt sich Ben im Fahrerstand alles ganz genau erklären. Normalerweise sind die bis zu 80 Kilometer pro Stunde schnellen U-Bahnen mit etwa 60 bis 70 km/h in Nürnberg und Fürth unterwegs. In der Spitze freilich nur, wenn auch entsprechend lange Distanzen wie zwischen den Stationen Hasenbuck und Bauernfeindstraße oder Ziegelstein und Flughafen vorhanden sind.

Ob es eine Radarkontrolle gibt, will Ben wissen, als er selbst am Fahrerpult Platz nehmen darf. Das nicht, aber eine Ermahnung, falls es ein Fahrer zu eilig hat. Schließlich registriert ein Geschwindigkeitsüberwachungssystem zu hohes Tempo und bremst die Fahrzeuge im Fall der Fälle unmittelbar ab.

Rund 200 Mitarbeiter sind in den Werkstätten in Langwasser und für die Straßenbahn nahe der Frankenstraße im Drei-Schicht-Betrieb rund um die Uhr im Einsatz. Die Fahrzeuge müssen laut Werkstattleiter Thomas Luber nicht nur regelmäßig gewartet und mit Blick auf die Sicherheit überprüft werden, sie werden auch einmal im Monat von außen gewaschen. Und nicht immer bleibt unterwegs alles ganz. Ben beobachtet zwei Angestellte, die eine kaputte Scheibe durch eine neue ersetzen wollen. Rund 5500 Euro kostet allein die Scheibe, dazu die Arbeitszeit - alles andere als eine billige Angelegenheit.

Es gibt immer etwas zu tun

Rund 40 Jahre, also in etwa ein Berufsleben, ist eine U-Bahn im Einsatz. Die Mitarbeiter in Langwasser begleiten die Fahrzeuge der verschiedenen Baureihen "von der Wiege bis zur Bahre", sagt Luber. Langweilig wird dabei definitiv keinem. Schließlich geht die Arbeit nie aus. Im Gegenteil: Zusätzlich zu den gewöhnlichen Aufgaben sind die Mitarbeiter derzeit auch damit beschäftigt, die neuen Modelle vom Typ G1 in Betrieb zu nehmen.

Ben geht eine kleine Treppe hinunter, steht nun unter einem Zug und erhält einen Eindruck davon, wie viel Technik in den Fahrzeugen steckt. Rund 1000 Kilometer Kabel sind in den neuen vierteiligen U-Bahnen auf etwa 80 Metern Länge verbaut. An den Vorrichtungen ist exakt markiert, wie weit eine Schraube gedreht sein muss. So kann bei Überprüfungen schnell festgestellt werden, ob sich eine löst. Um die sieben Millionen Euro kostet jeder der von Siemens Mobility in Wien konzipierten neuen Züge. Bis zu 604 Passagiere finden im Inneren eines Zuges Platz.

Hohe Temperaturen

Rund 100.000 Kilometer legt eine U-Bahn im Jahr zurück. Klar, dass auch im Radbearbeitungszentrum jede Menge zu tun ist. Im ersten Moment sieht es so aus, als ob hier gegrillt würde. Doch über den Gasflammen wird ein Reifenrohling auf 200 bis 250 Grad erhitzt, um später die Radscheibe, eine Art Felge, exakt einzupassen. Beim Abkühlen schrumpft der Ring und es entsteht dadurch ein fester Verbund.

Das "U" in U-Bahn steht übrigens nicht für "Untergrund" oder "unterirdisch", wie Luber erklärt. Stattdessen handelt es sich um eine "Unabhängige Bahn", die in einem eigenständigen System unterwegs ist. Vollgepackt mit all den neuen Informationen geht es nach knapp zwei Stunden wieder per Shuttlezug zurück zum Scharfreiterring. Ben kann nach dem Streifzug durch die Werkstatt freilich auch weiterhin nicht genug bekommen. Schon bei der Fahrt zum Hauptbahnhof steht er wieder ganz vorne und beobachtet jeden Schritt des Fahrers.

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