EhrenWert-Preis

Ruth Dorner kämpft seit 40 Jahren für Nachhaltigkeit

3.9.2021, 13:23 Uhr
Seit den Achtzigern führt Ruth Dorner den Eine-Welt-Laden in Neumarkt, der inzwischen in der Unteren Marktgasse seinen Platz hat.

© Stefan Hippel, NNZ Seit den Achtzigern führt Ruth Dorner den Eine-Welt-Laden in Neumarkt, der inzwischen in der Unteren Marktgasse seinen Platz hat.

Wildkaffee aus Äthiopien, Biokaffee aus Mexiko, Espressobohnen aus Nicaragua, Peru und Kolumbien. In zwei Regalen reihen sich die bunten Pakete aneinander. Manche zieren Kaffeebohnen, andere Menschen bei der Ernte, viele zeigen den Umriss des Landes, aus dem das Produkt kommt. Nur ein Wort ist auf allen Päckchen zu lesen: fair.

Seit 40 Jahren fair unterwegs

Die Kaffee-Auswahl im Eine-Welt-Laden in Neumarkt ist riesig. Vor allem aber wissen Kaffeetrinker: Egal für welche Sorte sie sich hier entscheiden, mit ihrem Kauf tragen sie zu gerechten Preisen und besseren Arbeitsbedingungen für die Kaffeebauern rund um den Globus bei.

Schon seit bald 40 Jahren verkauft Ruth Dorner fairen Kaffee in der Oberpfalz. Damals ist sie noch Studentin in Eichstätt und ihr Laden in Neumarkt eher ein Lager. "Mein Mann und ich haben uns Obstkisten besorgt und die so aufgestellt, dass es ein bisschen nach einem Geschäft ausgesehen hat", erinnert sie sich an die Anfänge im Kaplanshaus. Ein Elektro-Ofen sorgt für etwas Wärme in der klammen Kammer. Viel Platz haben sie nicht, müssen dafür auch keine Miete zahlen.

Das ist gut so, denn auch der Kundenkreis ist überschaubar. "Es wusste ja keiner, was ein Eine-Welt-Laden ist. Oder Fairtrade." Dorner betreibt weniger ein Geschäft, sondern vielmehr Aufklärungsarbeit. Immer mehr Menschen kaufen bei ihr ein, obwohl die Auswahl damals sehr klein ausfällt - und "die Qualität nicht besonders war", gibt sie zu. Die meisten kommen damals, "weil sie damit etwas Gutes tun".

Umzug in die Einkaufsstraße

Viele kaufen auch heute noch deshalb bei ihr ein. Doch müssen sie dafür nicht mehr in den Hof des Kaplanshaus. Vor zehn Jahren wagt der Eine-Welt-Laden einen großen Schritt in die Untere Marktgasse, die große Einkaufsstraße in Neumarkt. Seitdem muss das Geschäft genügend Umsatz machen, um auch die Miete zu stemmen.

Das bunte Geschirr aus Neumarkts Partnerstadt Drakenstein in Südafrika gefällt Ruth Dorner besonders. Künstler haben es gestaltet.

Das bunte Geschirr aus Neumarkts Partnerstadt Drakenstein in Südafrika gefällt Ruth Dorner besonders. Künstler haben es gestaltet. © Stefan Hippel, NNZ

Dabei hilft ein Sortiment, das weit über die klassischen Fairtrade-Produkte Kaffee und Schokolade hinausgeht. Hier können die Neumarkter Tee und Gewürze kaufen, Wein aus Drakenstein, der Partnerstadt in Südafrika, die Dorner schon besucht hat. Von dort stammt auch das bunte, von Künstlern gestaltete Geschirr, das sie besonders mag. Wer will, kriegt im Laden Kosmetik, zum Beispiel schwarze Seife, genauso wie fair hergestellte Fußbälle.


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Ruth Dorner aber weiß, dass allein mit den Produkten "so ein Laden nicht wirtschaftlich betrieben werden kann". Dafür sei die Gewinnmarge zu niedrig. Dass ihr Geschäft trotzdem geöffnet und sogar gut durch die Pandemie gekommen ist, hat sie etwas anderem zu verdanken: den ehrenamtlichen Mitarbeitern.

Dorner ist selbst eine davon, sie leitet das Geschäft seit vier Jahrzehnten ohne etwas dafür zu bekommen. Damit widerspricht sich die 61-Jährige allerdings selbst. Eigentlich findet Ruth Dorrner, dass ein Ehrenamt anders funktionieren muss. Viele Projekte können durch freiwillige Arbeit aufgebaut werden, sagt die Pädagogin und dreifache Mutter. "Aber irgendwann benötigt es Hauptamtliche, um die Ehrenamtlichen zu entlasten."

Die Freiwilligen müssen immer die Möglichkeit haben, sich auch mal zurückzuziehen. "Früher haben wir den Eine-Welt-Laden in den Sommerferien zugesperrt. Heute ist das unmöglich." Einige Mitarbeiter sind inzwischen in Mini-Jobs angestellt, "anders geht es nicht".

Vom OB zur Politik überredet

Ruth Dorner weiß, wovon sie spricht. Die Frau mit dem blumengemusterten Seidenschal ist viel mehr als die Leiterin des Eine-Welt-Ladens. Sie steht für Nachhaltigkeit genauso wie für Neumarkt. 14 Jahre lang ist sie hier Stadträtin, eine ganze Weile sogar Bürgermeisterin. Dabei muss sie zu ihrer ersten Kandidatur vom damaligen Oberbürgermeister überredet werden, "ich wäre nie in die Politik". Bei ihrer letzten Wahl erhält niemand mehr Stimmen als sie.

Auch weil Ruth Dorner nah an den Neumarktern dran ist. Sie kämpft für das Klima und für die Menschen. Die Agenda 21 wird ihr Thema, das Bürgerhaus ihre Aufgabe. Das entsteht, "weil uns ein Ort gefehlt hat, an dem sich Gruppen treffen". Also die, die etwas bewegen wollen. Heute ist im ehemaligen Schnapsmeier eine Begegnungsstätte entstanden, ein Treffpunkt für engagierte Menschen. "Noch immer kommen Vertreter anderer Städte und sehen sich unser Bürgerhaus an", sagt Dorner über das Vorzeigeprojekt, über das sie schon so oft referiert hat.


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Das tut sie völlig unaufgeregt und authentisch. Was sie anpackt, ist ihr wichtig, das dringt durch, auch ohne dass Ruth Dorner auf den Tisch haut. Als 2005 der zweite Versuch gestartet wird, in Neumarkt eine Bürgerstiftung zu installieren, ist sie es, die das Projekt voranbringt, in dem sie viele davon überzeugt. Läuft das Projekt, ist ihre Arbeit getan und sie zieht sich zurück.

Fast zumindest: Für die Bürgerstiftung gestaltet sie noch immer Plakate. Das kommt ihrer Leidenschaft immerhin nahe: Dorner malt gerne. Auch wenn sie nur selten dazu kommt. Schon für einen Einkauf muss die 61-Jährige viel Zeit einplanen, so viele sprechen sie unterwegs an. Ihre Töchter hat deshalb beschlossen, nicht mehr mitzukommen, weil ihre Mutter dann immer "langweilige Gespräche führt", erinnert sich Dorner und lacht.

Bewusst einkaufen und leben

Stolz sind ihre Kinder dennoch auf ihre Eltern, die viele der Projekte auch gemeinsam schaffen. Beim Seniorenverein Genial hat Dorners Ehemann Alois sie nun als Vorstand abgelöst. Und auch Ruth Dorner ist glücklich, wenn sie sieht, wie ihre Kinder leben, "wie sie bewusst einkaufen und leben".

Um noch mehr junge Menschen dorthin zu bringen, hat Ruth Dorner gerade erst wieder ein neues Projekt gestartet, die Akademie N: die Neumarkter Akademie für Nachhaltigkeit. Bei der können Schulklassen und andere Gruppen zum Beispiel ökologische Fußabdrücke erhalten, die Jugendlichen zeigen, was es für die Umwelt bedeutet, jedes Jahr ein neues Handy zu kaufen. Außerdem hat die Akademie Lehrpfade gestaltet, mit denen Kinder erfahren, welchen Weg ein fairer Fußball bei der Herstellung geht. Oder auch: fairer Kaffee.

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