Schatzsuche im eigenen Haus

19.11.2018, 20:40 Uhr
Schatzsuche im eigenen Haus

© Fotos (4): Stefan Hippel

Erobert Urgroßmutters Collier ein Sammlerherz? Hat der Maler jenes verstaubten Landschaftsbildes einen wertsteigernden Namen? Und wie viel mag das chinesische Teeservice einbringen? Eva Franke nimmt jedes private Fund- und Erbstück vom Dachboden unter die Lupe. Ein scharfes Auge, viel Erfahrung und umfangreiches Wissen sind der Kunsthistorikerin behilflich — und manchmal urteilt sie auch nach Gehör.

Unter dem Schlagwort "Experten bewerten" reiht sich eine Besucherschlange vor der Filiale von "My Place" in der Äußeren Bayreuther Straße auf, wo Eva Franke drei Stunden lang begutachtet und taxiert. Ihr zur Seite sitzt ihre Assistentin Elisabeth Jarikova mit geöffnetem Laptop, stets auf der Suche nach Signets, Künstlernamen und vergleichbaren Objekten. Die Kunden sind Paare oder Einzelpersonen ab 50 Jahren aufwärts.

Was haben wir da? Zum Beispiel einen Reservistenkrug aus Porzellan mit Zinndeckel, bemalt mit Reiterszenen und neckischen Reimen: "Wenn Ulanen attackieren, muss der stärkste Feind verlieren." Gut erhalten, indes bescheidet Eva Franke den Wert auf 150 bis 200 Ã, mehr nicht. Denn: "Vor 15 Jahren noch waren diese Krüge wesentlich teurer", informiert sie den Besitzer. "Aber die Sammler dafür werden weniger."

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Ein älteres Ehepaar bringt einen kleinen Schminktisch, eine "Psyche", wie der Fachmann sagt. Ein kleiner Kasten mit Schubladen, darauf ein Kippspiegel, der von zwei flankierenden Balustern gehalten wird. Schaut edel aus, könnte glatt aus dem Biedermeier stammen. Doch dagegen sprechen die beiden Stützsäulen. "Echtes Biedermeier wären zwei gerade Säulen", klärt die Expertin auf, "diese jedoch sind gedrechselt. Von daher fällt diese Psyche in die Zeit des Historismus, also so um 1860 bis 1880. Ein Wert von 80 bis 100 Ã."

Charmant enttäuscht

Wer da meint, Eva Franke urteile kritisch und grimmig, der irrt. Zwar muss sie die hohen Hoffnungen der meisten Besucher enttäuschen, doch sie tut es auf charmante Art. Das Stillleben mit Obst und Blumen ist das Werk eines Amateurmalers, keines Künstlers, das sieht man schon an der Tischkante, die nicht präzise konturiert ist, an der mangelnden Raumtiefe und Plastizität der Objekte. "Aber dekorativ ist es auf jeden Fall und passt in jedes Esszimmer", erklärt die Sachverständige. So geht zwar die Hoffnung auf hohen Geldwert verloren, doch der Wert des rein Dekorativen bleibt ungeschmälert.

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Ui, ein erotisches Weinglas! Auf dem Fuß des Glases balanciert eine hauchzarte Glasfigurine erkennbar weiblichen Geschlechts und reckt auf beiden Armen den Kelch empor. Damit hatten früher Junggesellen und alte Schwerenöter einander zugeprostet. "Ein Glas aus Lauscha, mundgeblasen, im Sechser-Set macht das 50 Ã", taxiert Eva Franke den Wert. Dann doch besser behalten und einen guten Tropfen stilvoll genießen!

"Da habe ich etwas ganz Besonderes ", raunt ein Besucher und präsentiert einen schwarzen Spazierstock. "Drehen Sie mal am Knauf!" Eva Franke dreht und zieht – und hält auf einmal einen spitzen Dorn in der Hand, eine Stichwaffe wie bei Miss Marple. "Den nehmen Sie mal gleich wieder mit", erklärt die Kunsthistorikerin klipp und klar. Waffen kommen ihr nicht auf den Tisch.

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Sonnenuhren prangen an Kirchtürmen und Rathausfassaden. Kleinere Exemplare passen auch in die Westentasche. Wie dieses Konstrukt aus metallenen Bögen, aufstellbarem Zeiger und Kompass. "Das gefällt mir sehr gut", urteilt Eva Franke, "ein schönes Spielzeug vom Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts im originalen Kästchen. Das dürfte 1000 bis 2000 Ã auf jeden Fall wert sein." Stolz packt der Besitzer die Sonnenuhr wieder ein.

Martialisch wie Darth Vader präsentiert sich die armlange Figur eines schwarzen Ritters im bronzenen Harnisch. "Sieht ganz nach Gründerzeit aus, diese Fantasierüstung", urteilt Eva Franke und klopft mit dem Fingernagel an der Gestalt. Und klopft noch mal an mehreren Stellen, lauscht und grübelt. "Was mich irritiert, ist der Klang. Bronze klingt viel tiefer." Weitere Hörproben ergeben: der angebliche Bronzeritter ist eine galvanisierte Plastik, also eine Blechfigur, die man mit Kupfer überzogen und patiniert hat. Bringt aber immer noch um die 300 Ã.

Das Schönste kommt zum Schluss: ein Gemälde mit der Heiligen Familie, der kleine Johannes der Täufer huldigt dem Jesusknaben und hat auch noch ein Lämmchen mitgebracht. Die Sachverständige gerät ins Schwärmen: "Das stammt aus dem 16. oder 17. Jahrhundert, aus dem italienischen oder süddeutschen Raum. Das hat schon Museumsqualität. Ich bin begeistert!" Zur genaueren Inspizierung macht Eva Franke mit dem Besucher einen Termin in ihrem Auktionshaus in Buchenbühl aus.

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