Schöne Bescherung für Flüchtlingsfrauen am Rangierbahnhof

27.12.2014, 07:59 Uhr
Schöne Bescherung für Flüchtlingsfrauen am Rangierbahnhof

© Foto: Michael Matejka

„Do you want soup?“ fragen zwei weißhaarige Seniorinnen Nuria, Jena und Bethy. Sie haben ihr Englisch herausgekramt, um mit den aus Äthiopien stammenden Frauen in Kontakt zu kommen. Mit dabei sind auch Frauen aus Aserbaidschan und der Ukraine, mit denen die Verständigung noch schwierig ist.

Sie leben seit einem halben Jahr in der Flüchtlingsunterkunft am Rangierbahnhof und nehmen an der gemeinsamen Weihnachtsfeier ihrer Frauencafé-Gruppe und der Seniorengymnastik-Gruppe von St. Emmaus in der Gartenstadt teil.

Jetzt sitzen alle ganz selbstverständlich beieinander, um Kaffee zu trinken, Plätzchen zu essen und um ein paar Worte miteinander zu wechseln. Für einen Moment wollen sie die schwierige Vergangenheit vergessen und die auch nicht ganz einfache gegenwärtige Situation. Gertrud Fischer (85) und Ursula Edenschink (66) finden es schön, dass so ein Treffen stattfindet.

Inge Spiegel, Gemeindereferentin der evangelischen Emmaus-Gemeinde, hatte das Treffen angeregt. Sie setzt sich für die Unterstützung der 86 Flüchtlinge am Rangierbahnhof ein und hat auch das Frauencafé für die Flüchtlingsunterkunft initiiert. „Wir müssen etwas für diese Menschen machen“, sagt sie und konnte die ganze Gemeinde davon überzeugen.

Gudrun Kroll (79) sitzt neben Bethy Tesfahunega und spricht mit ihr über deren Töchter, die bei der Oma in Addis Abeba bleiben mussten und die sie schrecklich vermisst. Die Seniorin hat schon private Hilfe organisieren können. So fanden ungenutzte Fahrräder freudige Abnehmer und auch Küchengeräte wie Kaffeemaschine und Mikrowelle konnte sie für die Asylunterkunft ausfindig machen. Nuria Mohamed erzählt von den 52 Sprachen, die man in Äthiopien spricht, und dass sie als Protestantin Weihnachten sehr gerne feiert.

Käthe Thakmann (52) gesteht, dass sie anfangs einige Berührungsängste hatte. Sie arbeitet als Reinigungskraft in St. Emmaus und setzt sich jetzt, wenn es ihre Arbeit zulässt, gerne zu den FlüchtlingsFrauen beim Mittwochstreff dazu. Sie freut sich, ihr verschüttetes Englisch zu reaktivieren. „Mich berühren die Schicksale sehr“, sagt sie.

Weil es für Gemeindereferentin Inge Spiegel eine Selbstverständlichkeit ist, die Frauen willkommen zu heißen, ist es das für viele Gemeindemitglieder anscheinend auch. Spiegel sieht sich als Vermittlerin. Sie organisiert und leitet nicht nur das Frauencafé, sie geht in die Unterkunft, macht Besuche und gibt ein Mal pro Woche Nachhilfe-Unterricht. Manchmal wird sie von Gemeindemitgliedern begleitet.

Annedore Adelhardth, Leiterin der Seniorengymnastik-Gruppe, berichtet von so einem Besuch, bei dem auch ihre Tochter und ihr Enkel dabei waren. Inge Spiegel erzählt, wie sie bei einem anderen Besuch spontan von einer syrischen Familie zum Essen eingeladen wurde. „Diese große Gastfreundschaft ist beeindruckend“, sagt sie. So versucht sie ebenfalls ein wenig Gastlichkeit zu vermitteln.

Etwas Abwechslung

Unterdessen nehmen Nuria Mohamed, Jena Denisa und Bethy Tesfahunega und andere Flüchtlinge aus der Unterkunft auch an einer Gesundheitsgymnastikgruppe teil, die ebenfalls von Annedore Adelhardt geleitet wird, den Frauen etwas Abwechslung verschafft und ihnen Gelegenheit gibt, ihr Deutsch zu verbessern. Dadurch, dass die Frauen im Gemeindezentrum gesehen werden, entstehen Berührungspunkte. „Wenn ich sowieso zur Seniorengymnastik gehe, dann kann ich auch ab und zu einen selbstgebackenen Kuchen für die Frauen mitbringen“, sagt Ingrid Höreth (79).

An Weihnachten soll es am Rangierbahnhof eine kleine Bescherung geben. Elisabeth Lipfert, Religionspädagogin an der Regenbogenschule, hat auf Anregung von Inge Spiegel mit Eltern und Schülern 86 Päckchen gepackt und Karten mit guten Wünschen geschrieben. „Wir wollen Kontakte zwischen den Menschen ermöglichen und außerdem den Protesten, die es gegen die Flüchtlingsunterkunft am Rangierbahnhof auch schon gegeben hat, etwas entgegensetzen“, sagt die Religionspädagogin.

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