Die Innenstadt läuft über

Schönes Wetter, neue Freiheiten: Trubel in Nürnbergs Innenstadt

13.6.2021, 16:30 Uhr
Seitdem die Indizidenzwerte auch in Nürnberg stark gesunken sind, herrscht in der Innenstadt wieder Trubel. Auf dem Tiergärtnertorplatz war am Wochenende viel los.     Foto: Moritz Schlenk                               

© Moritz Schlenk Seitdem die Indizidenzwerte auch in Nürnberg stark gesunken sind, herrscht in der Innenstadt wieder Trubel. Auf dem Tiergärtnertorplatz war am Wochenende viel los.     Foto: Moritz Schlenk                               

Freiheit schmeckt in der Nürnberger Innenstadt nach einer Eiskugel Blutorange-Mohn, Zitrone-Zimt, einem frischgezapften hellen Bier, einem kalten Grauburgunder Weißwein oder ganz klassisch nach "Drei im Weggla".

Die Innenstadt pulsiert wieder. Das hört, sieht und fühlt man. Mit sinkenden Inzidenzzahlen und in Folge der Lockerungen zieht es die Menschen merklich zur Stadtmitte hin. Sie genießen die für viele mittlerweile ungewohnte Atmosphäre, was bei einem Streifzug quer durch die Innenstadt deutlich wird.

Fußgängerzone rappelvoll

Die Karolinenstraße ist zur Nachmittagszeit rappelvoll. Während Jongleur Daniel drei weiße Keulen durch die Luft wirbelt, sitzt Luise ein paar Meter weiter und guckt seit 20 Minuten begeistert zu: "Da kann man noch einiges lernen", lacht sie. Die im Hintergrund vorbeiziehenden Menschenmassen irritieren sie eher: "Das fühlt sich schon komisch an, gerade dass so viele Menschen keine Masken tragen".

Von dem dichten Gedränge ist ein paar Meter weiter hinter der Lorenzkirche deutlich weniger zu spüren. Einige holen sich ein Eis, andere genießen die Nachmittagssonne auf der Terrasse eines Cafés. Etwas abseits genießen Charlotte und Sarah ihre letzten Löffel Eis im Becher. Charlotte ist extra aus Frankfurt angereist, um ihre Freundin übers Wochenende zu besuchen. Ihr erster "Kurzurlaub" sei das. Das dichte Treiben und Atmosphäre in der Innenstadt beschreibt sie als "komplette Reizüberflutung". "Daran muss man sich erst wieder gewöhnen", meint Charlotte. Sarah freut sich indes über ein wieder einkehrendes Freiheitsgefühl: "Nicht mehr auf die Uhr schauen zu müssen, genieße ich nach der langen Zeit der Ausgangsbeschränkungen".

Ansturm auf Tretboote

Auf der Wöhrder Wiese herrscht indes eine ausgelassene Stimmung. Etliche Gruppen haben es sich auf Picknickdecken bequem gemacht, vereinzelt wird Volleyball gespielt. Die vier Studierenden Sina, Jannik, Sebastian und Jana haben sich derweil in einiger Entfernung zu den sportlichen Aktivitäten auf Decken eingefunden. Allen vier hat der soziale Kontakt im vergangenen Jahr enorm gefehlt. "Da kommt jetzt schon wieder Energie zurück", meint Sina. Sobald die Klausuren vorüber sind, freue man sich auch mal wieder feiern zu gehen. "Aber geregelt und kontrolliert", meint Sebastian zur aktuellen Diskussion, ob denn auch wieder über Öffnungen von Diskotheken und Clubs nachgedacht werden sollte.

35 Tretboote

Ein paar Hundert Meter weiter tummeln sich auf dem Wöhrder See handgezählte 35 Tretboote auf dem in der Sonne schimmernden Wasser. Der Ansturm auf den Tretbootverleih sei ungewöhnlich hoch, meint Betreiber Shadi Mahin: "Die Leute wollen raus, das merkt man. Verglichen mit Wochenenden im vorletzten Jahr hat sich die Besucheranzahl verdoppelt".

Unter den Augen der patrouillierenden Bereitschaftspolizei wagen sich einige bereits ins kühle Nass der Norikusbucht. Unter den Badebegeisterten auch die Töchter von Barbara Fleischmann: "Wir sind heute das dritte Mal hier, es ist fantastisch mit den Kindern wieder rauszukommen".

"Bassd scho"

Zurück in die Innenstadt, hier hat sich Stefan zur Abendzeit gerade "Drei im Weggla" rot-gelb (Ketchup-Senf) geholt. "Bassd scho" lautet das vielsagende Urteil zum Getümmel. Neben zurückgewonnenen kulinarischen Erlebnissen war bei vielen auch die Vorfreude auf Kunst und Kultur enorm. So auch bei Fee Kuhn, die mit ihrem Begleiter bereits das zweite Mal seit Öffnung des Nürnberger Opernhauses am letzten Mittwoch zu einer Premiere vorbeischaut. "Wir sind ungemein kulturhungrig und haben uns direkt drei heiß begehrte Termine gekrallt", lacht Kuhn. Während die beiden im großen Saal mit begrenzter Ticketkapazität keine Bedenken haben, bevorzugt Birgit Waldmann doch die Freilichtbühne in der Katharinenruine. Für sie ist es heute Abend die erste Kulturveranstaltung seit den Öffnungen: "Ich freue mich, dass es jetzt endlich wieder losgeht, das Leben kehrt so langsam zurück".

"Leute haben Bock"

Mit zunehmender Stunde steigt auch die Polizeipräsenz in der Nürnberger Innenstadt. Davon ist am Hallertor jedoch noch nichts zu merken. Hier herrscht auf der weitläufigen Wiese unter den dichten Bäumen eine ausgelassene Stimmung. Aus den Boxen wummert Technomusik, vereinzelt spielen Grüppchen Trinkspiele. "Gelöst" beschreibt Sara, die mit Bruder John im vorderen Bereich auf einer Decke sitzt, die Atmosphäre. Die beiden lassen es eher gemütlich angehen. "Man merkt, dass die Leute Bock auf Kontakte haben, man kommt ungemein locker ins Gespräch", meint Sara. Ein paar Meter weiter sitzen Filippo und Nadine auf einer Decke, naschen Trauben und genießen ihren Grauburgunder Weißwein. "Noch mehr nach Freiheit schmeckt für mich nur ein kühles Helles", lacht Filippo. So richtig einlassen und genießen kann er die Atmosphäre noch nicht: "Die vielen Menschen fühlen sich schon komisch an".

Lateinamerika zum Ausklang

Weiter nördlich des Hallertors befindet sich mit dem Tiergärtnertor ein weiterer beliebter Sommertreffpunkt vieler Nürnbergerinnen und Nürnberger. Zu später Stunde herrscht noch immer dichtes Gedränge. Seit vergangenem Donnerstag gilt hier wie am Kornmarkt und am Köpfleinsplatz, außerhalb der gastronomisch genutzten Fläche ein Alkoholkonsumverbot. Vereinzelt sitzen dennoch Personen auf dem Kopfsteinpflaster und genießen einen Umtrunk.

Unweit dessen lassen auch im Burggraben gegen kurz nach zehn noch einige die laue Sommernacht ausklingen. Darunter Karen und Jürgen, die sich heute das erste Mal seit einem Jahr wieder gesehen haben. "Ein Fest ist das", meint Jürgen, der sich am meisten auf die wiedergewonnene aufkeimende Spontanität freut. "Einfach mal wieder auf ein kleines Konzert, darauf freu ich mich am meisten". Hinsichtlich der Musik muss er nicht einmal weit suchen. Im Tunnel des Tiergärtnertors hallen die lateinamerikanischen Rhythmen der selbsternannten "La Banda del Tunnel" um Renato Tejada durch die Nacht. Wie so oft in lauen Nürnberger Sommernächten bleiben auch heute wieder einige Begeisterte stehen. Sie genießen das in die Stadt zurückgekehrte Leben und die Freiheit, die hier nach einem Hauch von Lateinamerika klingt.

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