Schüsse am Tiergarten? Neuer Jägerstand sorgt für Ärger

9.1.2020, 05:36 Uhr
Schüsse am Tiergarten? Neuer Jägerstand sorgt für Ärger

© Rurik Schnackig

Die Spaziergängerin mit dem Jack Russell ärgert sich: "Erst habe ich gedacht, die bauen hier so etwas wie eine Futterkrippe hin", sagt sie. Dann hätte sie es noch in Ordnung gefunden, dass sich hier die dicken Reifen eines Pick-Ups durch das unwegsame Gelände abseits des Weges gekämpft haben. Doch als dann klar war, dass es sich um einen Jägerstand handelt, war ihr Verständnis dahin: "Warum kann man diesen Wald und uns nicht einfach in Ruhe lassen? Ich möchte nicht, dass hier rumgeballert wird, wenn ich mit meinem Hund spazieren gehe."

Eine weitere Hundehalterin kennt das Wäldchen seit ihrer Kindheit: "Wir haben da immer gespielt. Eine unglaubliche Idylle und keinerlei Gefahr," Jetzt fühlt sie sich weniger sicher. "Der Weg hier wird von vielen genutzt. Auch spätabends von jungen Leuten, wenn im Löwensaal Konzerte stattfinden. Wer garantiert, dass man da in der Dunkelheit nicht dem Jäger vor die Flinte kommt?"

Den meisten Befragten sind Fälle bekannt, bei denen es zu verhängnisvollen Fehlern kam. Ein großer Aufreger war, als im Jahr 2012 ein Jäger einen tödlichen Schuss auf eine Hündin in Rehhof abgegeben hat. Der Hundehalter stand damals in unmittelbarer Nähe des Hovawart-Weibchens.

Schwer zu übersehen

Der Jägerstand, oder auch die Jagdkanzel, wie der Sitz in Fachkreisen genannt wird, im Wäldchen am Tiergarten ist etwa sechs Meter hoch und in Holzbauweise errichtet. Der Turm steht auf vier massiven Pfosten. Allein durch seine Ausmaße und dadurch, dass der Wald hier ordentlich gelichtet wurde, ist es schwer, ihn zu übersehen.

Zuständig für den Wald sind die Bayerischen Staatsforsten, die das betroffene Areal aber verpachtet haben. Forstbetriebsleiter Johannes Wurm sieht die beachtliche Höhe der Kanzel zunächst mal als wichtiges Sicherheitsmerkmal: "Je höher der Stand ist, desto höher die Sicherheit." Der Jäger könne dann gegebenenfalls den Schuss in einem engeren Winkel abgeben. Ein weiteres Abprallen der Kugel scheide wegen des weichen Bodens aus.

"Das Reh ist sehr anspruchsvoll"

Wurm ist sich im Klaren, wie sensibel Gebiete wie dieses sind. Zu Waldgebieten, die nur einen Steinwurf von der Wohnbebauung entfernt sind, haben Anwohner eine beondere Beziehung. "Das ist alles sehr emotional – verständlicherweise", sagt Wurm. Gründe für die Jagd gebe es aber ebenfalls genug.

So berichtet der Forstbetriebsleiter von den jüngsten Erfahrungen in Rehhof und Fischbach. "Von dort rufen uns Leute an und beklagen, dass die Wildschweine sich bei ihnen im Garten herumtreiben und wir sollen dringend etwas dagegen unternehmen."

Insgesamt seien die Bedingungen für die Wildschweine gerade ideal. Der milde Winter und ein reich entsprechend gedeckter Tisch haben die Population nach oben schnellen lassen. In Mögeldorf ist es aber primär das Rehwild, das mehr Präsenz zeigt, als es den Verantwortlichen lieb ist. "Das Reh ist sehr anspruchsvoll, wenn es um seine Nahrung geht. Es pickt sich sozusagen die Rosinen heraus", sagt Wurm. Und die kürzlich erfolgte Umstrukturierung des Waldes, etwa mit Edelkastanien, biete dem Tier genau diese gewünschten Leckereien.

"Absolut zuverlässig"

Wurm geht davon aus, dass der Pächter "absolut zuverlässig" vorgeht und alle gegebenen Sicherheitsvorschriften einhält. Beispielsweise bei der Jagd nach Einbruch der Dunkelheit Nachtsichtgeräte einsetzt und möglichst nah am Jagdstand schießt.

Während die Jäger aktuell eine große Nachfrage nach Wildbret registrieren, wollen die meisten Anwohner nicht, dass ausgerechnet vor ihrer Tür ein Waldbewohner sein Leben lassen muss. "Kürzlich habe ich abends noch einen Schuss gehört", sagt eine Mögeldorferin, "ich war zu Hause, aber das ging mir durch und durch."

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