Mitten in der City

Sie kommen immer wieder: Hungrige Bienen fallen über Nürnberger Süßwarenstand her

17.9.2021, 16:37 Uhr
Seit Wochen werden die Verkäuferinnen in ihrem Stand mit Süßwaren regelmäßig von Bienen heimgesucht, die einfach nicht fernzuhalten sind.

© Michael Matejka, NNZ Seit Wochen werden die Verkäuferinnen in ihrem Stand mit Süßwaren regelmäßig von Bienen heimgesucht, die einfach nicht fernzuhalten sind.

So manches Lebkuchenherz musste sie schon wegwerfen, weil sich Bienen an der Verpackung und am Zuckerguss zu schaffen gemacht hatten - von all den anderen süßen Teilchen ganz zu schweigen, die Ursula Weiß und ihre Tochter Selina in der Karolinenstraße verkaufen. Fast noch schlimmer: Manche Kunden trauen sich zuweilen gar nicht mehr an den Stand, weil der von Bienen umschwirrt wird. "An manchen warmen Tagen verdienen wir erheblich weniger", wie die 53-Jährige sagt. Abgesehen davon, wie unangenehm es ist, in so einem Umfeld zu arbeiten.

Seit Wochen werden die beiden in dem Stand regelmäßig von Bienen heimgesucht, die einfach nicht fernzuhalten sind, obwohl die Inhaberinnen ihre Ware zwischenzeitlich mit Folie abdecken. Nützen tut es nichts. Die Bienen kommen immer wieder. Für Franz Mages ist die Erklärung einfach: "Die Bienen finden innerhalb der Stadtmauer keine Nahrung", sagt der langjährige Vorsitzender des Nürnberger Zeidlervereins. Die City sei "eine Steinwüste". Wilde Kräuter oder faulendes Obst gebe es dort einfach nicht.

18 bis 20 Bienenvölker in der Stadt

Mages schätzt, dass es etwa 18 bis 20 Völker in der Stadt gibt. Denn erlaubt ist die Haltung von Bienen in der Stadt, sie muss lediglich angemeldet werden, genehmigungspflichtig ist sie nicht. Die Zahlen variieren. Davon abgesehen ist sich Mages sicher, dass nicht jeder auch wirklich die Haltung anmeldet.

Es ist ein Dilemma. Hier, die Bienen, die keine Nahrung finden. Da Ursula Weiß, die bei gutem Wetter von den Bienen heimgesucht wird. "Bienen sind sehr vernünftig. Sie greifen ihren Vorrat für den Winter in der Regel nicht an", erklärt Franz Mages deren Vehemenz. Also gehen sie auf Nahrungssuche. Zudem hätten sie ein gutes Gedächtnis und kämen immer wieder so lange das Wetter mitspiele. Ein schwacher Trost für Ursula Weiß, denn selbst nach zehn Tagen Regen wissen die klugen Tierchen, wo sie wieder hin müssen, um fündig zu wissen.


Bedrohte Arten


Der Standinhaberin wäre es am liebsten, dass die Völker während der Sommermonate einfach jenseits der Innenstadt gehalten werden müssen. Doch dies geht rein rechtlich nicht. "Eine Genehmigung des Standortes ist nicht erforderlich. Deshalb kann eine Verlegung nicht gefordert werden", so Robert Pollack, stellvertretender Leiter des Nürnberger Ordnungsamtes. Im Gegenteil: Das „Stadtimkern“ zum Erhalt der Pflanzenvielfalt sei ja in der Stadt erwünscht.

Eigentlich sollten Bienen sich an Blüten satt essen können, doch wo das Nahrungsangebot fehlt, müssen dann künstliche Zuckerstangen reichen.

Eigentlich sollten Bienen sich an Blüten satt essen können, doch wo das Nahrungsangebot fehlt, müssen dann künstliche Zuckerstangen reichen. © Michael Matejka, NNZ

Zudem sei "auch gar nicht zu bestimmen, woher die Bienen in der Karolinenstraße kommen. Nachdem Bienen bis zu drei Kilometer zu den Nahrungspflanzen fliegen", so Pollack weiter. Die Frage ist nur, was sie hier sollten, wenn der Tisch an anderer Stelle reichhaltiger gedeckt ist als in der Fußgängerzone.

Bienen sind wichtig für die meisten Ökosysteme auf der ganzen Welt, da sie von Pflanze zu Pflanze fliegen, diese bestäuben und dadurch für eine reiche Artenvielfalt sorgen und diese erhalten. Auch Städte sind dafür gar nicht so ungeeignet, da es hier keine Monokulturen wie in ländlicheren Regionen gibt, auch kommen hier großflächig keine Pestizide zum Einsatz.

Hummelsteiner Park gut für Bienen

Franz Mages spricht davon, dass etwa der Hummelsteiner Park ein guter Ort für Bienen sei. Auch im Luitpoldhain fände sich eine riesige Anzahl an Pflanzen, so der 70-Jährige weiter, der sich seit über 35 Jahren mit dem Thema beschäftigt. In Industriegegenden fänden sich zudem auch viele Wildkräuter. Aber auch in Altenfurt oder Reichelsdorf seien die Strukturen ganz anders.

Das Problem sei die Innenstadt. Die Menschen könnten hier die landwirtschaftlichen Rahmen gar nicht schaffen, die Bienen brauchen. Obwohl im Frühjahr etwa die großen Bäume im Burggraben durchaus für ein Nahrungsangebot sorgen. Das reiche aber nicht aus, so Mages und zieht einen plastischen Vergleich. "Im Burggraben wächst zwar Gras, aber Kühe halten kann man dort eben trotzdem nicht." Wer Bienen halten wolle, müsse sich eben überlegen, wo. "Wer in der Innenstadt wohnt, kann ja seine Völker dennoch woanders halten."

Fühlen sich im Stich gelassen

Ursula Weiß bleibt unterdessen nichts anderes als auszuharren. Auch wenn sie sich vom Ordnungsamt im Stich gelassen fühlt. "Schließlich zahlen wir ja auch Platzgeld für den Stand." Doch die Bienenhaltung ist eben erlaubt. Auch Franz Mages sagt, dass er in diesem Fall nicht helfen könne. "Ich kann weder den Imkern sagen, sie sollen ihre Stöcke wegfahren, noch die Bienen mit Rauch vertreiben." Denn Bienen wüssten: Erst kommt der Rauch, dann das Feuer. Also fressen sie so viel wie möglich, um ihre Vorräte zu füllen...

1 Kommentar