Lärm unzumutbar? 

"Skandal ohnegleichen": Diese Nürnberger Baustelle treibt Anwohner in den Wahnsinn

8.7.2021, 18:44 Uhr

© Rurik Schnackig

Die Frage ist: Wie kann es gelingen, bei dieser Berichterstattung die gebotene Neutralität zu wahren? Beginnt man mit der Sicht des um Verständnis werbenden Montessori-Förderkreises oder lässt man gleich die aufgebrachten Anwohner zu Wort kommen?

Am besten fängt man mit dem an, was sich gerade unüberhörbar in den Vordergrund drängt. Und das klingt so: "Rumms ... rumms ... rumms" Mit nur etwa einer Sekunde Unterbrechung ist in der gesamten Dr.-Carlo-Schmid-Straße ein monotoner Schlag zu hören, wie von einem tonnenschweren Hammer. Wer auf Höhe der bestehenden Montessori-Schule steht, spürt sogar die Erschütterung unter den Füßen. In den Höfen, die zum Wiesengrund führen, verfängt sich der kurze Knall, wird mit einem Echo zurück geworfen.

"Wünsche werden wahr"

Aaron von Frantzky muss die Stimme heben, als er vor der bestehenden Schule den Baufortschritt erläutert. Auch die eigene Schule vor Ort sei unmittelbar von dem Lärm betroffen. Und dennoch spricht der geschäftsführende Vorsitzende davon, dass Wünsche gerade Wirklichkeit werden. Mit jedem Rammschlag rücke das Ziel näher, die lang ersehnte neue Schule und den Kindergarten vor Ort voran zu bringen.

"Es ist unerträglich"

Während er also gemeinsam mit dem Architekten Andreas Weingut und der Montessori-Sprecherin Christiane Kutz-Böhm die Baustelle erläutert, geht es in den sozialen Medien zur Sache. "Fahrt mal nach Jobst. Es ist unerträglich", teilt jemand via Facebook mit. Es interessiert ihn nicht, was Aaron von Frantzky gerade ausführt. Nämlich, dass hier Rammpfähle gesetzt werden müssen.

Noch drei Wochen aushalten

Der Boden habe nicht die nötige Tragfähigkeit, erläutert Architekt Weingut, daher müsse ein Drehbohrgerät mit den harten Schlägen für ein stabiles Fundament sorgen. Noch etwa drei Wochen, so sagt er, werde man mit den Stößen leben müssen. Diese erstrecken sich über den kompletten Arbeitstag der Bauarbeiter. "Die Baustelle ist aktuell kaum zu ertragen", sagt eine direkte Anwohnerin. "Und es ist ja gerade nicht die einzige: Wir haben jetzt die Baustelle an der Heinemannbrücke, am Businesstower gegenüber - und nun noch das."

Anwohner wollen sich wehren

© Rurik Schnackig

Aaron von Frantzky atmet kurz durch. Ihm ist klar, dass jetzt nicht der ideale Zeitpunkt ist, um einen weiteren großen Einschnitt für die Anwohner anzukündigen. Wiederum in den sozialen Medien macht er bereits seit einigen Tagen die Runde. "Ein Skandal ohnegleichen", schreibt jemand über Facebook. Im Nachbarschaftsforum "nebenan.de" regt sich ebenfalls Widerstand: "Das dürfen wir nicht hinnehmen! Bitte beschwert euch, wo es geht!"

Tunnel wird gesperrt

Das ist der Aufreger: Der Südzugang des Tunnels Ostbahnhof muss vom 23. Juli bis 12. November gesperrt werden, sagt von Frantzky. Grund ist die Erweiterung des Tunnels im Zuge der aktuellen Baumaßnahmen. Dieser soll künftig bis fast an die Straße führen. Heller, freundlicher und breiter als die bestehende Unterführung. Auf dem Tunnel werden dann begrünte Freiflächen liegen, kündigt Architekt Weingut an. Diese bilden den Schulgarten sowie die Verbindung zwischen dem neuen Element und den Bestandsgebäuden. Für die Öffentlichkeit soll das Ganze später zugänglich sein.

Weg wird zehn mal länger

Die Anwohner schätzen den in die Jahre gekommenen Tunnel als kurze Verbindung. Auf der gegenüberliegenden Seite am Ostbahnhof finden sich Ärzte, Apotheke und ein Biomarkt. "Gerade viele ältere Menschen aus dem Viertel nutzen hierfür die Abkürzung", sagt Anwohnerin Heike Hoffmann. Tatsächlich werden aus den 150 Metern durch die Unterführung für die Dauer der Sperrung 1,5 Kilometer, wenn man über den Thumenberger Weg ausweicht.

So erträglich wie möglich machen

"Wir wollen alles tun um die Sache so erträglich wie möglich zu machen", sagt Montessori-Sprecherin Christiane Kutz-Böhm. Daher habe man in Kooperation mit der VAG zum einen eine Rad-Station vor der Schule eingerichtet (auf der anderen Seite gab es bereits eine). Zudem werde der "Monti-Express", ein Shuttledienst, eingeführt. Halbstündlich soll ein Kleinbus kostenlos Anwohner von Montag bis Samstag zwischen 7.30 und 9.30 sowie von 12.30 bis 14.30 Uhr vom Nordausgang zum Südausgang und wieder zurück bringen.

Bisher eine gute Nachbarschaft

Für Heike Hoffmann kaum ein Trost. Sie versteht nicht, warum Anwohner bei den Planungen komplett außen vor gelassen wurden. "Ich bin der Montessori-Pädagogik gegenüber durchaus aufgeschlossen", sagt die Erzieherin, "und wir hatten bislang auch ein ganz gutes Nebeneinander. Aber erst die Bäume weg, dann der Lärm und jetzt die Tunnelsperrung - und wir werden immer erst vor vollendete Tatsachen gestellt, das kann's ja wohl nicht sein." Ihrer Meinung nach werde aus einem unschönen Tunnel durch Verlängerung keine schöne Unterführung.

Aufwertung für alle?

Mittlerweile haben die Verantwortlichen der Montessori-Schule eine Hotline eingerichtet. Unter Telefon 0911 58054747 und unter kommunikation@montessori-nuernberg.de will man Fragen beantworten. "Ich bin mir sicher, dass es nach Fertigstellung für alle hier letztlich eine Aufwertung wird", sagt Aaron von Frantzky mit Blick auf die Baustelle. "Mein Mann und ich haben uns auf zwei Wochen Urlaub zu Hause gefreut", sagt eine Anwohnerin und fasst sich wegen der Hammerschläge an die Ohren. "Für uns wird es erstmal die Hölle."

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