So hat sich das Treiben am Nürnberger Hauptbahnhof verändert

28.3.2020, 12:45 Uhr
Von Fahrgästen keine Spur: Die üblichen Stoßzeiten gibt es am Hauptbahnhof derzeit nicht.

Von Fahrgästen keine Spur: Die üblichen Stoßzeiten gibt es am Hauptbahnhof derzeit nicht.

"Fahren Sie nur, wenn es unumgänglich ist", so steht es auf den großen Anzeigetafeln in den Hallen des Nürnberger Hauptbahnhofs. Das klingt wie: "Kaufen Sie unsere Ware nur, wenn es unbedingt notwendig ist." Ein Unternehmen, das Kunden so auf Distanz hält, sägt am eigenen Ast.

Doch es sind besondere Zeiten mit Corona. Es ist ein Ausnahmezustand, den alle zu spüren bekommen. Zum einen gelten strenge Ausgangsbeschränkungen, zum anderen vermeiden viele von sich aus Begegnungen mit Menschen, um das Ansteckungsrisiko so gering wie möglich halten. Die Lust am Reisen ist den meisten auch so schon vergangen.

Weniger Fahrgäste, weniger Personal. Der Fahrplan im Fern- und Regionalverkehr wird weiter ausgedünnt. Kommt bei der DB jetzt die Kurzarbeit? "Kurzarbeit ist kein Thema – im Gegenteil. Wir halten heuer am Einstellungsziel von 25.000 neuen Kolleginnen und Kollegen im gesamten Konzern fest. Ebenso haben wir mit den Arbeitnehmer-Vertretern ein ,Eisenbahnerpaket‘ geschlossen, das eine Beschäftigungssicherung während und nach der Corona-Flaute vorsieht", erklärt ein Bahnsprecher auf Anfrage. Die aber hat den Hauptbahnhof jetzt voll erwischt.

Ein Knopfdruck und der Automat im Reisezentrum spuckt einen kleinen Zettel aus. Die Nummer 107 steht darauf, 107 Kunden haben an diesem Tag bis 16.54 Uhr also die Dienste der Mitarbeiter am Schalter in Anspruch genommen. "Extrem wenig", antwortet ein DB-Mann, den eine Plexiglasscheibe als Virenschutz vom Kunden trennt. "Um diese Uhrzeit haben wir normalerweise schon 1700 Fahrgäste bedient."

Die wenigen Menschen, die durch die Hallen und Gänge laufen, können sich problemlos aus dem Weg gehen und den geforderten Mindestabstand von 1,50 Meter einhalten. Selten ist hier so viel Platz. An einer Ecke in der Osthalle sitzt Elisabeth Miczka auf ihrem Rollator. Um öffentliche Sitzgruppen spannen sich Flatterbänder: Hinsetzen verboten. Sie schaut, verfolgt Passanten mit ihren Blicken. Sie müsse auch mal unter Leute, sagt die 76-Jährige. "Ich wohne in der Nähe, ganz alleine." Außerdem sei im Bahnhof der Fußboden so schön glatt und ohne Schwelle. Hier könne sie mit ihrem Beinleiden gut gehen und ihre Bewegungen trainieren, um mobil zu bleiben. Ob sie nicht Angst vor einer Ansteckung hat? "Ich schau schon, dass das Virus mich nicht erwischt."


Bahn testet neue Fenster für verbesserten Handyempfang


Die öffentlichen Toiletten von "Sanifair" auf der Galerie des Bahnhofs im ersten Stock sind geöffnet. Hier gibt es wohl die einige Sitzgelegenheit im gesamten Gebäude. Eine Frau mit Mundschutz wartet auf der Bank auf ihre Schwester. Für den Toilettengang muss man einen Euro in den Münzschlitz werfen. Ein Mann ignoriert das, kriecht unter dem Drehkreuz hindurch und sagt: "Ich liefere an, für mich kostet das nix". Die Frau schüttelt den Kopf. "Wenn’s erwischt wern, krings eine auf‘n Deggl", fränkelt sie hinterher, mit jedem Wort rutscht ihr Mundschutz dabei hoch und runter. Ein paar Meter weiter an der Brüstung guckt ein älterer Herr mit seinem Enkelkind in die Mittelhalle hinab. Er schimpft, dass das mit der "Ausgangssperre" so nicht mehr weiter gehen könne und deutet auf fünf Polizisten, die im Pulk durch die Halle streifen und nach unten in die Königstorpassage marschieren. "Und was ist mit der Ansteckungsgefahr bei denen?", fragt er und winkt ab.

Rückgang aller Straftaten

Es sind Beamte der Bereitschaftspolizei. Die der Bundespolizei, die eigentlich für die öffentliche Sicherheit im Hauptbahnhof zuständig sind, streifen in Zweier-Teams durch das Gebäude. "Kriminelle beschäftigen uns hier nach wie vor. Körperverletzungen, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, Eigentumsdelikte – das geht quer durchs Strafgesetzbuch", sagt Bernhard Turba, Sprecher der Bundespolizeiinspektion Nürnberg. "Insgesamt betrachtet ist aber seit der Ausgangsbeschränkung ein Rückgang aller Straftatbestände festzustellen."

Isabella De Luca und Michael Körber waren in Panama. Ihr Rückflug wurde gestrichen, die Rückholaktion der Bundesregierung war für die beiden Fürther die Rettung.

Isabella De Luca und Michael Körber waren in Panama. Ihr Rückflug wurde gestrichen, die Rückholaktion der Bundesregierung war für die beiden Fürther die Rettung. © Foto: Stefan Hippel

Ein Pärchen mit Rucksäcken geht zielstrebig zum Brezen-Laden in der Mittelhalle. Es ist der erste Weg, den Isabella De Luca und Michael Körber nehmen, eben sind sie mit dem ICE aus Frankfurt am Main angekommen. "Wir haben uns so auf eine Laugenbreze gefreut", sagt die 27-Jährige. Auch Heimatliebe geht durch den Magen. Die beiden Fürther kommen direkt aus Panama. Eigentlich hätten sie schon am 16. März ankommen sollen, an diesem Tag wäre ihr Urlaub regulär zu Ende gegangen. Doch dann mussten die zwei unfreiwillig verlängern: Die Lufthansa strich alle Flüge, das Hotel, in dem sie logierten, musste wegen der Corona-Pandemie schließen. "Wir mieteten uns dann über Airbnb eine Wohnung", sagt De Luca. Aus zwei Wochen Aufenthalt wurden dreieinhalb. Das ging ins Geld. Dann kamen in Panama Ausgangssperren: Erst mussten die Menschen dort um 21 Uhr spätestens in ihren Häusern sein, am Ende durfte man zum Einkaufen nur noch zwei Stunden am Tag nach draußen. "Das Leben war sehr eingeschränkt." Am Donnerstag bestiegen De Luca und Körber in Panama-City schließlich eine Boeing 747, ein Flug im Rahmen der Rückholaktion der Bundesrepublik.



Am Zugang zum Bahnhofsparkhaus sitzt ein Pförtner vor vier Bildschirmen, die nochmals in kleiner Bildquadranten unterteilt sind: für jeden Winkel eine Kameraperspektive. Beton-Grau dominiert die Monitore. Nur in einigen wenigen Gevierten ist der Farbtupfer eines Autos zu sehen. "Das Gebäude ist fast leer", sagt der Mitarbeiter. Viel zu tun gebe es nicht, er erledige jetzt aber die Dinge, die sonst liegen bleiben.


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