Freiluftfeiern mit Folgen

Sommer in Nürnberg: Polizei kämpfte gegen eskalierende Partys - "Greifen konsequent durch"

18.9.2021, 05:58 Uhr
Partys im öffentlichen Raum: In den zurückliegenden Wochen pulsierte in der Stadt das Nachtleben auf Straßen und Plätzen. Das Foto zeigt eine friedliche Zusammenkunft auf dem Köpfleinsberg in Nürnberg im vergangenen Jahr.

© Stefan Hippel, NNZ Partys im öffentlichen Raum: In den zurückliegenden Wochen pulsierte in der Stadt das Nachtleben auf Straßen und Plätzen. Das Foto zeigt eine friedliche Zusammenkunft auf dem Köpfleinsberg in Nürnberg im vergangenen Jahr.

"Es wird einige Tage dauern, um den ganzen Vorfall aufzuarbeiten." Das sagte ein Polizeisprecher am 6. Juni dieses Jahres mit Blick auf eine nächtliche Feier mit Randalen auf dem Kornmarkt. Dabei flogen auch Flaschen gegen Polizeibeamte, zwei Einsatzkräfte wurden schwer verletzt. Es war erst der Anfang einer Reihe an Freiluftpartys im Stadtzentrum, die vor allem an den Wochenenden stiegen. Die Polizei zieht nun mit Beginn des Herbstes Bilanz. Gerade an den Wochenenden hat es pro Tag teils deutlich mehr als 1000 Einsätze in Mittelfranken gegeben, heißt es im Polizeipräsidium. Den größten Anteil nehmen Delikte wegen Ruhestörung ein. "An einem exemplarischen Wochenende im Juni gingen in der mittelfränkischen Einsatzzentrale mehr als 450 Anrufe alleine wegen Ruhestörung ein." In diesem Zusammenhang seien die Einsatzzahlen 2021 im Vergleich zu 2019 - also vor Ausbruch der Pandemie - um rund zehn Prozent gestiegen.

Gegröle und wummernde Musikboxen

Das hat auch seinen Grund: Wegen geschlossener Clubs und Einschränkungen in der Gastronomie suchten vor allem junge Menschen Plätze und Parks auf, um teils ausgelassen feiern zu können. Schwerpunkte hat die Polizei in den Städten festgestellt, in Erlangen, Fürth und besonders in Nürnberg. In vielen Fällen kippte die Stimmung, alkoholbedingt, ab 23 Uhr, nachdem Bars, Kneipen und Lokale - wie es die Auflage vorsieht - dicht gemacht hatten. Viele Leser haben sich in den vergangenen Wochen auch an unsere Redaktion gewandt, um ihrem Ärger über nächtliches Gegröle, Geschrei wummernde Musikboxen und klirrende Flaschen Luft zu verschaffen.

Andrea Sabor gehört dazu. Sie wohnt seit mehr als 20 Jahren in der Kaiserstraße im Zentrum Nürnbergs. Eines nachts an einem Augustwochenende schreckte "sehr laute Musik und unheimlicher sonstiger Lärm" die Anwohnerin aus dem Schlaf. Ihr sei es mittlerweile "peinlich" deswegen immer wieder die Polizei anzurufen. "Nachdem der Lärm aber so anhaltend war, haben wir dann doch mal wieder die 110 gewählt. Die Polizei hat uns mitgeteilt, dass sie mit allen Kräften vor Ort ist und versucht, den Mob aufzulösen."

"Wir greifen konsequent durch"

"Wir wollen nicht als Spielverderber auftreten. Wenn aber Straftaten im öffentlichen Raum das Sicherheitsgefühl beeinträchtigen oder gar Einsatzkräfte angegriffen werden, greifen wir konsequent durch", erklärt der leitende Polizeidirektor Herbert Donner, zuständig im Präsidium für Ordnungs- und Schutzaufgaben.

Ausgangspunkt waren die brutalen Ereignissen vom 6. Juni. In dieser Nacht zum Sonntag war die Stimmung nach 23 Uhr alkoholbedingt aufgeheizt. Ein Mann schlug eine Frau, die Polizei versuchte den Verdächtigen festzunehmen. Doch dann wurden die Beamtinnen und Beamten selbst zur Zielscheibe, es flogen Flaschen aus der Menge. Weitere Kräfte aus anderen Dienststellen rückten an, gegen 4.30 Uhr räumten die Polizisten den Kornmarkt komplett. Zwei Einsatzkräfte wurden durch Flaschen am Kopf getroffen, ein Beamter erlitt eine Kopfplatzwunde. Am Ende hatten die Beamten 13 Verdächtige in Gewahrsam genommen und leiteten Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ein.

Im Nachgang wollte die Stadt solchen Eskalationen buchstäblich den Nährboden entziehen: Die Verwaltung erließ als Antwort auf die Ereignisse vier Tage später ein Alkoholkonsumverbot von 20 Uhr bis 4 Uhr auf dem Kornmarkt, Tiergärtnertorplatz und Köpfleinsberg. Das Verbot gilt aber nicht innerhalb festgelegter Ausschankflächen in diesen Bereichen. Hat das gewirkt? Bereits eine Woche später, in der Nacht zum 13. Juni, kam es zur nächsten massiven Auseinandersetzung. Die Polizei setzte wieder Schlagstöcke und Pfefferspray ein - 15 Feiernde wurden verletzt. Am Sonntagmorgen nach 4 Uhr räumte die Polizei erneut den Kornmarkt.

Angreifer kamen in Gewahrsam

Die Lage schien sich in den folgenden Wochen dann etwas beruhig zu haben, sicher auch, weil die Polizei die Zahl ihrer Einsatzkräfte aufstockte. Einen heftigeren Einsatz hatte die Einsatzleitung noch einmal in der Nacht zum 22. August, der Nacht, in der Anwohnerin Andrea Sabor nach 2 Uhr aus dem Schlaf gerissen wurde: 300 Menschen versammelten sich im Bereich Köpfleinsberg und Kaiserstraße. Die Polizei stellte eine dröhnende Musikbox sicher. Doch dann attackierten zwei polizeibekannte Männer die Einsatzkräfte, ein Beamter wurde verletzt, die Angreifer kamen in Gewahrsam.

Zeichnet sich jetzt eine Entspannung der nächtlichen Situation ab? Polizeisprecher Marc Siegl hat da Zweifel: "Nach wie vor wird der öffentliche Raum stark genutzt, insbesondere am Wochenende. Mit der schrittweisen Öffnung und der Wiederaufnahme von Veranstaltungen ist aber auch ein leichter Rückgang dieser Nutzung festzustellen. Von den Verhältnissen vor der Pandemie sind wir jedoch noch weit entfernt."