Büffeln in den Ferien

Sommerschule: Top oder Flop?

2.8.2021, 16:00 Uhr
Auch in den Sommerferien geht es für einige Schülerinnen und Schüler in die Schule. Aber nicht für alle. 

© Julian Stratenschulte, dpa Auch in den Sommerferien geht es für einige Schülerinnen und Schüler in die Schule. Aber nicht für alle. 

Die Sommerschule ist ein Teil des Projektes "gemeinsam.Brücke.bauen" des bayerischen Kultusministeriums. Ob eine Sommerschule in den Ferien angeboten wird, entscheiden die Schulen selbst. An wie vielen Standorten es die Sommerschule in Bayern gibt und wie die Nachfrage der Schülerinnen und Schüler danach ist, konnte das Bayerische Kultusministerium auf Anfrage unserer Zeitung nicht sagen. Man erhebe darüber keine Zahlen, hieß es.

Wie berichtet, ist das Projekt Sommerschule umstritten. Lehrerverbände hatten nachhaltigere und verpflichtende Konzepte gefordert. Nun kam in einer nicht repräsentativen Umfrage des Bayerischen Elternverbandes (BEV) unter Elternbeiratsvertreterinnen und -vertretern heraus, dass die meisten Eltern von den Zusatzangebot überhaupt nichts wussten. 92 Prozent der Befragten gaben an, dass an ihrer Schule der Bedarf an einem Nachhilfeangebot in den Sommerferien gar nicht abgefragt worden war.

Laut Simone Fleischmann, Vorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), haben viele Schulen den Bedarf allein deshalb nicht nachgefragt, weil sie wussten, dass sie kein Personal für die Sommerschule mehr bekommen würden. Zudem sei es nicht möglich, sagt Fleischmann, in 14 Tagen die Lernlücken zu schließen, die im Laufe von fast zwei Jahren entstanden sind. Selbst bis Weihnachten sei das utopisch. Das aufzuholen, was während der Pandemie verloren gegangen ist, werde Fleischmann zufolge mindestens drei bis fünf Jahre dauern.

Angebot für die Falschen?

Auch die freiwillige Teilnahme an der Sommerschule sorgt bei vielen für Kritik. "Es werden vor allem die Kinder, deren Eltern im Bereich Bildung eh schon ehrgeizig sind, in den Sommerschulen sitzen", sagt Henrike Paede, stellvertretende Vorsitzende des BEV. So könne die versprochene Hilfe des Kultusministeriums überhaupt nicht bei den Schülerinnen und Schülern ankommen, die sie tatsächlich brauchten.

Und die Probleme gehen weiter. Der BEV hat in seiner Umfrage wissen wollen, warum einige Schulen keine Sommerschule anbieten. Einige gaben an, dass es am Lehrpersonal fehle und Lehrkräfte für die Sommerschule auf die Schnelle eben kaum zu rekrutieren gewesen seien. Laut Fleischmann hätten viele Stammlehrkräfte abgesagt, weil die Bezahlung "dreist" und ihre Kapazitäten nach dem Corona-Schuljahr einfach "aufgebraucht" waren. Auch diese Aussage spiegelt sich in der Befragung des BEV wieder. Zahlreiche Schulen hatten dort angegeben, dass ihnen das Budget des Kultusministeriums für die Sommerschule nicht ausreiche.

Das Geld sei in Nürnberg nicht das Problem gewesen, erklärt indes Schulamtsleiter Thomas Reichert. Alle Anträge der Schulen im Stadtgebiet für Sommerprogramme seien genehmigt worden. Sehr viele Schulen böten ein Nachhilfeangebot. Doch ganz so unproblematisch, wie Reichert die Situation schildert, scheint es auch in Nürnberg nicht zu laufen.

Wenig Teilnehmerinnen und Teilnehmer

Denn: Die Nachfrage nach der Sommerschule ist bayernweit, und damit auch in Nürnberg, eher gering. An der Kopernikusschule, einer Grundschule im Stadtgebiet, werden von knapp 520 Schülerinnen und Schülern lediglich 24 an dem Angebot teilnehmen, erzählt Schulleiterin Sigrun Hippelein. Dort findet das Zusatzprogramm in der ersten Sommerferienwoche statt. Ein Grund für die geringe Teilnahme sieht Hippelein in den Urlaubsplänen der Eltern: "In den Pfingstferien wäre die Teilnehmerzahl wohl höher gewesen."

Eine geringe Nachfrage nach Zusatzunterricht in den Ferien zeigt sich auch an der Peter-Vischer-Schule. Die bietet gemeinsam mit dem Labenwolf-Gymnasium eine Sommerschule in den letzten beiden Ferienwochen an. Von insgesamt rund 1900 Schülerinnen und Schülern beider Schulen werden nur 62 das Angebot annehmen. "Ich habe sogar mit noch weniger gerechnet", erklärt Schulleiterin Sandra Bergmann von der Peter-Vischer-Schule. Für den Unterricht in den Ferien wurden hauptsächlich Studierende angeheuert.

Dieses Vorgehen sieht Fleischmann vom Lehrerinnen- und Lehrerverband kritisch. Mit Studierenden könne man zwar ein cooles Sommerferienprogramm machen, allerdings keine Kompetenzen aufholen. "Da stellt sich mir die Frage, ob es den Kindern nicht mehr bringt, zu den Großeltern zu fahren oder zwei Wochen Fußball zu spielen", sagt Fleischmann.

Mehr Etat, größeres Angebot

Auch am Neuen Gymnasium Nürnberg (NGN) kommen in der Sommerschule vor allem Studierende zum Einsatz. Hier wird es am Ende der Ferien eine Woche Förderunterricht geben. Hauptsächlich setzt die Schule dafür eigenes Personal ein. Mit mehr Etat für Stammlehrkräfte, wäre noch mehr möglich gewesen, erklärt Schulleiter Harald Fischer. Bereits im vergangenen Jahr gab es eine Sommerschule am NGN. Fischer rechnet damit, dass etwa 100 Schülerinnen und Schüler die Sommerschule des NGNs besuchen werden, so wie das auch im vergangenen Jahr der Fall war.


Pool-Testungen an Bayerns Schulen werden kommen. Nur wann?


Ob die Sommerschule also wirklich dazu taugt, vorhandene Lerndefizite der Schülerinnen und Schüler auszuräumen, stellen nahezu alle der bayerischen Lehrerverbände in Frage. Sie vermissen konkrete Konzepte, gezielte Möglichkeiten der Förderung für die Kinder und Jugendlichen mit Wissenslücken. Und, dass diese Förderung sich auch in Stundenkonzepten niederschlägt, denn sie braucht Zeit.

Schulamtsleiter Thomas Reichert setzt in Bezug auf diese Ziele auf das kommende Schuljahr. Dann, so hofft er, wird gezielte Förderung der einzelnen Schülerinnen und Schüler möglich sein. In der dritten Phase des Gesamtprojektes "gemeinsam.Brücken.bauen" sollen nämlich laut Kultusministerium gezielt Lernrückstände analysiert und entstandene Lücken geschlossen werden. Wie das Angebot aber genau aussehen soll und ob dafür gesonderte Lehrerstunden vorgesehen sind, ist bisher völlig unklar. Ebenso wie sich der Unterricht gestalten wird, denn nicht alle Schulen verfügen über Luftfilter und auch die Sache mit den Pooltests ist noch nicht flächendeckend entschieden.

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