Stadt ist in Sorge: Droht Nürnberg ein Disco-Sterben?

22.6.2020, 10:07 Uhr
Stadt ist in Sorge: Droht Nürnberg ein Disco-Sterben?

© Foto: Michael Matejka

Wie ist die Stimmung unter den Betreibern der Bars, Clubs und Diskos, Herr Fraas?

Michael Fraas: Die Stimmung ist schlecht. Diese Branche ist am längsten vom Lockdown betroffen, den teilweise erheblichen Fixkosten stehen keinerlei oder sehr geringe Einnahmen gegenüber, die Liquidität nimmt ab. Es gibt noch keine Perspektive, in absehbarer Zeit wieder zu einem "normalen" Club-, Bar- oder Diskothekenbetrieb zurückkehren zu können. Seit dem 30. Mai sind Innen- und Außengastronomie zugelassen, aber Nacht- und Szene-Gastronomie profitieren davon kaum. Sie haben nur eine geringe Außengastronomie und geringe Innenflächen. Partys oder Tanzveranstaltungen sind unter Abstandswahrung kaum durchführbar.

Wie viele befinden sich deswegen in finanziellen Schwierigkeiten?

Fraas: Nach allen Rückmeldungen, die wir haben, ist ein großer Teil der Betriebe durch die Einnahmeausfälle in finanziellen Schwierigkeiten. Genaue Zahlen sind allerdings nirgends erfasst.

Stadt ist in Sorge: Droht Nürnberg ein Disco-Sterben?

© Foto: Axel Eisele

Wie viele Betriebe sind im Stadtgebiet im Bereich Nachtleben tätig?

Fraas: Eine annähernd genaue Größenordnung der Nacht- und Gastroszene lässt sich in Nürnberg – wie in allen deutschen Großstädten – nicht erheben, da sie in ihrer Ausprägung sehr vielfältig ist und nicht gesondert in der Statistik ausgewiesen wird. Die Kulturliga, ein Zusammenschluss von Spielstättenbetreibern aus Nürnberg, Fürth und Erlangen, stellt mit ihren zwölf Mitgliedern nur einen Teil der Szene dar. Weitere Zahlen liegen im Detail nicht vor. Jedenfalls gibt es in Nürnberg derzeit rund 2800 Gastronomiebetriebe. Auch Hotels mit Ausschank werden hierzu gezählt.

Das tut die Stadt Nürnberg für Discos

Warum weiß man so wenig vom Nachtleben?

Fraas: Die Basis der Nutzungsfestlegung sind vor allem die Baugenehmigung, die Gewerbeanmeldung und die Gaststättenerlaubnis. Aus ihnen lässt sich nur sehr grob eine bestimmte gastronomische Nutzungen herauslesen, die Daten enthalten auch keine zeitliche Zurechenbarkeit. Deswegen kann keine Abgrenzung von Tag- und Nachtökonomie oder von Angebotsarten hergestellt werden.

Was tut die Stadt, um zu helfen?

Fraas: Wir unterstützen die von der Corona-Krise unmittelbar betroffenen Betriebe, vor allem im Abgabenbereich durch Stundungen fälliger Gewerbesteuerzahlungen. Grundsteuern werden beim Kassen- und Steueramt für 2020 ebenfalls zinslos für mindestens drei Monate gestundet. Dies alles auf Antrag. Die Wirtschaftsförderung Nürnberg bietet Beratung sowie Informationen über Unterstützungsmöglichkeiten von Bund, Freistaat und Stadt für alle Unternehmen, Freiberufler und Selbstständige, auch auf der Homepage www.wirtschaft.nuernberg.de.

Die Gastronomie in Nürnberg insgesamt ist für das ganze Jahr von den Sondernutzungsgebühren für Freischankflächen befreit. Inzwischen führen wir mit Vertretern der Club-, Diskotheken- und Barszene Gespräche, um diesen Betrieben Freischankflächen zu ermöglichen. Es geht hier nicht etwa um Freiluft-Diskotheken oder -Bars, sondern schlicht um Tisch- und Stuhl-Aufstellungen im Öffentlichen Raum, an denen dann die Gäste bewirtet werden können. Das ist nicht das typische Geschäft von Clubs oder Diskotheken. Aus der Szene kommt aber der Wunsch, bei ihrer Kundschaft jetzt einfach Präsenz zu zeigen.

So wichtig ist das Nachtleben und Discos für Nürnberg

Was bedeutet es für Nürnberg, wenn es auf absehbare Zeit kein Nachtleben gibt?

Fraas: Die Anzahl und Vielfältigkeit von Angeboten zum Nachtleben gilt als ein bedeutsamer Indikator für die Attraktivität einer Stadt als Wohnort, Hochschul- und Ausbildungsort und Tourismusziel. Zugleich bewirken geändertes Ausgehverhalten und die zunehmende Bedeutung des öffentlichen Raums als zentraler Treffpunkt, dass die Stadt in den Abend- und Nachtstunden nicht "still steht", sondern als lebendig erlebt wird.

2016 wurden Reisemotiv und Reiseverhalten von Touristen ermittelt, im Auftrag der Congress- und Tourismuszentrale Nürnberg. Danach nahmen rund 24 Prozent der befragten Gäste am Nachtleben teil. Damit lag der Bereich "Bars/Diskotheken und Nachtleben" innerhalb der Top Ten der Aktivitäten der Nürnberg-Touristen. 20 Prozent der Befragten gaben an, dass das Veranstaltungs- und Unterhaltungsangebot entscheidend für die Auswahl Nürnbergs als Städtedestination war.

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