Stadt klagt: Flüchtlingsmieten sind obszön hoch

9.2.2018, 05:57 Uhr
Stadt klagt: Flüchtlingsmieten sind obszön hoch

© Foto: Stefan Sauer/dpa

Die Einquartierung in so manchem Hotel wäre vermutlich günstiger gewesen. Eine vierköpfige Flüchtlingsfamilie bewohnt zusammen ein Zimmer einer Gemeinschaftsunterkunft in der Südstadt. Kürzlich ging ihr ein Bescheid des Sozialamts mit der Mitteilung zu, dass von den monatlich anfallenden Mietkosten von 3416 Euro das Jobcenter nur 2520 Euro übernehmen könne. "Den auf Sie entfallenden Restbetrag in Höhe von 896,00 Euro überweisen Sie bitte auf das angegebene Konto . . .".

Sozialamtschef Dieter Maly räumt ein, dass ihm solche Fälle ausgesprochen unangenehm sind. Gleichzeitig verteidigt er das Vorgehen. Die Stadt lege die tatsächlich anfallenden Kosten um, "weil wir sonst darauf sitzenbleiben". Dass Gemeinschaftsunterkünfte Ende 2015 zu obszön hohen Preisen gemietet wurden, "war der Not geschuldet, die sich auch in Vermieterkreisen rumgesprochen hatte".

Viele anerkannte Asylbewerber finden auf dem freien Markt nichts

Seit der Zustrom der Flüchtlinge deutlich nachgelassen hat, versucht die Stadt, die überteuerten Unterkünfte möglichst schnell loszuwerden. 25 Mietverträge sind laut Maly inzwischen wieder gekündigt. Für sogenannte Fehlbeleger in Gemeinschaftsunterkünften, die von Monatsmieten von bis zu 854 Euro pro Person betroffen sind, sucht die Stadt mit Hochdruck eigene Wohnungen. Maly: "Wir versuchen, das im Einzelfall zu lösen."

Bei den Fehlbelegungen selbst handelt es sich allerdings keineswegs nur um Einzelfälle. Von den derzeit in Nürnberg lebenden 7200 Flüchtlingen sind laut Maly 4400 Personen in dezentralen städtischen Unterkünften untergebracht. Rund 2000 davon haben ihr Asylverfahren erfolgreich beendet, müssten eigentlich in eigene Wohnungen umziehen, finden auf dem freien Markt aber nichts.

Für alle Betroffenen, die noch keine Arbeit haben, übernimmt die Unterkunftskosten das Jobcenter. Wer Einkünfte hat, muss mit diesen – abzüglich gesetzlich geregelter Freibeträge und des im Sozialgesetzbuch II festgeschriebenen Regelbedarfs – für die Miete aufkommen. Den Rest trägt auch hier das Jobcenter.

"Vier oder fünf Fälle", sagt Maly, seien ihm bekannt, in denen Flüchtlinge so gut bezahlte Arbeit gefunden hätten, dass sie die tatsächlich bis über 800 Euro pro Person hohen Mieten selbst tragen müssen.

Der Bayerische Flüchtlingsrat hält die Nürnberger Praxis für rechtlich nicht haltbar. "Das gehört abgeschafft und eine eigene Satzung erlassen", sagt Sprecher Alexander Thal. Andere kreisfreie Städte – unter anderem Erlangen, Fürth und München – haben in solchen Satzungen die Gebühren für Fehlbeleger geregelt und sich dabei meist an den vom Freistaat für staatliche Unterkünfte festgelegten Sätzen orientiert. Alleinstehende zahlen demnach 278 Euro pro Monat, zuzüglich Strom, Angehörige 97 Euro.

Auch die Stadtrats-Grünen sowie die Linke Liste fordern, dass sich Nürnberg diesem Beispiel anschließt. Beide haben entsprechende Anträge eingereicht.

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