Stadt sucht Bauland: Kleingärtner sorgen sich um Anlagen

22.1.2019, 05:50 Uhr
Stadt sucht Bauland: Kleingärtner sorgen sich um Anlagen

© Günter Distler

Von "Kungeleien und Absprachen in Hinterzimmern" schreibt Manfred Riebe, er macht eine "schwere Verletzung von Grundrechten" aus. Sein Kommentar - einer von Hunderten - steht unter der Petition "Kleingartenanlage Grimmstraße in Nürnberg darf kein Bauland werden". Seit Anfang Dezember wehren sich die Unterstützer dagegen, dass die Anlage im Stadtteil Erlenstegen mit ihren zwölf Parzellen aufgegeben wird, dass dort eine Kita mit Senioren-Tagespflege entstehen soll. "Nur durch Zufall haben wir diese Information überhaupt bekommen", sagt Barbara Schieder, die die Petition ins Leben gerufen hat, "sonst hätte kein Mensch von den Plänen der Stadt erfahren." Die Anwohnerin ist davon überzeugt, dass das Bauvorhaben "das Viertel kaputt macht".

Fast 8500 Parzellen gibt es in Nürnberg, die meisten davon befinden sich im Süden der Stadt. Geht man davon aus, dass in jedem dieser Gärtchen eine vierköpfige Familie Zeit verbringt, profitieren rund 34.000 Menschen von den Kleingartenanlagen. Mal gehört der Grund der Stadt, mal dem Freistaat Bayern, mal ist die Bahn-Landwirtschaft der Eigentümer. Die Stadt hat mit dem Verein "Stadtverband Nürnberg der Kleingärtner" einen Generalpachtvertrag geschlossen. Dieser wiederum überlässt Interessenten Parzellen, die mit 61 Cent pro Quadratmeter und Jahr berechnet werden. In München kostet es übrigens das Doppelte, auf dem Land sehr viel weniger. Insgesamt verwaltet der Stadtverband 5977 Parzellen.

An anderer Stelle weitergärtnern

Jochen Obermeier ist seit 2004 Vorstand des Stadtverbands und damit der oberste Kleingärtner der Stadt. Er kennt den Verdacht: In der Grimmstraße wurde gemauschelt und getrickst, um an begehrtes Bauland zu kommen. "Das stimmt aber nicht! Wir wussten auch, dass dort vielleicht eine Kita gebaut werden soll, aber wir haben diejenige, die diese Info ebenfalls hatte, eigentlich gebeten, den Mitpächtern das Weihnachtsfest damit nicht zu verderben", sagt Obermeier. Schließlich falle die Entscheidung darüber erst am 24. Januar, wenn der Stadtplanungsausschuss tage.

Stadt sucht Bauland: Kleingärtner sorgen sich um Anlagen

© NZ-Infografik

"Da ist noch nichts entschieden", betont auch Oberbürgermeister Ulrich Maly auf Nachfrage der NZ. Sollte die Auflösung der Kleingartenanlage jedoch tatsächlich beschlossen werden, erfolgt die Kündigung. Danach verbleibt bis zur Räumung noch ein Jahr Zeit. Doch die Betroffenen können weitergärtnern - wenn auch in einer anderen Anlage. Das Bundeskleingartengesetz verpflichtet die Stadt nämlich, für aufgelöste Kleingartenanlagen eine Ersatzfläche zur Verfügung zu stellen. "Und das hat sie auch immer getan", versichert Obermeier.

Selbst für aufgegebene Parzellen, die sie laut Gesetz nicht hätte ersetzen müssen, habe Nürnberg stets geradegestanden. So gebe es im Stadtgebiet nun sogar mehr Quadratmeter für Kleingärten als noch vor einigen Jahren. Die stille Reserve liegt unter anderem in Rehhof, aber auch woanders gibt es unerschlossenes Brachland, das laut Flächennutzungsplan für Kleingärten reserviert ist. In der Vorlage zum Ausschuss am 24. Januar steht daher auch, dass insgesamt 160 neue Parzellen entstehen sollen, als Ersatz für aufgelöste und möglicherweise wegfallende Anlagen.

Fast 500 Hobbygärtner stehen auf der Warteliste

Die aktuellste Zählung stammt von 2016, damals kam das Stadtplanungsamt auf 41 Anlagen im Norden und 77 Anlagen im Süden. Mit 652 Parzellen ist die Anlage am Zeppelinfeld die größte, die in Königshof hat mit mehr als 21 Hektar die meiste Fläche. Fast 500 Hobbygärtner stehen auf der Warteliste, durchschnittlich müssen Interessenten zwei Jahre Geduld haben, bis sie loslegen können. Dazu kommt - je nachdem, was sich auf der Parzelle befindet - eine Ablöse von mehreren Tausend Euro, die an den Vorpächter geleistet werden muss.

Stadt sucht Bauland: Kleingärtner sorgen sich um Anlagen

© Timo Schickler

Diejenigen, deren Gärten Bauvorhaben zum Opfer fielen, werden bevorzugt behandelt. Das Geld dafür sollten die Gärtner aus der Grimmstraße haben, weil ihnen ebenfalls eine Art Ablöse zusteht, die in ihrem Fall der Bauträger zu zahlen hat. Vor diesem Hintergrund sieht Jochen Obermeier die Petition mit gemischten Gefühlen. Die Hälfte der Unterstützer sorge sich weniger um die Anlage, vielmehr hätten sie Angst, dass ihr Wohnumfeld beeinträchtigt werde. "Der Stadtverband wird sich gegen eine Aufgabe der Gärten wehren, aber wir lassen uns nicht in einen Zwiespalt bringen zwischen Kleingartenanlage und einer vielleicht notwendigen Kinderversorgung. Wir sind nicht allein auf der Welt!"

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