Staub und Geröll: Trümmerhunde durchkämmen Hauptpost

30.3.2018, 16:39 Uhr
Unter anderem in einem drei Meter tiefen Loch versteckten sich die vermeintlich Verschütteten.

© ToMa Unter anderem in einem drei Meter tiefen Loch versteckten sich die vermeintlich Verschütteten.

Trümmer, überall Trümmer. Feiner Staub wabert über das Areal der alten Hauptpost, von der mittlerweile nur noch eine zweistöckige Ruine übrig ist. Wände sind eingefallen, die Fenster zersprungen. Stahlträger und Metallstangen ragen aus dem Geröll wie Antennen. 

Plötzlich: Hundegebell. Eigentlich fressen sich hier an sechs Tagen der Woche meterhohe Bagger durch Wände, zerlegen sie feinsäuberlich, bis von ihnen nur noch Schutt übrig ist. Am frühen Morgen des Karfreitags aber trainieren hier Rettungskräfte aus Franken und der Oberpfalz - es ist ein kleines Klassentreffen der Diensthundeführer aus der Region. Zehn Tiere verschiedener Rassen sind mit dabei. Sie flitzen teils über die Trümmer der alten Hauptpost, suchen dort vermeintlich Verschüttete. Wobei eben jenes Flitzen eher ein Problem ist, erklärt Robert Janitschke von der Fürther Rettungshundestaffel. "Wir brauchen Tiere, die vorsichtig sind, genau arbeiten und möglichst der Gefahr aus dem Weg gehen."

Janitschke ist seit neun Jahren ehrenamtlich tätig, hat Erfahrung. Gemeinsam mit seinem Hund Kocke nimmt er an der Übung in der Abrissruine der alten Hauptpost teil. Der Mischlingsrüde hat seine Ausbildung bereits bestanden, wäre jederzeit einsatzfähig. "Doch das ständige Training ist wichtig. Sie lernen immer weiter dazu." 

"Hier ist feine Nasenarbeit gefordert", sagt Janitschke, während sich vor ihm ein hellbrauner Labrador vorsichtig über das Geröll arbeitet. Immer wieder geht seine Schnauze zum Boden. "Er riecht circa eine Million Mal besser als ein Mensch." Üblicherweise kommen sogenannte Trümmerhunde, die dazu ausgebildet sind, lebende Personen zu finden, bei Gasexplosionen, bei Hauseinstürzen oder Erdbeben zum Einsatz. Als vor über zwölf Jahren im oberbayerischen Bad Reichenhall eine Eishalle einstürzte und fünfzehn Menschen unter sich begrub, spielten Suchhunde eine gewichtige Rolle. 

"Nicht jeder Hund ist dafür geeignet" 

Die Tiere bei der Übung in Nürnberg haben einen völlig verschiedenen Ausbildungsstand. Manche tasten sich nur am Rand entlang, wieder andere fliegen förmlich über das Geröll. "Man kann hier die komplette Bandbreite sehen", sagt Janitschke. Für gewöhnlich dauert die Ausbildung eines Hundes zwei bis drei Jahre, dann sind die Tiere aber vorerst nur für den Einsatz auf ebenen Flächen geschult, etwa im Wald. Später beginnt die Spezialisierung auf Uferbereiche, Seen, Flüsse und Trümmer.

"Nicht jeder ist dafür geeignet", erklärt Janitschke. "Wir brauchen wesensfeste Tiere, die sich nicht von äußeren Einflüssen ablenken lassen." Rauch, Lärm und sogar Feuer sind für die Suchhunde in der Regel kein Problem. Ein anstrengender Job, deshalb werden sie nur etwa 20 Minuten am Stück eingesetzt. Dann folgt eine Pause. 

Schon im Welpenalter beginnt die Ausbildung der Tiere. Wirklich eingesetzt werden sie ab einem Alter von einem Jahr, weil das Skelett erst dann ausgewachsen ist. Besonders wichtig ist die sogenannte Opferbindung. "Der Hund muss an fremde Personen gewohnt sein, sie akzeptieren und sich gleichzeitig von seinem Führer lösen können", sagt Janitschke. "Er muss suchen, finden - und dann vor allem auch dort bleiben." Lenkbarkeit nennt das der Experte, und das aus teils großer Distanz. 

"Tote riechen anders" 

Ein Hund schlägt an. Er steckt seine Schnauze in ein kleines Loch, das mit schweren Holzbalken verbarrikadiert ist. Dort, in etwa drei Metern Tiefe, wartet ein vermeintliches Opfer auf das Tier. Der Rüde bellt laut, immer wieder, immer schneller. Über die Frequenz der Laute macht er klar, dass er etwas gefunden hat. Eine Hand, die plötzlich aus der Grube auftaucht, streckt im Leckerlis entgegen - Test bestanden, Übung beendet. 

Staub und Geröll: Trümmerhunde durchkämmen Hauptpost

© ToMa

Bei der Suche nach Verschütteten reagieren die Hunde bereits auf minimalste Atembewegungen, vor allem aber auf Gerüche. "Tote riechen anders",  erklärt Janitschke. Bereits nach 20 Minuten setze eine Veränderung ein, die die Hunde durchaus bemerken können. "Unsere Aufgabe ist es, Lebende zu suchen und zu retten." 

Sicherheit an oberster Stelle 

Trotz der herausragenden Metallstangen, den scharfen Steine und der Glassplitter auf der Baustelle verletzte sich keiner der Hunde. Größere Probleme gibt es äußert selten, hin und wieder zieht sich eines der Tiere  einen Glassplitter ein. "Sicherheit, Vorsicht und Gründlichkeit sind besonders wichtig und genau darauf trainieren wir die Hunde", sagt Janitschke. Das gilt auch für die Retter selbst, die die Tiere einsetzen, damit sie eben nicht in derart schwieriges Terrain gehen müssen. "Sie kommen dort hin, wo es für uns zu gefährlich ist, auch, weil sie leichter und wendiger sind."

Auch bei der Übung in Nürnberg tragen alle Rettungskräfte Helme, Schutzausrüstung und Handschuhe, die Sicherheit steht an oberster Stelle. Wochenlang wurde die Übung in der Innenstadt vorbereitet. Kräfte des Bayerischen Roten Kreuz (BRK) trafen sich immer wieder mit der Abrissfirma und dem Bauleiter. Sie entschieden, wo trainiert werden kann - und wo nicht. Der zweite Stock im Kopfbau etwa ist tabu, dort sei die Gefahr herabfallender Trümmer zu groß. "Die Gelegenheit, auf so einem Gelände zu üben, hat man selten", sagt Janitschke.  

Auch für die Hunde ist der Einsatz außergewöhnlich. Ein Rüde tapst durch die maroden Gänge des Kopfbaus, mustert einen Schacht, ein anderer nimmt einen Stahlträger ins Visier. Terrain, das die Hunde fordert - und genau das brauchen sie auch. "Sie müssen auf den Ernstfall vorbereitet sein", sagt Janitschke während wieder lautes, fast schon rhythmisches Gebell durch das Areal der Hauptpost hallt. Einer der Hunde hat etwas gefunden. 

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