Stopp für "Mietenstopp": Das denken Akteure aus der Region darüber

17.7.2020, 07:32 Uhr
Die Initiatoren waren auf einem guten Weg: Anfang des Jahres hatten sie rund 52.000 Unterschriften von Unterstützern gesammelt, das waren doppelt so viele wie nötig. Doch das Volksbegehren ist rechtswidrig, urteilte nun das höchste Gericht Bayerns.

© Lino Mirgeler, dpa Die Initiatoren waren auf einem guten Weg: Anfang des Jahres hatten sie rund 52.000 Unterschriften von Unterstützern gesammelt, das waren doppelt so viele wie nötig. Doch das Volksbegehren ist rechtswidrig, urteilte nun das höchste Gericht Bayerns.

Wo soll das alles enden? Diese Frage stellen sich angesichts des angespannten Wohnungsmarktes immer mehr Menschen. Die Mieten steigen und steigen – und es ist kein Ende in Sicht. Die Corona-Krise verschärft die Situation noch.

Das Volksbegehren "Sechs Jahre Mietenstopp" wollte eine Lösung bieten und die Mieten teilweise regulieren. Die Initiatoren, maßgeblich der Mieterverein und die SPD, arbeiteten einen Gesetzentwurf aus: Nach diesem dürfen Mieten in einem laufenden Mietverhältnis sechs Jahre lang nicht erhöht werden. Ausgenommen wären Neubauten – um Bauherren nicht zu vergraulen. Bei Wiedervermietungen sollte nicht mehr als die ortsübliche Vergleichsmiete verlangt werden dürfen.

Die Initiatoren waren auf einem guten Weg: Anfang des Jahres hatten sie rund 52.000 Unterschriften von Unterstützern gesammelt, das waren doppelt so viele wie nötig. Doch das Innenministerium hielt das Vorhaben für rechtswidrig. Der Grund: Dem Freistaat fehle die erforderliche Gesetzgebungskompetenz; zuständig sei der Bund. Der Verfassungsgerichtshof sollte die Frage nun klären.

Am Donnerstag fiel in München nun das Urteil: Bayerns höchstes Gericht weist das Volksbegehren ebenfalls ab. Das Mietrecht sei Sache des Bundes, bayerische Volksbegehren seien nur für Landesgesetze zulässig.

Die Verantwortlichen von Haus und Grund Bayern – der Verband der Haus- und Wohnungseigentümer – freut‘s: "Die Kompetenz sollte weiterhin beim Bund verbleiben, um zu verhindern, dass das Mietrecht sich zwischen den Bundesländern unterscheidet", erklärt Vorstand Ulrike Kirchhoff. Sie hält den "Mietenstopp" für falsch. "Ziel wäre ja gewesen, die Mieten zu deckeln und somit die Mietenbelastung zu senken." Das hätte ihrer Ansicht nach keinen Erfolg: "In den Hochpreisgebieten fehlt es schlicht an Wohnungen." Die Lösung sei mehr Wohnungsbau. Außerdem sei kein anderer Wirtschaftszweig so reguliert, wie der Wohnungsmarkt, so Kirchhoff. "Ohne das heutige Urteil wäre das noch schlimmer geworden." Vermieter könnten erst einmal aufatmen.

Gunther Geiler, Stellvertretender Vorsitzender vom Deutschen Mieterbund Bayern, sieht die Entscheidung kritisch und ist überrascht. Er ist davon ausgegangen, dass die Angelegenheit auf Landesebene zu lösen sei. Er blickt nun hoffnungsvoll nach Berlin. Denn dem Bundesverfassungsgericht liegt mit dem umstrittenen "Berliner Mietendeckel" ein ähnlicher Fall vor, dessen Urteil mit Spannung erwartet wird. Die Entscheidung in Bayern wiederum wird als erstes Signal gewertet und fand deutschlandweit Beachtung. Geiler will sein Ziel trotzdem nicht aus den Augen verlieren, für alle Mieter in Bayern – das gilt nicht nur für München, sondern überall dort, wo sich "Studenten und Arbeitsplätze" ballen. "Viele hatten die Hoffnung, dass auf dem Markt Ruhe einkehrt."

Die Niederlage war absehbar, da Fachjuristen die Rechtslage weitgehend einheitlich beurteilen. "Das ist keine Frage des politischen Willens, sondern der Gesetzgebungskompetenz", sagte Justizminister Georg Eisenreich (CSU).

Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Horst Arnold, sieht dennoch Hoffnung. Denn das Urteil fiel nicht einstimmig aus: Drei der neun Verfassungsrichter gaben ein Sondervotum ab, das Volksbegehren zuzulassen. "Das ist schon etwas Besonderes." Die Argumente für das Volksbegehren seien beachtlich. "Immerhin lautet Artikel 106 der Verfassung: Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung." Arnold sieht den Mangel an bezahlbaren Wohnungen als eines der drängendsten sozialen Probleme unserer Zeit. Die SPD will sich weiterhin "mit voller Kraft" dafür einsetzen, dass Städte und Gemeinden mehr bauen – vor allem im sozialen Wohnungsbau.


Gescheitertes Volksbegehren Mietenstopp: Klarer politischer Auftrag


Auch Ates Gürpinar, Landessprecher von Die Linke, zeigt sich enttäuscht. Er betont, dass die Ablehnung nicht das Ende bedeute, im Gegenteil: "Das bayernweite Bündnis hat Parteien, Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Gruppen gesammelt." Er will das Mietenthema zur "Gretchenfrage" machen und so Druck aufbauen. Denn: Es stehen Bundestagswahlen vor der Tür.
Die Initiatoren prüfen außerdem eine Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil.

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