Trauer um Bildhauer

Straße der Menschenrechte: Wie Dani Karavan Nürnberg geprägt hat

30.5.2021, 15:37 Uhr
Dani Karavan schuf die Straße der Menschenrechte.

© Athina Tsimplostefanaki, NN Dani Karavan schuf die Straße der Menschenrechte.

Es war keine sehr lange Rede, die Dani Karavan hielt, aber eine, die noch knapp 30 Jahre später nachwirkt. Es regnete und war kalt in der Nürnberger Innenstadt, dort wo nun die "Straße der Menschenrechte" eingeweiht wurde und ihr Schöpfer Dani Karavan erzählte von dem Leid, das die Nazis über seine Familie gebracht hatten: "Ich gehe die Straße entlang mit meiner Großmutter, die barbarisch durch die Nazis ermordet wurde und kein Grab hat, und lese den Artikel in ihrer Sprache, Jiddisch. „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ (...) Ich gehe hier die Straße entlang mit meinen Tanten und Onkeln, Cousins und Cousinen, die durch den Rauch verschwanden, während ich in Israel aufwuchs, am Strand in Tel Aviv."

Die Straße der Menschenrechte ist  in der Dämmerung ein beliebtes Fotomotiv.

Die Straße der Menschenrechte ist  in der Dämmerung ein beliebtes Fotomotiv. © Günter Distler, NN

Karavan war mit neun weiteren Künstlern eingeladen worden, die Karthäusergasse mit einem Kunstwerk neu zu gestalten: 1993 änderte sich wegen eines Neubaus am Germanischen Nationalmuseums der Zugang zu den berühmten Kunstsammlungen. Die Jury entschied sich einstimmig für Karavans Idee, auf Betonsäulen Auszüge der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte mit ihren 30 Artikeln in Deutsch und vielen weiteren Sprachen zu verewigen. Allerdings wurde Karavans Entwurf, der auch den Richard-Wagner-Platz miteinbezog, noch modifiziert. Statt 30 Säulen sind es nur 27 sowie zwei Bodenplatten und ein Baum. Das große Eingangstor am Kornmarkt hat man ebenfalls in Beton ausgeführt und nicht — wie der Künstler es vorgesehen hatte — in Stahl mit Goldaufschrift „Declaration of human rights“. Auf den Wasserlauf wurde ebenso verzichtet wie auf die Weiterführung jenseits der Frauentormauer. So ist der ringförmige Pfeilerkreis vor dem Arbeitsamt nie errichtet worden.

Sieg des Menschen

Für Karavan war die Entscheidung, an dem Wettbewerb teilzunehmen allein aufgrund seiner Familiengeschichte keine einfache. Doch sie war ihm wichtig - und sollte ein Symbol sein: "Dieses Werk befindet sich an dem Ort, wo der Reichsparteitag abgehalten wurde. Das symbolisiert den Sieg des Menschen über die Nazi-Bestie", sagte er bei seiner Eröffnungsrede im Oktober 1993.

Ohnehin war Karavans Kunst von seiner eigenen Lebensgeschichte geprägt, oft ging es um eine Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus, um Freiheit und Menschenrechte: Wie sein 1994 vollendeter Gedenkort "Passagen" im spanischen Portbou, der an den deutschen Philosophen Walter Benjamin erinnert, der in dem kleinen spanischen Grenzort 1940 auf der Flucht vor den Nationalsozialisten ums Leben kam. Oder auch das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma in Berlin - einem Brunnen mit einem versenkbaren Stein, auf dem täglich eine frische Blume liegt.

"Orte der Begegnung"

Am Samstag ist der Bildhauer Dani Karavan im Alter von 90 Jahren in Tel Aviv gestorben. Kulturstaatsministerin Monika Grütters würdigte ihn, der am 7. Dezember 1930 in Tel Aviv geboren wurde und in Israel und Paris lebte, als eine der markantesten Künstlerpersönlichkeiten und echten Freund. "Mit dem Blick des israelischen Juden hat er unsere deutsche Geschichte ins Bild gesetzt und uns zum Perspektivenwechsel ermutigt", erklärte die CDU-Politikerin. Auch in Nürnberg ist die Trauer groß: "Dani Karavan sagte einmal, dass ihm das Wort ,Denkmal‘ näher sei als das Wort ,Monument‘. Und das zeigt sich auch bei der ,Straße der Menschenrechte‘. Karavan schuf Orte der Begegnung, des Nachdenkens und der Auseinandersetzung“, so Oberbürgermeister Marcus König.

Karavan blieb Nürnberg immer verbunden, kam immer wieder zurück in die Stadt, verfolgte das Geschehen: Als man Karl Diehl, die Ehrenbürgerschaft verleihen wollte, protestierte Karavan deutlich. Karavan selber wurde 2018 die Ehrenbürgerwürde verliehen. Für Nürnberg war die Einweihung der "Straße der Menschenrechte" der Startpunkt für einen Imagewandel: Von der Stadt der Nazis und Reichsparteitage hin zur "Stadt des Friedens und der Menschenrechte". Alle zwei Jahre wird seit 1995 der Internationale Nürnberger Menschenrechtspreis verliehen (in dessen Jury Karavan auch saß), es gibt das internationale Filmfestival, ein Menschenrechtsbüro und ein Menschenrechtszentrum.

Mahnung an die Menschen

Und die Botschaft der "Straße der Menschenrechte" wirkt immer noch weiter. Sie sei, so das Menschenrechtsbüro, "sowohl eine Anklage gegen die Verbrechen der Nationalsozialisten als auch eine zu Stein gewordene Mahnung an die Menschen, dass die Menschenrechte auch heute noch in vielen Staaten der Erde massiv verletzt werden".

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