Tatort Volksbad: Leiche im Schwimmbecken

22.10.2013, 10:08 Uhr
Tatort Volksbad: Leiche im Schwimmbecken

© Stefan Hippel

Mit den Worten „Ich bin kein Fremdenführer, sondern Autor und für den Mord zuständig“ stellt sich Jan Beinßen vor und steigt direkt ins Krimi-Geschehen ein. Im Schwimmbecken beginnt er die Lesung: „Die Angst schnürte ihr die Kehle zu.“ Und fährt wenige Sätze später fort: „Sie war nicht gut darin wegzulaufen, ihr fehlte die Kondition. Außerdem machte sie zu viel Lärm: Auf dem Boden lag der abgesprengte Putz von den Wänden, jeder ihrer Schritte verursachte ein verräterisches Knirschen.“ Schnell wird den Zuhörern klar: Es gibt für die junge Frau kein Entkommen aus der Schwimmhalle.

Es ist kalt in dem seit knapp 20 Jahren leerstehenden Gebäude. Auf dem Boden liegen Zigarettenkippen, Farbe blättert von den Wänden. Viele Besucher haben eine Kamera dabei, immer wieder klickt der Auslöser. Andere schauen sich neugierig um und werfen Blicke etwa in die verwaisten Umkleidekabinen. Dann ergreift Axel Eisele von der Stadt das Wort und berichtet kurz über das Volksbad und seine ungewisse Zukunft. „Wir haben niemanden mit einem Konzept, das sich trägt und nachhaltig finanziert“, bedauert er.

Zurück zum Eingangsbereich: Im früheren Kassenhäuschen lassen die Gäste die Vergangenheit Revue passieren. Hier hat der Verein Geschichte für Alle für seine Rundgänge historische Fotos, Bauskizzen und eine Zeitleiste aufgehängt — bis zum Jahr 2014, dem 100-jährigen Geburtstag des Volksbades. Nächste Lesestation ist das Foyer. Hier erfahren die Besucher im Zuge der Recherchen des Nürnberger Kriminalbeamten verschiedene Infos über die Tote sowie erste mögliche Täter, auch die Geschichte des ehemaligen Badetempels wird erzählt und technische Daten genannt.

Snack für zwischendurch

Das handliche Büchlein, das der Autor in seinen Händen hält, umfasst gerade mal 127 Seiten; rund ein Drittel von dem, was der 48-Jährige sonst zu Papier bringt. Und so handelt es sich auch nicht um einen weiteren Fall von Inspektor Paul Flemmings, sondern um eine eigenständige Mordgeschichte. Ein „Krimi-Snack“, so bewirbt der Verlag ars vivendi das neue Format, für den kurzen Lesegenuss zwischendurch.

Das Gros der Krimis von Jan Beinßen, der im niedersächsischen Stadthagen aufgewachsen ist, spielt in der Frankenmetropole. In den 90er Jahren ist er hierher gezogen. Inzwischen wohnt der Familienvater in Herzogenaurach, arbeitet aber nach wie vor in Nürnberg.



Ob Dürer, Opernhaus oder Kaspar Hauser — neben den Mordfällen spielt aich immer die Historie eine Rolle. „Ich möchte, dass der Nürnberger etwas über seine Stadt erfährt, was er noch nicht weiß. Das ist mein Ehrgeiz“, betont Beinßen. Dafür ist selbstredend eine Recherche notwendig, so auch beim Volksbad-Krimi. Der 48-Jährige hat beispielsweise mit Nürnbergern gesprochen, die in dem Jugendstilgebäude schwimmen gelernt haben, ist tief in die Historie eingetaucht und war mehrfach vor Ort.

Maroder Charme

Der Tatort erschien ihm gerade bei diesem kleinen Format ideal. „Das Volksbad gehört zu meinen Lieblingsplätzen, es strahlt einen maroden Charme aus“, schwärmt der Autor. Bevor er den Schauplatz aufsuchte, hatte er eine grobe Idee und ließ sich letztendlich vor Ort inspirieren. Beinßen würde sich für die alten Gemäuer einen Wellnesstempel als Nutzung wünschen, aber der 48-Jährige weiß auch um die Schwierigkeiten eines solches Vorhabens, wie etwa fehlende Parkmöglichkeiten.

Veranstalter der Tatortlesung war die Volkshochschule Oberasbach. Eine Wiederholung gibt es am 30. April, dann lädt das Nürnberger Bildungszentrum ein.
 

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