Terrorismusverdacht: Franke darf die Türkei nicht verlassen

10.11.2020, 20:51 Uhr
Ostanatolien: Eine schöne Landschaft für Ferien, doch der Nürnberger Erdogan Ataš  sitzt hier gegen seinen Willen fest. 

Ostanatolien: Eine schöne Landschaft für Ferien, doch der Nürnberger Erdogan Ataš  sitzt hier gegen seinen Willen fest. 

Was für eine Urlaubskulisse: Im Hintergrund schimmert das Wasser der ostanatolischen Keban-Talsperre blau zwischen sanften Hügeln. Im Vordergrund ist Erdogan Ataš mit seiner Gitarre zu sehen, ein Nürnberger Musiker, Musiklehrer und Sozialarbeiter.

Das Bild trügt. Der 50-jährige Ataš wäre viel lieber daheim in Nürnberg. Doch seit dem 23. Oktober 2019 verweigert die Türkei dem Deutschen hartnäckig die Ausreise. Der Urlaub, in dem er seine 85 Jahre alte Mutter besuchen und mit ihr dann nach Nürnberg zurückfliegen wollte, wurde zum Zwangsaufenthalt. Und ein Ende ist nicht in Sicht.


Ausreisesperre: Franken sitzen weiter in der Türkei fest


Erdogan Ataš ist einer von drei fränkischen und einer von über 70 Kurden aus der ganzen Bundesrepublik, denen pauschal die Unterstützung terroristischer Organisationen vorgeworfen und die Ausreise verweigert wurde.

Zwei Franken sind zurück

Dafür reichen den türkischen Behörden Kontakte wie die zum kurdischen Verein Medya Volkshaus in der Südstadt oder die Teilnahme an genehmigten Demonstrationen. Ihre deutschen Pässe schützten die Betroffenen nicht vor Verhaftung und juristischer Verfolgung. Inzwischen sind die Nürnberger Gewerkschafterin Senem Kartal und ein 30-jähriger Familienvater aus Westmittelfranken längst wieder zuhause. Ataš jedoch hängt seit 13 langen Monaten fest, ohne Einkommen und ohne Krankenversicherung.

Weil er seine Steuererklärung nicht er aus der Ferne abgeben konnte, müsste er hohe Beiträge zahlen. Geld, das er nicht hat. Eine Arbeitsstelle in einem Nürnberger Kulturladen hat er sausen lassen müssen. Er habe Angst um seinen Vater, sagt Ronan Ataš, der in Nürnberg ebenfalls als Sozialpädagoge arbeitet. Der Sohn glaubt, dass sich das Verfahren jahrelang hinziehen könnte.


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Besuchen wird er seinen Vater aber auf keinen Fall. Ronan Ataš: "Ich habe im Internet Erdogan schon mal kritisiert." In anderen Fällen hat das genügt, um deutsche Staatsbürger in der Türkei unter Terrorismusverdacht zu stellen. Eine Anklageschrift der Staatsanwaltschaft in Ankara gegen Ataš hat das dortige Gericht wegen fehlender Beweise nicht zugelassen. Jetzt wartet er auf eine neue und lernt in seiner Verzweiflung Englisch übers Internet.

Liegt eine Verwechslung vor?

Im Medya Volkshaus-Verein habe er Integrations- und Sprachkurse gegeben, sagt der Musiker am Telefon. Als Gitarrist trat er dort bei den kurdischen Kulturtagen auf, die von der Stadt mit veranstaltet werden. Ein Terrorist? Das sei absoluter Blödsinn. Der Nürnberger hält es immer noch für möglich, dass eine Verwechslung vorliegt. Verhaftet am 23. Oktober 2019 auf der Fahrt zum Flughafen, zehn Tage lang im Gefängnis.


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Bis März musste er sich zwei Mal die Woche bei der Polizei melden. Sein bürgerliches Leben in Deutschland versinkt derweil im bürokratischen Chaos. Erdogan Ataš: "Das alles ruiniert mich finanziell." Die schöne Landschaft mit dem blauen Wasser und den sanften Hügeln freut den Nürnberger jedenfalls schon lange nicht mehr. Die Türkei ist sein Gefängnis geworden.

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