Heldenhafte Sör-Mitarbeiter

Teure Air Pods einer Nürnbergerin landeten im Gully

4.12.2021, 10:00 Uhr
Retter in der Not: Zwei Mitarbeiter des Servicebetriebs Öffentlicher Raum fischen Blätter aus einem Gully auf der Suche nach dem Air Pod von Pia K.

© privat, NNZ Retter in der Not: Zwei Mitarbeiter des Servicebetriebs Öffentlicher Raum fischen Blätter aus einem Gully auf der Suche nach dem Air Pod von Pia K.

In Zeiten von Social Media und Bewertungsportalen im Internet ist schimpfen eigentlich ganz einfach. In Sekundenschnelle lassen sich (vermeintliche) Missstände, Unmutsbekundungen oder – berechtigte wie unberechtigte – Kritik höchst öffentlich vom heimischen Computer in die digitale Welt absetzen und ohne dass man jemandem dabei in die Augen sehen muss – wie praktisch.

Und wohl daher kommt es, dass der Nürnberger Servicebetrieb Öffentlicher Raum (Sör) auf der Bewertungsplattform von Google gerade einmal 2,1 von fünf möglichen Sternen hat – und jede Menge kritische Kommentare dazu. „Warum ist meine Straße nicht geräumt?“, „Bei uns liegt seit Tagen Müll vor den Glascontainern“, „In jedem Kuhkaff wird sauberer gekehrt als in Nürnberg“ ist da unter anderem zu lesen.

Auch Pia K. hat diese Nachrichten und die entsprechend schlechten Bewertungen gesehen, als sie auf der Suche nach dem richtigen Ansprechpartner war. „Soll ich da überhaupt anrufen? Die sind sicher nicht nett“, denkt sich die Nürnbergerin – aber ihre Verzweiflung ist am Ende doch größer als die Scheu vor unfreundlichen Mitarbeitern.

Was war passiert? Pia K. nimmt an diesem Tag auf dem Gehweg ihre nagelneuen „Air Pods Pro“ aus der Jackentasche, um sie sich ins Ohr zu stecken. Die kabellosen Kopfhörer kosten rund 200 Euro. „Dabei fällt mir ein Air Pod auf den Boden und rollt unter mein Auto“, erzählt die Nürnbergerin.

Gully direkt unter dem Auto

Sie beugt sich schleunigst unter das Auto um nachzusehen, wo der Air Pod verblieben ist. „Und dann sehe ich, dass unter dem Auto ein Gully ist. Ich bin dann leicht panisch zur Seite gefahren in der Hoffnung, dass nicht passiert ist, was ich befürchtete.“ Doch es war passiert. Der Kopfhörer ist in den tiefen, dunklen Schacht gekullert.

„Ich versuchte, den Gullydeckel hochzuheben – klappte nicht. Ich versuchte, rein zu leuchten – sah nichts. Ich war verzweifelt und fragte mich, warum mir das ein paar Tage nach Kauf der Dinger passieren muss. Ich überlegte dann, wer mir helfen kann, wer für die Gullys zuständig ist. Dann fiel mir Sör ein.“

Pia K. googelt nach der Telefonnummer und stolpert dabei über besagte negative Bewertungen des städtischen Servicebetriebs. „Aber ich wurde eines Besseren belehrt. Die Dame am Telefon sagte mir, sie informiere den Bereitschaftsdienst und melde sich wieder.“ Fünf Minuten später klingelt Pias Handy: Der Bereitschaftsdienst sei in 30 Minuten da, heißt es.

Plötzlich setzt das schlechte Gewissen ein

„Wie versprochen kamen die Herren, die mit Leichtigkeit den Gully öffnen und mit absoluter Selbstverständlichkeit und Hingabe mit einer langen Teleskopschaufel anfingen, Blätter-Matsch aus dem Gully zu schaufeln, um die dann nach meinem Air Pod zu durchsuchen“, erzählt Pia K..

Irgendwann bekommt die Nürnbergerin allerdings ein schlechtes Gewissen, weil sie die beiden Mitarbeiter wegen eines Kopfhörers von ihrer eigentlichen Arbeit abhält, „aber mir wurde versichert, dass das absolut in Ordnung sei.“

Das akribische Wühlen ist am Ende nicht von Erfolg gekrönt. Der Blätter-Matsch liegt auf der Straße verteilt, der Air Pod ist aber nicht aufgetaucht. „Ich habe den Herren dann gesagt, dass ich es trotzdem großartig fand, dass sie sich so eingesetzt haben, unglaublich freundlich waren und dass sie mein Bild des städtischen Dienstes in ein ganz anderes Licht gerückt haben. Ein Trinkgeld als Dankeschön wollten sie nicht annehmen, denn das sei ja ihr Job, haben sie gesagt. Wow.“

Nachricht auf dem Anrufbeantworter

Nur einen Tag später blinkt dann der Anrufbeantworter von Pia K. auf. „Es war wieder die nette Dame vom Vortag, die mir mitteilte, dass mein ,Ding‘ doch gefunden wurde.“ Der Air Pod wird der jungen Frau von den zwei Mitarbeitern wenig später sogar nach Hause gebracht.

Ihre Geschichte teilte Pia K. ebenfalls umgehend im Internet und so erreichte sie auch Nürnbergs Bürgermeister und Sör-Chef Christian Vogel. „Kritik und Beschwerden gehören für einen Bürgermeister leider zum Tagesgeschäft. Wenn er dann auch noch für Bereiche wie Straßenbau oder Service öffentlicher Raum zuständig ist, erst recht. Lob und Dankbarkeit sind da eher selten in der Post, weil das, was gut läuft, mehr oder weniger als Selbstverständlichkeit gesehen wird. Eine Nachricht wie diese ist daher die große Ausnahme und freut mich wirklich sehr“, sagt er.

Und auch Pia K. zieht aus der Sache ihr ganz persönliches Fazit: „Die beiden sind meine Helden, die mir zeigten, dass Kundenorientierung auch in diesem Bereich machbar und erlebbar ist. Und dass ich über meine Vorurteile nachdenken muss. Eine schlechte Google-Bewertung bedeutet nicht, dass alle Mitarbeiter schlecht sind.“

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