Trotz Nachfrage bleiben Betten in Altenheimen leer

14.1.2020, 06:00 Uhr
Die 50-prozentige Fachkraftquote wird für manche Einrichtungen zum Problem, da es nicht genug qualifizierte Altenpfleger gibt.

© picture alliance / dpa Die 50-prozentige Fachkraftquote wird für manche Einrichtungen zum Problem, da es nicht genug qualifizierte Altenpfleger gibt.

"Kein Träger will groß darüber reden. Es ist kein regionales Problem, es trifft alle", meint ein Kenner der Pflege. Der Markt an qualifizierten Altenpfleger(inne)n ist leergefegt. Das Fehlen von Auszubildenden trifft die Pflegebranche genauso wie andere Branchen — und noch härter. Denn die Arbeit im Seniorenheim steht meist nicht auf dem Berufswunschzettel von Jugendlichen.

Bisher hatte man sich oft mit Anwerbungen aus dem Ausland — etwa Polen oder aus dem ehemaligen Jugoslawien — beholfen. Doch auch dort wird das Fachpersonal knapp: "In Polen arbeiten jetzt schon viele qualifizierte Altenpflegekräfte aus Weißrussland, die Problemlage verschiebt sich nur", meint Nürnbergs Caritas-Direktor Michael Schwarz.
Der katholische Wohlfahrtsverband beschäftigt 50 indische Ordensschwestern in seinen Nürnberger Heimen — dank der guten Verbindungen in der Weltkirche. Die Ordensfrauen sind eine wesentliche Stütze, ohne die der Heimbetrieb gar nicht mehr vorstellbar ist.


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Werbemaßnahmen für Pflegenachwuchs in Nürnberger Kinos oder in Radiospots haben dagegen nichts gebracht. "Es sind zu wenig Fische im Teich und zu viele halten ihre Angel hinein", bringt es Schwarz auf den Punkt. Am Verdienst würde es seiner Meinung nach nicht liegen, dass es zu wenige Interessenten für den Altenpflegeberuf gibt. Er räumt offen ein, dass gelegentlich bis zu fünf Prozent der Betten in Caritas-Heimen leer stehen — nur wegen der Quote. Vor wenigen Jahren hätten die Heime noch 55 bis 56 Prozent ausgebildete Altenpfleger(innen) beschäftigt. Mittlerweile arbeiten sich die Einrichtungen der meisten Träger "von unten an die 50 Prozent heran".

Schwarz hält eine festgelegte Fachkraftquote von 50 Prozent für willkürlich. Er verweist auf ein Projekt, bei dem man versuchsweise mit 40 Prozent arbeitet. Der Vorschlag des Caritas-Direktors: Man müsse intensiv über Aufgaben sprechen, die ausschließlich eine Fachkraft erledigen kann und über Tätigkeiten, die auch Hilfskräfte problemlos übernehmen können.

Medikamentengabe ist heikel

Die Medikamentengabe ist heikel, meint Schwarz, sie sollte nur durch gelernte Altenpfleger erfolgen. Wundversorgung, medizinische Behandlungspflege und das Einholen ärztlicher Verordnungen gehören ebenfalls zu ihren Aufgaben. Aber letzteres könnte ebenso gut eine Verwaltungskraft erledigen.

Die Pflege braucht dringend Nachwuchs, um zum Beispiel die Bewohner in Altenheimen optimal betreuen zu können.

Die Pflege braucht dringend Nachwuchs, um zum Beispiel die Bewohner in Altenheimen optimal betreuen zu können. © picture alliance / dpa

Dem stimmt auch Michael Pflügner, zweiter Werkleiter des städtischen NürnbergStifts zu: "Nur muss das dann von den Geldgebern finanziert werden, das wird es momentan aber nicht." Der Fachmann hält auch Teilqualifizierungen von erfahrenen Helfern für einen Weg, um den Engpass zu bewältigen. An der Fachkraftquote selbst würde er nur ungern rütteln: Er fürchtet die Wirkung auf die Öffentlichkeit.

Weitere Lösungsansätze sieht der Werkleiter in einer besseren Abstimmung zwischen Ärzten, Apotheken, Krankenhaus und Pflegeheimen. Allerdings stellt die unterschiedliche IT eine sehr große Hürde dar. Dabei könnte gerade eine intelligente Digitalisierung Freiräume für die Pflege schaffen, meinen Experten.

"Riesenproblem kommt auf uns zu"

Eine Schwierigkeit, die noch zu selten gesehen wird: Wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den nächsten drei, vier Jahren in Rente gehen, wird man händeringend nach Ersatz suchen. "Da kommt ein Riesenproblem auf uns zu", ist Pflügner sicher.
Anfällig sei der Betrieb der Seniorenheime schon jetzt: "Wir müssen im Moment noch kein Bett schließen. Aber wenn eine Grippewelle kommt, können wir gleich Probleme bekommen", so der städtische Mitarbeiter.

Martin Nehmeyer von der Diakonie Neuendettelsau meint, dass man die Engpässe bisher ausgleichen konnte. Der Fachreferent für Senioren setzt auf Dokumentation und Digitalisierung, um Pflegekräften mehr Zeit zu geben. Den Versuch, durch kurzzeitig eingesetzte Zeitarbeit-Beschäftigte die Fachkraftquote zu halten, sieht er als schwierig an: "Sie kennen die Senioren und ihre besonderen Anforderungen nicht."

Elektronische Hilfen

Nehmeyer setzt auch auf elektronische Hilfen wie das "Aufstehbett", welches das Fachpersonal entlastet. Es ist bereits im Nürnberger Demenzzentrum der Diakonie im Einsatz. Das "Aufstehbett" ermöglicht es, Senioren aus der Liege- in die Sitzposition zu bringen, ohne dass Pfleger den Senior herumheben müssen. Über den vermehrten Einsatz elektronischer Hilfsmittel müsse man nachdenken.
Übereinstimmend betonen alle Heimbetreiber, dass mehr Wertschätzung der Gesellschaft für die Arbeit der Pflege notwendig sei. Das ist zwar nicht neu, aber richtig und wichtig.

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