Untersuchungen fallen aus: Sorge um die angehenden Erstklässler

18.2.2021, 20:09 Uhr
Bittere Nachrichten: Wegen Corona konnte in Nürnberg noch keine einzige Schuleingangsuntersuchung durchgeführt werden. 

© imago images/Thomas Frey Bittere Nachrichten: Wegen Corona konnte in Nürnberg noch keine einzige Schuleingangsuntersuchung durchgeführt werden. 

Ist das Kind fit für die erste Klasse? Sieht und hört es gut? Wie steht‘s um die sprachliche und motorische Entwicklung? Diese Fragen werden bei der kostenlosen Schuleingangsuntersuchung geklärt. In Nürnberg ist der Kinder- und Jugendärztliche Dienst des Gesundheitsamtes dafür zuständig. Kinderkrankenschwestern führen die Testung durch, bei Bedarf gibt es zudem eine schulärztliche Untersuchung. Der große Pluspunkt ist: Der Pflichttest findet im Idealfall Monate vor der Einschulung statt. Die Fachleute können Eltern also in aller Ruhe über Einschulung oder Zurückstellung beraten — zudem kann zeitnah bei Bedarf auch eine Förderung veranlasst werden, damit das Kind einen möglichst guten Start in die Grundschule hat.

Doch wegen der Pandemie ist dies derzeit nicht machbar. So bedauert Birgit Broghammer, die zuständige Bereichsleiterin am Gesundheitsamt: „Es fanden bisher noch keine Schuleingangsuntersuchungen für das Schuljahr 2021/22 statt.“ Wie viele Kinder im September eingeschult werden, das könne man nicht genau sagen. In der Datenbank der Behörde seien derzeit 4762 Kinder, die zum September schulpflichtig werden und in Nürnberg gemeldet sind. Dazu kommen gegebenenfalls noch Zuzüge sowie die Mädchen und Jungen, die vorzeitig eingeschult werden sollen.

Schwierige Planung

Auch der für 17. März geplante Anmeldungstag an Grundschulen und Förderzentren wird nach jetzigem Stand der Dinge nicht wie gewohnt über die Bühne gehen: Stattdessen wird es wohl von 8. bis 18. März eine Anmeldung per Mail, Telefon oder Post geben.


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Und wann könnte man in Nürnberg endlich mit der Schuleingangsuntersuchung starten? Birgit Broghammer sagt: „Wegen der Pandemie ist leider noch kein Zeitpunkt bekannt.“
Schon im vergangenen Jahr hat Corona die Pläne gewaltig durcheinander gebracht. Von etwa 4800 angehenden Erstklässlern konnten nur etwa 2500 Mädchen und Jungen in Augenschein genommen werden. Bei 2300 Kindern wurde von Juni bis Ende Oktober 2020 größtenteils wenigstens eine Sichtung der Untersuchungshefte organisiert — zum Teil gab es also die Schuleingangsuntersuchung nicht vor, sondern erst im neuen Schuljahr. Hier wurde nur bei Kindern ohne U9-Untersuchung noch eine schulärztliche Untersuchung organisiert. Bei 61 Kindern war die Sichtung der Untersuchungshefte wegen der zweiten Corona-Welle nicht mehr möglich. „18 Kinder konnten aus dem gleichen Grund trotz fehlender U9 nicht schulärztlich untersucht werden“, berichtet die Kinder- und Jugendärztin.

Keine Beratung

In vielen Fällen gab es also keine Schuleingangsuntersuchung im eigentlichen Sinn. Die Folgen sind bitter. Birgit Broghammer: „Es fehlte in vielen Fällen eine Beratung zum Beispiel zu notwendigen Fördermaßnahmen und zur Frage der schulärztlichen Empfehlung einer Rückstellung oder einer vorzeitigen Einschulung.“

Nürnberg ist kein Einzelfall. Auch die anderen Kommunen in Bayern tun sich schwer mit Schuleingangsuntersuchungen, berichtet Simone Fleischmann vom BLLV. Ausgesetzt wurden die Untersuchungen beispielsweise auch in Erlangen und im Landkreis Fürth. „Wir sitzen da alle im selben Boot.“

Der Anspruch der Schulen und der Kindergärten sei, den „Übergang so kuschelig wie möglich“ zu gestalten. Vorschulkinder sind in der Regel stolz und freuen sich auf den neuen Lebensabschnitt. „Ich bin bald ein Schulkind und gehöre zu den Großen!“ Dieses Gefühl, diese Freude müsse man stärken und fördern. „Wenn der Start in die erste Klasse gut ist, dann ist meist auch die ganze Schullaufbahn eher gut.“

"Es ruckelt"

Hart sei nicht nur, dass die Schuleingangsuntersuchungen derzeit kaum machbar sind. Auch andere bewährte Methoden, um die Kinder auf den ersten Schultag vorzubereiten, fallen bislang weg. „Es ruckelt bei der Schuleingangsdiagnostik“, sagt Simone Fleischmann. So besuchen etwa Grundschullehrkräfte den Kindergarten, Vorschulkinder besichtigen das Schulhaus: Fraglich ist, wie man das in Zeiten von Corona umsetzen kann.


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Beliebt ist auch das „Schulspiel“, bei dem die Vorschulkinder in Kleingruppen schon mal eine Art Unterricht vor Ort haben: „Da sehen wir: Kann das Kind zählen? Hört es zu? Wie geht es mit anderen Kindern um?“ Die Lehrkräfte erkennen so, ob in bestimmten Fällen noch eine spezielle Förderung organisiert werden muss. Per Videosprechstunde oder Telefon versuchen Schulen derzeit, Kontakt zu den Eltern der Erstklässler aufzubauen.

Simone Fleischmann fordert in diesem Zusammenhang mehr Lehrer für die Grundschulen. Über „dienstrechtliche Maßnahmen“ — also Mehrarbeit — allein könne man den Lehrermangel nicht auffangen. Einem Kind das Lesen, das Schreiben, das Rechnen beizubringen sei „eine hohe didaktische Herausforderung“.

Und sie hat an Eltern, die wegen der Einschulung unsicher sind, eine Bitte: „Eltern sollten ihre Fragen an die Profis bringen.“ Beim Kindergarten das Problem schildern, bei der zuständige Sprengelschule anrufen und die Fragen abklären - all das hilft, um den Start in den neuen Lebensabschnitt zu erleichtern.

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