200-jähriges Jubiläum

Verein der Nürnberger Lehrer und Lehrerinnen wirft selbstkritischen Blick zurück

29.6.2021, 14:35 Uhr
Der ehemalige Nürnberger Schulamtsleiter Manfred Schreiner und die Vorsitzende des Nürnberger Lehrer- und Lehrerinnenverbands, Sandra Schäfer, stellen den Jubiläumsband "200 Jahre Nürnberger Lehrer-und Lehrerinnenverein" vor.

© Gabi Eisenack Der ehemalige Nürnberger Schulamtsleiter Manfred Schreiner und die Vorsitzende des Nürnberger Lehrer- und Lehrerinnenverbands, Sandra Schäfer, stellen den Jubiläumsband "200 Jahre Nürnberger Lehrer-und Lehrerinnenverein" vor.

Der Nürnberger Lehrer- und Lehrerinnenverein (NLLV) feiert in diesem Jahr sein 200-jähriges Bestehen. Die große Party wurde aufgrund der Corona-Pandemie auf Oktober 2022 verschoben. Aber spannender Lesestoff zum Jubiläum liegt schon vor. "200 Jahre NLLV. Zukunft.Bilden" heißt der Titel des Buches, das tief in die Geschichte des Vereins eintaucht.

Es ist keine Jubelfestschrift. Dies vorauszuschicken ist Manfred Schreiner sehr wichtig. Der langjährige Leiter des Nürnberger Schulamts und Ehrenvorsitzende des NLLV, hat das gewichtige 200-Seiten-Werk verfasst. Er blickt auf Ereignisse, Menschen, Biographien, erinnert an Engagement und Fortschritt. Aber er spart die dunklen Kapitel nicht aus. "Es ist eine schonungslose Darstellung der Geschichte des NLLV, der für sich in Anspruch nehmen kann, der älteste noch existierende und unabhängige Lehrerverein der Welt zu sein." Von einst zwölf ist er heute auf 2600 Mitglieder gewachsen.

Es geht um die Anfänge des Vereins, seine Rolle im Kaiserreich, im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Um engagierte Männer und emanzipierte Frauen, die das Berufsbild geprägt und verändert haben. Und schließlich um eine sehr bewegte Gegenwart, wie Sandra Schäfer, die Vorsitzende des NLLV, als Herausgeberin des Buches im Vorwort schreibt.

Es waren die Nürnberger Schreib- und Rechenmeister, eine eigene Zunft bis 1613, die den Verein aus der Taufe gehoben haben – am 13. Oktober 1821 im Gasthof Goldener Radbrunnen beim Neuen Tor. Ein reiner Männerhaufen damals, Frauen im Schuldienst gab es noch nicht.

Frei sein

Frei wollten die Lehrer sein und sich von Staat und Kirche nichts vorschreiben lassen. Eine konfessionelle Trennung verweigerten sie und legten Wert auf Überparteilichkeit. An historischen Originalquellen mangelte bei den Recherchen nicht. Ein profunder Kenner des Materials ist der emeritierte Pädagogik-Professor Max Liedtke, der Schreiner beratend zur Seite stand. Er betont, wie wichtig das Quellenstudium für die Glaubwürdigkeit eines solchen Werkes ist. Ein Schatz ist da etwa ein Band mit Sitzungsprotokollen aus den Jahren 1864 bis 1866, der auf dem Fürther Grafflmarkt entdeckt und für die Schulgeschichtliche Sammlung der Universität Nürnberg-Erlangen gerettet wurde.

Drei Mal ist der NLLV im Laufe seiner Geschichte von der Obrigkeit verboten worden. "Darauf sind wir stolz", sagt Schreiner. 1832 wegen demokratischer Umtriebe, 1850 wegen der Einstufung als politischer Verein, 1937 wegen der Weigerung, sich voll der Gleichschaltung im Dritten Reich zu unterwerfen.

Dunkles Kapitel

In der NS-Zeit gab es freilich auch unter Lehrern und im Lehrerverein Mitläufer und Täter. Julius Streicher etwa, Gauleiter von Franken, besessener Hetzer und Antisemit, Herausgeber des Propaganda-Blattes "Der Stürmer". Aber da waren auch weniger bekannte Namen, die Rassismus und Antisemitismus an den Schulen forderten und förderten. Manche von ihnen genossen auch später in der Bundesrepublik noch hohes Ansehen. Ein Fakt, der keinesfalls verschwiegen werden darf, findet Manfred Schreiner.

Als der Nürnberger Lehrerverein und der Nürnberger Lehrerinnenverein – gegründet 1886 – nach dem Zweiten Weltkrieg fusionierten, lautete der Leitspruch der Frauen: "Das zweite L auf ewig". Das sei der Grund dafür, so Manfred Schreiner, dass die Männer im Vereinsnamen bis heute zuerst genannt werden. Darüber sei immer wieder diskutiert worden. "Die Frauen wollen, dass das so bleibt."

Mathias Rösch, der Leiter des Schulmuseums der Universität Erlangen-Nürnberg, bereitet die Jubiläumsausstellung vor. Er blickt mit Respekt auf die Leistung der Altvorderen. "Da hat manch einer 40 bis 50 Jahre seines Lebens dazu verwendet, den Beton zu durchbrechen." Etwa beim Thema Inklusion, das schon die Lehrer von einst beschäftigt hat." Da war etwa der Taubstummenlehrer Michael Völ(c)kel, der dem Lehrerverein 1828 beitrat und der darum kämpfte, dass alle Kinder eine Chance kommen.

Schon damals hätten die Lehrer einen langen Atem gebraucht. "Das Thema Bildungsgerechtigkeit müssen wir immer wieder platzieren", sagt Sandra Schäfer. Wichtig sei, bei den jungen Leuten, die Sensibilität für Geschichte zu wecken", sagt Sandra Schäfer. "Haltung zählt. Das ist nach wie vor unser Leitmotiv."

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