Vogelschützer: "Agrarvögel gehen die Lebensräume verloren"

31.12.2019, 14:29 Uhr
Vogelschützer:

© Michael Matejka

Der Umzug hat einen faden Beigeschmack. Zwar sind Bernd Michl, seine Frau und sein Sohn in der neuen Wohnung in Burgthann glücklich, ihre frühere Adresse aber haben sie ungern aufgegeben. Sie haben sie in der Schwalbenhofstraße gewohnt, wie gemacht für die vogelverrückte Familie.

Ein Ortswechsel ist der Grund, weshalb sich Bernd Michl überhaupt für Vögel interessiert. Als er vor etwas mehr als zwanzig Jahren aus der Stadt zurück ins Nürnberger Land zieht, fallen ihm die tierischen Nachbarn im angrenzenden Wald immer häufiger auf. Der Schreiner fängt an, sie zu beobachten, kauft sich ein Buch, in dem Vogelarten und ihre Eigenschaften aufgelistet sind.

Mit Feldstecher und Schiebermütze

Inzwischen hat der heute 50-Jährige eine ganze Regalwand voller ornithologischer Nachschlagewerke. Als er damals auf einen Zeitungsartikel hin an einem Rundgang des Landesbunds für Vogelschutz teilnimmt, ist er erst einmal verwirrt. Der Anführer der kleinen Gruppe, der sich als "Schorsch" vorstellt, sieht und vor allem hört Vögel, von denen Michl nie gehört hat. "Und auch in meinem Buch habe ich nichts gefunden."

Vogelschützer:

© Herbert Paske

Heute ist es Bernd Michl, der mit einem Feldstecher um den Hals an den Weihern der Kläranlage Feucht entlangläuft und abrupt stehenbleibt. "Haben Sie das gehört? Das war ein Eisvogel", sagt der drahtige Mann mit der hellgrünen Funktionsjacke und der Schiebermütze. Der Eisvogel sei hier oft zu sehen, sagt er, nachdem er den Laut des Vogels nachgeahmt hat. "Die Klärteiche sind bei Minustemperaturen oft nicht zugefroren und bieten vielen Vögeln Nahrung", erklärt Michl und zeigt auf Stockenten und Graureiher.

Ein Quieken. Bernd Michl streckt den Finger in die Luft. "Gehört? Das war eine Wasserralle, die klingt wie ein Schwein, das geschlachtet wird." Wer mit Michl durch den Wald läuft, lernt genau zu lauschen und hinzusehen. Wieder quiekt es. Der Vogel ruft, um sein Revier zu verteidigen. Das klingt anders als im Frühling, wenn die Tiere singen, um so Weibchen anzulocken, sagt der Experte.


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Bernd Michl weiß, wovon er spricht. 260 Vogelarten hat er in den vergangenen zwanzig Jahren beobachtet oder gehört. Viele zusammen mit Georg Kroder alias "Schorsch", der Michl einiges beigebracht hat. Und den der 50-Jährige beerbt hat. Seit 2006 ist Michl nun Vorsitzender des Landesbunds für Vogelschutz in Feucht. Zu dem zählen mittlerweile viele Gebiete im Nürnberger Land. Die Ortsgruppe wächst, "wir wollten nicht nur hier und am Jägersee unterwegs sein." Das Ergebnis sind 500 Mitglieder. Statt zwei bis drei Erkundungstouren für Interessierte im Jahr gibt es heute eine im Monat, zusätzlich zu Führungen für Schulklassen oder im Ferienprogramm.

Vogellehrpfad in Feucht

Damit Spaziergänger auch etwas lernen, wenn kein Mitglied des LBV dabei ist, hat Bernd Michl mitgeholfen, den Infopfad entlang der Krugweiher zu realisieren, genauso den Vogellehrpfad der Gemeinde Feucht. Alles mit dem Ziel, "über Vögel aufzuklären und die Arten zu erhalten", sagt der Vorsitzende. Wie es den heimischen Vögeln geht? "Gut und schlecht", sagt Michl. "Den Vögeln im Wald geht's gut, der Kohlmeise zum Beispiel super", erklärt er und deutet auf eine, die es sich im Busch nebenan gemütlich gemacht hat. Bei Agrarvögeln wie Kiebitzen, Rebhühnern oder Wachteln sehe es sehr viel schlimmer aus. "Denen gehen die Lebensräume verloren."

Bernd Michl erlebt das hautnah. Er ist Teil des Naturschutzbeirats Nürnberger Land, berät die Untere Naturschutzbehörde in Nürnberg und hilft bei der Kartierung für den Deutschen Brutvogelatlas. Von März bis Juni ist er dazu einmal pro Monat gleich in drei Beobachtungsgebieten unterwegs, immer am Wochenende, um Amseln, Meisen und andere Vögel zu zählen. Anhand der Ergebnisse werden wichtige Entscheidungen in Sachen Artenschutz getroffen.

24 Stunden auf Vogelsuche

Die Familie freut sich dann auf frische Brötchen, wenn Michl wieder früh am Samstag von seiner Monitoring-Tour zurückkommt. "Meine Frau versteht das, sie ist ja auch beim LBV." Das sollten aus Bernd Michls Sicht noch viel mehr Menschen sein. Und zwar alle, die helfen wollen, Vögel und Natur zu schützen. "Man muss nicht unbedingt aktives Mitglied sein, auch wenn das schön wäre", sagt der Vorsitzende. „Aber wer einem Natur- oder Tierschutzverein beitritt, setzt ein Zeichen.“ Dafür darf auf das Füttern der Tiere gerne verzichtet werden — außer mit einem Vogelhäuschen. Von denen hat der Schreiner schon selbst "ein paar Hundert" zusammengebaut.


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Bis zu 60 Stunden ist Bernd Michl im Monat für den LBV und für die Natur im Einsatz. Ein schräger Vogel? Nein. Ein Vogelverrückter? Ja. Aus seiner Berufung macht er gerne ein Spiel. Welche Vögel er entdeckt, zählt er jedes Jahr aufs Neue, manchmal jedes Monat. Und auch beim "Bird race", wenn am ersten Samstag im Mai alle Vogelliebhaber versuchen, in 24 Stunden so viele Arten wie möglich zu sehen, ist Michl dabei. Sein Rekord: knapp 80 verschiedene Vögel. Dafür war er mit seiner Gruppe sogar 56 Kilometer auf dem Rad unterwegs.

Infos unter www.nuernberg.lbv.de

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