Völlig losgelöst von der Erde

19.4.2015, 21:15 Uhr

Die Maskerade ist Absicht, weil seine Bekanntheit hier keine Rolle spielt. Er tritt gemeinsam mit Darstellern auf, die zum Teil Behinderungen haben. Das Stück haben alle gemeinsam entwickelt. Es geht um die Welt im Jahr 2345, die kein gemütlicher Ort ist: Alles ist öko und rein bio, die Menschen rauchen und saufen nicht, Fleischkonsum ist verboten, ebenso wie Süßigkeiten, Plastik und zotige Herrenwitze. Wer sich nicht an die spaßfreien Regeln hält, gilt als Sonderling und landet zur Umerziehung auf dem Strafplaneten Omega.

Doch als ein paar schräge Gestalten — ein Komiker, ein Genießer, eine Schwarzmarkthändlerin, eine Putzteufelin, ein veraltetes Androidenmodell und ein durchgeknallter Showmaster — nach Omega gebracht werden sollen, ändert sich alles. Sie kapern das Raumschiff „Daisy“ und fliegen in das Planetensystem Lukullus, um dort Leckereien zu genießen, die auf der Erde tabu sind. Dort wiederum herrscht Big Bachus alias Egersdörfer, der auf Heiratspolitik und Tourismus setzt, um einen Krieg mit den Menschen zu verhindern. Darum sucht er einen irdischen Gatten für seine liebliche Tochter Little Venus mit ihren zehn Händen und sechs Brüsten.

Überbordende Fantasie

Rasch wird sichtbar: Diese Schauspieler sind viel spontaner und unmittelbarer, sie reden nicht in Theater-Konzepten oder intellektuellen Strategien, sondern überlassen sich ganz ihrer Fantasie. Und die ist überbordend. So entzündet sich der Fortgang der Story oft an Situationen oder Wortwendungen. Neue Räume öffnen sich, wenn sie etwas wortwörtlich nehmen. Auf einer tieferen Ebene haben die Akteure jedoch alles genau verstanden und improvisieren dazu.

Woher sie das alles holen, diese Bilder, diesen Kanon an Metaphern, das bleibt ihr Geheimnis. Die Rollen wachsen aus den Schauspielern heraus. Lässig inkludieren die Menschen mit Handicap die Nichtbehinderten, begeben sich aus der Nische mitten hinein in ein mutiges Theater, das mit neuen, klugen Ansätzen die Zuschreibungs-Mechanismen der Mehrheitsgesellschaft verändern kann. Dieses postdramatische Theater braucht Reibung, braucht Menschen mit Geschichten, mit Emotionalität, Unbedingtheit, Präsenz, die jedes noch so verkopfte Konzept flugs erden. Regisseur Jürgen Erdmann weiß, dass das ihre Stärke ist, er vertraut ihnen völlig. Gut so.

Am 11. Juni im E-Werk Erlangen, am 13. Juni im Cinecittà.

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