Vom Gefängnis in die Freiheit: Ex-DDRler halten nichts von Ostalgie

10.11.2019, 21:54 Uhr
Die Freiheit, zu reisen wohin man will: Mitglieder des "Freundeskreis Deutsche Einheit e.V." posieren zum Jubiläum des Mauerfalls auf dem Hallplatz.

© Michael Matejka, NNZ Die Freiheit, zu reisen wohin man will: Mitglieder des "Freundeskreis Deutsche Einheit e.V." posieren zum Jubiläum des Mauerfalls auf dem Hallplatz.

Ostalgie. Dagegen haben sie was. In den Trabi, den sie am Samstag auf dem Hallplatz abgestellt haben, wollen sie sich für ein Foto nicht hineinsetzen. Lutz Quester wurmen auch Debatten, ob man DDR-Ampelmännchen im Bundesgebiet einführen sollte oder nicht. "Die Verniedlichung dieses Unrechtsstaates kann ich nicht nachvollziehen." Die Mitglieder des "Freundeskreis Deutsche Einheit e.V." stellen sich für das Bild lieber vor das originale, historische Stück Berliner Mauer, das auf dem Nürnberger Hallplatz steht. Sie halten Karten mit dem Deckblatt des Deutschen Reisepasses in die Kamera.

Fünf Gefängnisse von innen gesehen

Denn darum ging es damals auch: um (Reise-)Freiheit, um die Überwindung der Mauer.
Zum 30. Jahrestag des Mauerfalls haben sich Quester und Freunde überlegt, mit Bürgern ins Gespräch zu kommen. Wie passend tappt auch eine Reisegruppe aus Russland an ihnen vorbei. Der 61-Jährige drückt einigen die Kopie des Deutschen Reisepasses in die Hand und schickt ihnen ein "do swidanja!" (Auf Wiedersehen!) hinterher.

Mit seinem Freund Dirk Götze, der jetzt neben ihm steht, drückte er die Schulbank. "Wir gingen durch dick und dünn." Vor allem aber durch dick. Spätestens dann, als sie sich 1984 für ein gefährliches Wagnis entschieden, um in den Westen zu gelangen. "Wir stellten uns in Ost-Berlin vor die Ständige Vertretung der Bundesrepublik, die damals an der Hannoversche Straße lag", erzählt Quester. In ihren Händen hielten sie Plakate mit ihren Namen und ihrem Alter. Geschrieben mit roter Farbe. Die Schilder hielten sie in die Videokamera, die am Haus der Vertretung installiert war. "Wir hofften, dass wir damit im Westen gesehen werden. Die rote Farbe soll auffallen", sagt Götze. Es dauerte aber nicht lange, da kamen erste Streifen der Volkspolizei und nahmen die beiden mit.

Monatelang saßen sie als politische Häftlinge hinter Gitter, fünf Gefängnisse sahen sie von innen. "Die Haftbedingungen waren grausam." Quester saß auch in Berlin Hohenschönhausen ein. Doch wo sie waren, das hatte man ihnen nie gesagt. Schließlich kaufte der Westen die beiden frei – fünf Jahre vor dem Mauerfall. "Erst Jahre später erkannte ich durch Zufall die Knasträume in Berlin wieder", so Quester. Heute stellt er sich als Zeitzeuge zur Verfügung. Als ehemaliger Häftling führt er Interessierte durch alte DDR-Gefängnisse – auch durch die Räume in Hohenschönhausen.

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